Erst nach langem Zögern konnte sich die CDU im Frühjahr 2020 dazu aufraffen, die Entlassung des langjährigen Gedenkstättenchefs Hubertus Knabe wie von AfD und FDP gefordert parlamentarisch aufzuarbeiten. Knabe war im Herbst 2018 seines Amtes enthoben worden, weil er Vorwürfen der sexuellen Belästigung seines Stellvertreters gegenüber Volontärinnen nicht energisch genug nachgegangen sein soll.
So sahen es Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und die Ausschußmehrheit von SPD, Linken und Grünen. Für CDU, AfD und FDP haben sich hingegen die Hinweise verdichtet, daß der unbequeme Historiker Opfer einer politischen Intrige geworden ist. Der zwölfköpfige Ausschuß hat in eineinhalb Jahren in 20 Sitzungen 22 Zeugen angehört und über 90 Akten studiert. Teilweise waren die Befragungen hitzig, etwa als Knabe den Kultursenator der Lüge bezichtigte. Für die AfD gehörte Martin Trefzer dem Untersuchungsausschuß an. Über dessen Ergebnisse sprach er mit der JUNGEN FREIHEIT.
Voraussichtlich kommende Woche debattiert das Abgeordnetenhaus über die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses, der sich mit den Umständen der Entlassung des langjährigen Leiters der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, befaßte. Für die Regierungsfraktionen steht fest: Knabe mußte gehen, weil er sexuelle Übergriffe seines Stellvertreters auf junge Mitarbeiterinnen nicht energisch genug unterbunden hatte. Die oppositionellen CDU und FDP meinen, der Gedenkstättenleiter sei Opfer einer politischen Intrige geworden. Welche Schlüsse ziehen Sie aus den Ergebnissen?
Martin Trefzer: Da gibt es für mich überhaupt keinen Zweifel: Kultursenator Lederer (Linke) hat die Beschwerden über sexuelle Belästigung gegen den stellvertretenden Direktor als Vorwand genutzt, um Knabe loszuwerden. Nachdem er schon davor versucht hatte, Knabe am Zeug zu flicken, war die Beschwerde einer Volontärin im Dezember 2017 der Startschuß für eine äußerst geschickt eingefädelte Intrige. Dabei gelang es Lederer unter anderem, die Frauenbeauftragte für seine Zwecke einzuspannen.
Aufschlußreich ist eine Mail der von ihr an Lederer und seinen Staatssekretär, in der sie den Beschwerdebrief der Frauen ankündigt und anbietet, in einer internen Runde über eine strategisch geschickte zeitliche Steuerung des Briefes zu sprechen. Das ist eigentlich ein unglaublicher Vorgang. Als direkte Folge gelang es Lederer, den Beschwerdebrief aus einer wichtigen Stiftungsratssitzung herauszuhalten, so daß er den Vorgang anschließend nach eigenem Ermessen aufrollen konnte und dann bis zur Entlassung von Knabe der Taktgeber blieb.
„CDU auf linkes Spiel hereingefallen“
Welche Rolle spielte die Kulturbeauftragte der Bundesregierung, Monika Grütters (CDU), in der Affäre?
Trefzer: Grütters spielte genauso wie Dieter Dombrowski (Bundesvorsitzender der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft und Vorsitzender des Beirats der Gedenkstätte, die Red.) eine ganz unrühmliche Rolle. Beide ließen sich von Lederer regelrecht über den Tisch ziehen. Erst verschwieg Lederer ihnen den bevorstehenden Beschwerdebrief der Frauen, um den Vorgang ungehindert in seinem Haus monopolisieren zu können, dann überzog er sie vor der entscheidenden Stiftungsratssitzung im September 2018 mit einem Trommelfeuer an Vorverurteilungen gegenüber Knabe.
Eigentlich unfaßbar, daß zwei gestandene CDU-Politiker auf dieses linke Spiel hereingefallen sind. Immerhin kommt die CDU in ihrem eigenen Sondervotum jetzt selbst zu dem Ergebnis, daß Grütters „kaum informiert“ war, aber trotzdem „einfach alles geglaubt hat“, was Lederer ihr übermittelt hat. Das heißt im Klartext, entweder war sie total überfordert oder sie hat die Intrige gegen Knabe sogar aktiv mitgetragen. In beiden Fällen ist sie nicht zu halten. Sollte es noch mit rechten Dingen zugehen, müßte Grütters nach so einer Ansage der eigenen CDU-Fraktion von ihren Ämtern zurücktreten. Aber die SED-Opfer haben in der CDU offenbar nicht mehr viel zu melden, sonst wäre da längst eine Diskussion entbrannt.
Aus den öffentlich zugänglichen Gerichtsakten im Verfahren gegen den Vizedirektor ergibt sich, daß einige frühere Mitarbeiterinnen diesem ungefragt sehr intime Details aus ihrem Privatleben berichtet haben. Warum hat der Untersuchungsausschuß diese Frauen nicht vorgeladen?
Trefzer: Die Tatsache, daß einige Frauen auf die anzüglichen SMS des stellvertretenden Direktors eingestiegen sind – mit welcher Absicht auch immer –, ändert ja nichts an der Verwerflichkeit solcher Nachrichten. Das ist gar nicht der springende Punkt. Interessant ist doch etwas ganz anderes: Knabe und ein weiterer Zeuge haben vor dem Ausschuß glaubhaft versichert, daß für einige Frauen auch noch andere Motive für ihre Beschwerden eine Rolle gespielt haben müssen.
Also etwa unterschiedliche Arbeitsauffassungen oder abweichende politische Bewertungen. Vor diesem Hintergrund wäre es natürlich hochinteressant gewesen, die Frauen in geheimer Sitzung mal zu befragen. Obwohl davon nichts nach außen gedrungen wäre, die Persönlichkeitsrechte der Frauen also in keiner Weise tangiert worden wären, verweigerte sich neben Rot-Rot-Grün auch die CDU diesem Ansinnen. Die FDP wäre dazu wohl bereit gewesen, wollte sich aber nicht nachsagen lassen, eine Zeugenaussage allein mit der AfD durchgesetzt zu haben.
„Wichtige Fragen konnten leider nicht gestellt werden“
Brisant wäre es vor allem gewesen zu erfahren, wie die Frauen die Rolle der Kulturverwaltung bei der Koordination des Frauenzusammenschlusses wahrgenommen haben. Hier kennen wir bislang nur die Darstellung der Kulturverwaltung. Eine Stellungnahme der Frauen hätte die Behauptung, die Kulturverwaltung sei durch den Beschwerdebrief der Frauen überrascht worden, schwer erschüttern können. Denn es war ja Lederers Haus, das die Frauen zusammengebracht hat.
Um hier nichts anbrennen zu lassen, war eine Ladung der Frauen für Rot-Rot-Grün absolut tabu. Leider kam dann auch die Zeugenaussage der persönlichen Referentin des Staatssekretärs, die die Kontakte zu den Frauen koordiniert hatte, wegen einer amtsärztlich attestierten Vernehmungsunfähigkeit nicht zustande, so daß leider am Ende wichtige Fragen nicht gestellt werden konnten.
Hatten Sie als Ausschußmitglied ungehinderten Zugang zu den Akten der Senatskulturverwaltung, oder wurden Ihnen von dort aus Steine in den Weg gelegt?
Trefzer: Viele Akten sind uns sehr spät, erst auf ausdrückliche Nachfrage oder auch gar nicht übermittelt worden. So zum Beispiel das „Drehbuch“ zum Ablauf der Stiftungsratssitzung, bei der Hubertus Knabe entlassen wurde. Dieses Papier der Senatskulturverwaltung, das Lederer als Sprechzettel diente, belegt, daß die Entlassung von Knabe minutiös vorbereitet worden war, bis hin zu solchen Detailfragen, wann der Senator Knabe sein Entlassungsschreiben zu übergeben, oder der Uhrzeit, zu der Knabe sein Büro zu räumen habe. Kein Dokument widerlegt die Aussage von Kultursenator Lederer, die Sitzung, bei der Knabe entlassen wurde, sei ergebnisoffen gewesen, so anschaulich wie dieses „Drehbuch“, das wenige Tage vor der Stiftungsratssitzung fertiggestellt worden war.
Diese „Smoking Gun“ der Intrige gegen Knabe fehlte leider in den Akten von Lederers Kulturverwaltung, sie fand sich lediglich als Kopie in den Akten der Kulturstaatsministerin.
Unter der Leitung von Hubertus Knabe war Hohenschönhausen eine der am besten besuchten deutschen Gedenkstätten. Außerdem legte er einen Schwerpunkt auf die Präventionsarbeit gegen Linksextremismus. Wird es Ihrer Einschätzung nach dabei bleiben, und wie sehen Sie ganz allgemein die Zukunft der Aufarbeitung des kommunistischen Unrechts?
Trefzer: Die Entwicklung in Hohenschönhausen bereitet mir große Sorge. Die Gedenkstätte segelt erkennbar auf einem anderen Kurs, seit Knabe weg ist. Am deutlichsten wird dies im Umgang mit den Zeitzeugen. Die Wertschätzung für die Zeitzeugen, die für Knabe immer zentral war, ist einer regelrechten Geringschätzung gewichen. Viele Zeitzeugen sind mittlerweile verbittert. Kein Wunder, wenn man sieht, wie sie an den Rand gedrängt werden. Die Krönung dieser traurigen Entwicklung ist zweifelsohne die Absicht der Gedenkstättenleitung, den Zeitzeugen bei ihren Führungen „aktuell Geflüchtete“, wie es heißt, an die Seite zu stellen. So wird das Leid der Opfer der SED-Diktatur schamlos relativiert. Eine Schande ist das! Das würde man sich in einer Einrichtung zur Erinnerung an das NS-Unrecht niemals trauen.
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Martin Trefzer ist seit 2016 Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. Der 1969 geborene Volkswirt ist Wissenschaftspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion und Vorsitzender des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung.
JF 35/21