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Bernd Zimniok, Demografie, Massenmigration

„Ihr enttäuscht uns!“

„Ihr enttäuscht uns!“

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„Ihr enttäuscht uns!“

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Herr Professor Sloan, was sind die Zielvorstellungen der USA für die neue Nato-Strategie, über die auf dem Gipfel beraten werden soll?

Sloan: Es genügt nicht mehr, sich nur als eine Organisation militärischer Kooperation zu verstehen. Das Bündnis muß weitere Kompetenzen ausbilden. Afghanistan zeigt: Die Fähigkeiten, innere Stabilität und politische Beständigkeit zu entwickeln, wirtschaftlichen Wohlstand und gesellschaftlichen Fortschritt zu erzielen, werden immer wichtiger.

Die Nato soll vom Instrument militärischer Hegemonie zum Instrument kultureller Hegemonie im „Kampf der Kulturen“ werden?

Sloan: Diese Kompetenzen müssen ja nicht innerhalb der Nato entwickelt werden, vielleicht ist es auch sinnvoller, sie „neben der Nato“ herauszubilden. Aber der Westen muß lernen, daß er zur Wahrung seiner Interessen nicht nur sein militärisches Potential integrieren muß, sondern auch Kompetenzen im zivilen Bereich. In meinem letzten Buch „Nato, the European Union and the Atlantic Community“ nenne ich das so entstehende Geflecht „die atlantische Gemeinschaft“.

Welche Rolle sehen Sie für Deutschland in dieser künftigen Ordnung vor?

Sloan: Die Beziehungen zwischen den USA und Deutschland sind derzeit sehr gefährdet: Die Amerikaner beginnen sich zu fragen, was sie eigentlich von dieser Sicherheitspartnerschaft haben. Schließlich hat Amerika Deutschland nach dem Krieg geholfen, eine Demokratie und seinen Wohlstand wiederaufzubauen, hat es im Kalten Krieg und bei der Wiedervereinigung unterstützt. Nun, wo wir Deutschlands Hilfe brauchen, nämlich in Afghanistan, wollen die Deutschen aber nicht die Hilfe leisten, die angemessen wäre. Das, um ehrlich zu sein, enttäuscht uns.

Wie reagieren die USA darauf?

Sloan: Noch ist der Unmut nicht allzu groß, denn noch hat er nur die Ebene der Experten und nicht die der breiten Öffentlichkeit erreicht. Aber in Zeiten der wirtschaftlichen Krise werden sich immer mehr amerikanische Bürger fragen, warum sie – für ein gemeinsames Ziel – eine so ungleich größere Belastung tragen müssen als die Deutschen.

Die Bundeskanzlerin hat bereits angekündigt, sie werde sich auf dem Nato-Gipfel in puncto  Afghanistan nicht zu mehr drängen lassen.

Sloan: Natürlich weiß die US-Regierung, daß es unklug wäre, vor Ihren Parlamentswahlen im Herbst Druck auf die deutsche Regierung auszuüben. Aber Deutschland muß sich schon vorsehen, denn es ist in einer sehr isolierten Lage, seit Präsident Sarkozy mit seinem Ansinnen auf eine volle Rückkehr in die Nato Frankreich nämlich eine sehr viel günstigere Position verschafft hat.

In einem Kommentar zum Nato-Gipfel für die „International Herald Tribune“ haben Sie jüngst geschrieben, die Aufgabenverteilung innerhalb des Bündnisses, wonach die USA für die „Hard Power“, die Europäer für die „Soft Power“ zuständig sind, sei ein „schwerer Fehler der Regierung Bush gewesen“.

Sloan: Die USA unter Obama verfügen nun wieder über „Soft Power“ – also die Fähigkeit, auch ohne Zwangsmittel zum Ziel zu kommen – als auch über „Hard Power“, also die Möglichkeit zum Rückgriff auf ebensolche Mittel. Daher sind die USA wieder in der Lage, die Ereignisse zu beeinflussen. Die Europäer dagegen verfügen zwar über „Soft Power“, jedoch fehlt ihnen die „Hard Power“ um diese zu flankieren. Wie auch immer, die alte Entschuldigung – nämlich George W. Bush –, hinter der sich viele Europäer verschanzt haben, ist verschwunden: Die neue US-Regierung ist bereit, in allen Punkten der europäischen Kritik entgegenzukommen. Das hat Vizepräsident Biden bei seinem Besuch im Februar in München deutlich gemacht: Wir wollen künftig nicht nur eure materielle Unterstützung, wir wollen auch euer persönliches Engagement und eure Ideen!

Sie gehen davon aus, deutsche und US-Interessen seien identisch. Die meisten Deutschen betrachten den Krieg in Afghanistan jedoch nicht als im nationalen Interesse, sondern als Gefallen für die USA nach dem 11. September.

Sloan: Man muß leider feststellen, daß die deutschen  Politiker dabei versagt haben, ihrem Volk zu erklären, daß Fragen wie der internationale Terrorismus, Schmuggel mit ABC-Material oder Proliferation durchaus Fragen ihres nationalen Interesses sind.

Ist Deutschland nicht viel stärker durch die Verwicklung in US-eigene Konflikte gefährdet?

Sloan: Sicher, man muß Verständnis haben, daß in der Zeit der Bush-Regierung dieser Eindruck entstanden ist. Aber der neue Stil der Obama-Regierung sollte Ihnen den Blick dafür frei machen, daß das ein Irrtum ist.

Die Nato wird den Krieg in Afghanistan nicht gewinnen. Deutschland wird wie alle beteiligten Mächte eine – wenn auch kaschierte – Niederlage erleiden.

Sloan: Gewinnen und verlieren sind keine Kategorien für diesen Konflikt. Werden wir „gewinnen“? Ich weiß es nicht. „Niederlage“ würde bedeuten, daß die Taliban das Land wieder übernehmen werden. Das ist aber nicht vorstellbar. Außerdem: Sollte die Nato eine „Niederlage“ erleiden, gilt das ebenso für die Uno und die EU.

Prof. Dr. Stanley R. Sloan: Der „internationale Nato-Experte“ (New York Times)  lehrt am Nato Defense College in Rom und am Center for International Affairs der US-Eliteuniversität Middlebury. Der Ex-Offizier, Jahrgang 1943, schrieb über ein halbes Dutzend Bücher zum Thema Nato und Sicherheit.

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