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„Was ist die richtige Religion?“

„Was ist die richtige Religion?“

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„Was ist die richtige Religion?“

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Frau Präsidentin, Motto der diesjährigen EKD-Synode vom 5. bis 9. November in Würzburg ist: „Gerechtigkeit erhöht ein Volk – Armut und Reichtum“. Ein wichtiges Thema – aber wo bleibt da Gott? Boehme: Nun, für mich ist die Gerechtigkeit ein ganz wesentliches Kriterium für das Christentum. Sehen Sie keinen Unterschied zwischen den christlichen Werten und Gott selbst? Boehme: Da Gott sozusagen die Grundlage der Kirche ist, wird er natürlich immer mitgedacht. Gott als Hintergrundrauschen? Boehme: Denken Sie etwa an das sogenannte „Impulspapier“ zur Reform der EKD, das Bischof Huber am 6. Juli vorgestellt hat. Es setzt sich für mein Gefühl nicht genügend mit den religiösen Aspekten auseinander, sondern bleibt zu sehr den Alltagsfragen verhaftet. Gleichwohl beruht es auf den Grundlagen der christlichen Botschaft. Das Problem ist aber ein generelles, nämlich daß unsere Gesellschaft über Jahrzehnte Religion als bloße Privatsache angesehen hat. Die Leute sind es nicht mehr gewohnt, daß jemand in einer gesellschaftlichen Debatte von Gott spricht. Heute sehe ich aber glücklicherweise eine gewisse Rückbesinnung auf die Religion. Von der die evangelische Kirche nicht profitiert, wie die schwindende Mitgliederzahl zeigt. Boehme: Das Interesse für Religion bedeutet nicht, daß die Leute in die Kirche gehen. Ich versuche den Menschen aber zu erklären, daß die Kirche es sehr erleichtert, den Glauben zu leben. Wenn das Interesse wieder wächst, die Kirche davon aber nicht profitiert, macht sie dann nicht etwas falsch? Hinkt die evangelische Kirche vielleicht, in der Bereitschaft Gott wieder in den Mittelpunkt zu stellen dem Bedürfnis der Menschen hinterher? Boehme: Nein, immerhin spricht das Impulspapier – bei allen Mängeln – davon, daß „wo evangelisch draufsteht, das Evangelium erfahrbar sein muß“. Und wie soll das konkret aussehen? Boehme: Das ist die Frage, die auch ich mir sofort gestellt habe. Das ist in der Praxis aber vor allem eine Aufgabe der Kirchengemeinden vor Ort. Die sie wie zum Beispiel erfüllen? Boehme: In Bremen gibt es etwa ein breites Spektrum an Maßnahmen, seien es neue Formen des Gottesdienstes oder familienzentrierte Arbeit, über die wir versuchen, Menschen für kirchliche Themen zu begeistern. Denn erst muß man die Menschen für Kirche überhaupt interessieren, bevor man sie für den Besuch eines Gottesdienstes interessieren kann. Dem Normalbürger fällt zum Thema Kirche das Wort Mission wohl eher spät bis gar nicht ein. Warum vermittelt sich dieser angebliche missionarische Eifer überhaupt nicht in der Öffentlichkeit? Boehme: Mit dem Wort Mission verbindet man leider auch heute noch gemeinhin: Wir bekehren die armen Heidenkinder in Afrika zum Guten, Wahren und Richtigen. Inzwischen hat man eingesehen, daß diese Engführung nicht richtig ist. Warum nicht? Ist das nicht der Auftrag, den Jesus höchstselbst erteilt hat? Boehme: „Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker.“ Es stimmt schon, das ist sein Auftrag. Aber schauen wir doch zuerst mal nach Deutschland. Bereits zwei Drittel der Deutschen gehören nicht mehr einer christlichen Kirche an. Da muß zuerst angesetzt werden! Davon sprachen wir eben. Warum wollen Sie nicht auch über die äußere Mission sprechen? Boehme: Wir haben natürlich eine Verantwortung für die Christen zum Beispiel in Afrika, die wir einst missioniert haben. Schließlich können wir nicht unser Produkt exportieren und dann nicht bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Diese Menschen sind schon missioniert, was hat das dann mit Mission zu tun? Boehme: Mission muß heutzutage vor allem nach innen gehen, daß heißt die Menschen müssen sprachfähiger werden und lernen, sich bewußt zu werden, was es bedeutet, zu einer christlichen Kirche zu gehören. Der Islam versteht unter Mission vor allem Ausbreitung seiner Lehre. Boehme: Das Christentum ist durch die Aufklärung, durch den Verzicht auf die Bekehrung durch das Schwert, unheimlich angeregt worden. Diese Fähigkeit zur Versöhnung durch die Aufklärung empfinde ich als besonderes Attribut des Christentums. Aber ich empfinde auch die Auseinandersetzung mit dem Islam als heilsam, weil wir dadurch beginnen, uns darauf zu besinnen, was uns unsere eigene Religion eigentlich bedeutet. Denn da machen uns die Moslems doch was vor, die sich oft viel stärker für ihren Glauben engagieren, als wir! Der Islam betrachtet sich als die einzig wahre Religion. Etwas, was die evangelische Kirche vom Christentum kaum mehr zu behaupten wagt. Boehme: Was ist das, die richtige Religion? Ich bin im Okzident geboren, also bin ich Christ geworden. Wäre ich im Orient geboren, wäre ich vermutlich Moslem. So hat jede Religion ihre Berechtigung. Wenn jede Religion ihre Berechtigung hat, hat keine eine Berechtigung, weil dann ihr Versprechen, der Weg zum Heil zu sein, gelogen ist. Boehme: Ich würde sagen, jede Religion hat ihre Berechtigung, solange sie humane Werte vertritt. Die sehe ich allerdings im Christentum am ehesten verwirklicht. Evangelikale Gemeinden sehen das anders und haben im Gegensatz zur Amtskirche Zulauf. Boehme: Diese Gruppen geben in der Tat wichtige Impulse, die auch andere Gemeinden wachrütteln. Man muß zugeben, daß die Evangelikalen Erfolg haben, gute Arbeit machen und daß sich an ihnen zeigt, wie wichtig es ist, Glauben auch zu leben. Viele Ihrer Kollegen in der EKD kritisieren diese Gruppen wegen ihres Fundamentalismus. Boehme: Ich bin gegenüber diesen Vorwürfen skeptisch, weil ich mir nicht anmaßen möchte, anderen Menschen vorzuschreiben was und wie sie glauben sollen. Andererseits könnte ich persönlich nicht glauben, wenn ich alles wörtlich nehmen müßte, was in der Bibel steht. Ich verstehe die Bibel immer auch als ein historisches Dokument. Dann befürworten Sie das Projekt, die Bibel in „gerechter Sprache“ umzuschreiben? Boehme: Die „Bibel in gerechter Sprache“ soll ja die Lutherbibel nicht ersetzen, sondern um eine zeitgenössische Übersetzung ergänzen. Es geht dabei um Geschlechtergleichheit und den angeblichen „Antijudaismus“ der Bibel, nicht darum, dem Geheimnis des Glaubens auf die Spur zu kommen. Zeigt sich daran nicht erneut, daß hier soziale Belange, nicht Gott und Glauben im Vordergrund stehen? Boehme: Wenn Sie aber mal die Kritik der Menschen, die sich aus solchen Gründen von der Bibel ausgeschlossen fühlen, in Rechnung stellen, ist es die richtige Antwort, um diese Menschen überhaupt zu erreichen. Das bereits genannte EKD-Impulspapier spricht davon, die Vielzahl der evangelischen Landeskirchen durch Fusion zu verringern. Was sind denn die verschiedenen evangelischen Konfessionen – Lutherische, Reformierte und Unierte – noch wert, wenn man sie so einfach einer ökonomisch motivierten Strukturreform opfern kann? Boehme: Na ja, wir sind doch in erster Linie alle evangelische Kirchen. Ich sehe den Haken an ganz anderer Stelle: Nämlich, zu glauben, alle Probleme wären gelöst, wenn die Landeskirchen die Größen ihrer Bundesländer erreicht haben. Weder bringt das an sich die Rettung, noch ist es in der Tat gut, alle Kirchentraditionen einem reinen Verwaltungsdenken zu opfern. Völlige Vereinigung sollte eine freiwillige Option sein, sonst würde ich die Kooperation der Fusion vorziehen. Brigitte Boehme ist Präsidentin der Bremischen Evangelischen Kirche, einer der 23 Landeskirchen in der EKD. Die ehemalige Richterin wurde 1940 in Oldenburg geboren. weitere Interview-Partner der JF

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