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Bundesrepublikanischer Festkalender

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Zu Jahresbeginn, wenn die Christbäume lange vor dem 6. Januar auf die Straße fliegen, drängen sich Fragen zur politischen Kultur der Bundesrepublik auf: Handelt es sich um republikanischen Protest gegen die Heiligen Drei Könige? Oder steht es um die Festtagskultur noch schlechter als um die Gedenkkultur, von der Berliner Kneipenkultur abgesehen? Wie schätzt die PDS die Zukunft des 15. Januar ein, wenn ergraute Genossen vor den Gräbern von Rosa und Karl ergriffen fragen, ob ihre religiöse Inbrunst („Auf, auf zum Kampf, zum Kampf sind wir geboren“) die Geburtenquote nach oben treibt? Ihnen geht’s um die Zukunft der Menschheit, nicht nur um die Renten. Welches Fest der Befestigung westlicher Werte angemessen sei, hat der Staatsphilosoph Jürgen Habermas im Kontext der Wiederkehr des Religiösen ohne Frage längst erwogen. Ein „Fest des Höchsten Wesens“ brächte das Dogma herrschaftsfreier Vernunft zur Anschauung, kommt aber wegen des bei den Eliten verbreiteten Agnostizismus schlecht in Frage. Ein lustvoller Striptease mit Claudia Roth als „Göttin der Vernunft“ am Christopher Street Day ist heterophoben Teilnehmern nicht zuzumuten, riefe zudem Protestvolk auf den Plan, von antisexistischen Seniorengruppen bis zu zeternden Moslembrüdern. Sonnwendfeiern, wie in baltischen EU-Bruderländern üblich, bedurften langwieriger sozialpädagogischer Lernprozesse, in denen aufzuzeigen wäre, daß längst vor „rechten“ Kameradschaften im einst roten Sachsen „linke“ Freidenkerinnen und Freidenker den Ringelpiez um die lodernde Flamme betrieben. Ob für derlei interkulturelle Projekte Geld aus EU-Töpfen anzuzapfen wäre? Am 27. Januar stehen Gesamtschullehrer/innen vor der Aufgabe, ihre neudeutschen Rütli-Eleven mit deutschem Gedenken zu sozialisieren. Und so das ganze Jahr hindurch: Der 8. Mai fällt seit Friedmans Hotelzimmerkalamitäten erst mal flach. Der 17. Juni ist vergessen. Am 3. Oktober klagen die Imame über schwachen Besuch am „Tag der offenen Moschee“. Bleiben wir also vorerst bei Weihnachten. Der Begriff ist, anders als X-Mas in California, unbelastet, wenngleich unikulturell konnotiert. Angedacht seien demokratische Korrekturen, etwa Aidsschleifen am Tannenbaum. Im übrigen ist an Thomas Mann zu erinnern, dessen Hochschätzung des Festes deutscher Innerlichkeit im Exil keinen Schaden nahm. Ob das christliche Friedensfest Herz und Sinne erleuchtet, muß über den global erwärmten Winter hinaus offen bleiben. Herbert Ammon lebt als Historiker und Publizist in Berlin.

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