D ie weihnachtstrunkene Einigungsduselei in Bundestag und Bundesrat ist Vergangenheit. Zum Schluß stand der gemeinsame Wille, den Festtagsfrieden nicht zu stören, über dem monatelang exerzierten Beharren, unterschiedliche Grundprinzipien nicht über Bord zu werfen. Was soll’s, nun beginnt die praktische Bewährungsprobe des großkoalierten Reformbeschlusses. Sogleich haben Finanzexperten ausgerechnet, um wieviel Euro die deutschen Musterfamilie in diesem Jahr entlastet, haben Meinungsforscher erfragt, wie der Überfluß ausgegeben wird: für eine weitere Urlaubsreise, für drei Restaurantbesuche oder für nichts, weil die Steuerersparnis durch die Minderung der Entfernungspauschale ausgeglichen wird. Insgesamt wird der Wirtschaftseffekt, wie die Forschungsinstitute prophezeien, ohnedies kaum meßbar sein. Daß auch die Väter des mühsam errungenen Kompromisses recht schnell nicht mehr das Gefühl hatten, sehr weit gesprungen zu sein, beweisen die ersten Ankündigungen der nächsten Reform. Die vorangegangene war demnach mehr eine „Präform“. „Bin’s-gern“-Bundeskanzler Schröder erklärt unisono mit „Wär’s-gern“-Bundeskanzler Stoiber, in diesem Jahr wirklich, tatsächlich und ganz sicher die endgültig radikale Steuerreform in Angriff nehmen zu wollen, mit niedrigen Sätzen versehen, einfach zu verstehen und vor allem gerecht (man kann das Wort nicht mehr hören). Wenn das wieder so abläuft wie gehabt, werden die Verhandlungen bis nächste Weihnachten hingezogen, mit dem Ergebnis: noch ein Reformkompromißzwischenschrittversuch.
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