Es ist ein Bild des Jammers: kaputtes Material und nichtfunktionierende Waffen, ein lethargisches Offizierskorps und frustrierte Mannschaften. Die heutige Bundeswehr würde den preußischen Heeresreformer Scharnhorst zur Verzweiflung treiben – auch und vor allem wegen der „Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt“ (IBuK), Ursula von der Leyen, die die Bundeswehr führt wie eine Gouvernante ein Mädchenpensionat.
CDU-Politikerin von der Leyen pflegt aufzublühen, sobald sich Mikrofone und Kameras nähern. Ihre Realität ist eine medial-virtuelle. Eine Kaserne oder ein Truppenübungsplatz sind in ihren Augen nur dann geeignet, wenn Gleichstellungsbeauftragte schnell erreichbar und genügend Wickelplätze für Kinder von Soldatinnen vorhanden sind.
Wiederbelebung des Blockwartewesens
Während die Versorgung mit Munition diese Ministerin nicht interessiert, hat sie im Ministerium ein Stabselement „Chancengerechtigkeit, Vielfalt und Inklusion“ einrichten lassen, wo es eine „Ansprechstelle Diskriminierung und Gewalt in der Bundeswehr“ gibt.
Es gibt bereits den Wehrbeauftragten. Daß noch mehr Meldestellen eingerichtet werden, ist nicht Ausdruck einer neuen „Meldekultur“, wie von der Leyen in einem Tagesbefehl vom 26. April 2017 schreibt, sondern die Wiederbelebung des Blockwartewesens.
Soldatische Härte ist notwendig
Sobald ein Vorfall gemeldet wird, schmeißt die Gouvernante Offiziere raus – so wie zuletzt den Chefausbilder des Heeres, Walter Spindler, nachdem Fälle von Mißhandlung, sexueller Erniedrigung oder angeblich zu harter Ausbildung bekanntgeworden waren. Gerade im letzten Punkt empfiehlt sich eine differenzierte Betrachtung:
„Soldatische Härte als Konsequenz aus den bekanntgewordenen Fällen von offenkundigem Fehlverhalten per se als unnötig abzutun, ist ein gravierender Fehler“, erklärt etwa Major Marcel Bohnert, der eine Kampfeinheit in Afghanistan führte. Soldaten müßten hart ausgebildet werden, „damit sie auch unter der Härte der Einsatzrealität bestehen können“.
Wirklich „falsch verstandener Korpsgeist“?
Doch ehe Vorfälle gründlich untersucht worden sind, wie etwa der Fall eines sich als Asylbewerber ausgebenden Oberleutnants, steht für die IBuK fest, daß „falsch verstandener Korpsgeist“ die Ursache ist. „Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem, und sie hat offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen“, erklärte die Ministerin.
Der Vorwurf der Führungsschwäche stimmt, betrifft aber die Ministerin, die nur medial wirken will und sich für den Zustand der Armee nicht interessiert. Sie beschreibt mit gewaltigen Worten eine Bundeswehr, die es nicht mehr gibt, und sie definiert Aufgaben, die sie nie wird erfüllen können.
Kandidaten werden gesucht, doch nicht gefunden
Die personellen Verstärkungspläne, mit denen die seit dem Fall der Mauer kassierte „Friedensdividende“ wieder eingesammelt werden soll, entpuppen sich als typische von der Leyensche Luftnummern. Die für dieses Jahr vorgesehenen 180.100 Planstellen für Berufs- und Zeitsoldaten werden nicht erreicht, 12.500 freiwillig Wehrdienstleistende werden zwar gesucht, aber nicht gefunden.
Der geplante weitere Aufwuchs wird aus drei Gründen scheitern: 1. Durch den Geburtenrückgang fehlen junge Leute. Wer nie geboren wurde, kann auch nicht Soldat werden. 2. Die Abschaffung der Wehrpflicht hat den Keil zwischen Volk und Armee vergrößert. Selbst potentielle Soldaten bekommen somit keinen Kontakt mehr zur Armee. 3. Der Niedergang des Bildungssystems läßt oft unterdurchschnittlich Gebildete in die Kasernen einrücken.
Aufbau eines Potemkinschen Dorfes
Mit dieser Truppe will von der Leyen für den Krieg im Internet rüsten. Ein „Cyberkommando“ gibt es schon. In Wirklichkeit baut von der Leyen hier ein Potemkinsches Dorf auf, mit dem von anderen Problemen abgelenkt werden soll.
Die Probleme werden etwa von André Wüstner, dem Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes, klar benannt: „Die Bundeswehr ist materiell am unteren Limit. Die Depots sind fast leer. Was helfen Panzer, Flugzeuge oder Schiffe, wenn diese nur Munition für wenige Gefechtstage haben und die Truppe nicht im scharfen Schuß üben kann?“ Es sei von allem zu wenig da, sagt auch der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels.
Beschaffung am Bedarf vorbei
Das heißt: Der Tornado ist 50 Jahre alt und störanfällig, der neue Eurofighter selten einsatzbereit. Das Transportflugzeug Transall hat ebenfalls 50 Jahre auf dem Buckel und ist zumeist flugunfähig. Mit dem neuen Airbus-Transporter A 400 M blieb von der Leyen wegen Getriebeschadens im Baltikum liegen.
Die neuen Panzer sind störanfällig, die Wiederinbetriebnahme alter Leopard-Panzer verzögert sich. Hubschrauber können in Mali nicht starten, weil sie die Hitze nicht aushalten. Nur die Marine bekommt fünf neue Korvetten, aber nicht weil sie diese braucht, sondern weil Haushaltspolitiker wie Johannes Kahrs (SPD) oder Eckhardt Rehberg (CDU) den Bestand von Werften in ihren Wahlkreisen sichern wollen.
Neue Aufgaben statt neue Mittel
Der geplante Aufwuchs der Haushaltsmittel von 34,29 Milliarden Euro (2016) auf 39,18 Milliarden in 2020 ist unverbindlich und reicht nicht, die Zusage, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben, zu erfüllen.
Dennoch werden im jüngsten Weißbuch wieder neue Aufgaben und Einsatzgebiete formuliert, was Fachleute wie Kersten Lahl, den früheren Präsidenten der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, verzweifeln läßt: Das Weißbuch treibe „die Überforderung, welche die Truppe seit Jahren demontiert und auch frustriert, auf die Spitze“.