BERLIN. Drei Herren und eine Dame haben sich auf einer Bank vor dem Brandenburger Tor niedergelassen. Sie symbolisieren die politische Konkurrenz der Alternative für Deutschland: Drei Männer stehen für CDU, SPD und FDP. Alle drei können vor Geld kaum krauchen. Die bunt gekleidete Frau soll eine Grüne sein. Sie hat Sonnenblumen dabei und pustet ständig neue Steifenblasen.
Die illustre Runde ist Bestandteil einer politischen Inszenierung, wie es sie am Pariser Platz seit langem nicht gegeben hat. Klar: Linke nutzen diesen Platz immer wieder für ihre Demonstrationen. Im Wahlkampf 2005 zum Beispiel, da baute Greenpeace einen Riesenturm aus schwarz-gelben Ölfässern, um auf die Endlagerproblematik hinzuweisen. Im letzten Winter hausten hier Asylanten und ihre Unterstützer im Refugeecamp. Aber noch nie hat eine konservative Organisation so ein Spektakel veranstaltet.
Es ist eine Veranstaltung vor allem für die Presse. Diese ist heiß auf Bernd Lucke. Der 50jährige könnte es mit der AfD tatsächlich in den Bundestag schaffen, mit einer Partei, die es vor einem Jahr noch nicht einmal gab. „Nächste Woche sind Sie hundert Meter weiter, Herr Lucke“, ruft ein AfD-Anhänger und zeigt auf den Reichstag. Lucke lacht. Er ist immer freundlich, immer fröhlich.
Interviews am laufenden Band
Lucke gibt Interviews am laufenden Band. Immer wieder muß er seine wichtigsten Punkte aufs neue vortragen: Der Euro schadet Europa. Die Eurorettungspolitik ist verantwortungslos. Er suche keine Koalition im Bundestag, wird aber mit jeder Partei zusammenarbeiten, die bereit ist von der Eurorettung Abstand zu nehmen.
Lucke berichtet über steigenden Zuspruch. Nur der Bekanntsheitsgrad lasse noch zu wünschen übrig. „Den Südeuropäern würde es besser gehen, wenn sie aus dem Euro ausscheiden“, sagt er zu einer ausländischen Korrespondentin.
Überhaupt die Ausländer. Es sind viele ausländische Reporter da, aber auch normale Touristen, die neugierig schauen. „Sind das die Typen, die gegen den Euro sind“, fragt ein Engländer in seiner Muttersprache. Die Art, wie er es sagt, verrät, daß der Mann selbst Skeptiker ist. Viele in der Eurozone wundern sich schon lange insgeheim, warum die Deutschen nicht schon längst gegen die Eurorettung auf ihre Kosten protestieren. Für Lucke sind die Korrespondenten kein Problem: Er redet so souverän englisch mit ihnen, wie er deutsch spricht. „And we want better energy policy, too“, sagt er zu einem anderen TV-Reporter. Er wolle eine bessere Energiepolitik. Stromkosten – das zweite große Thema der Partei. Ein Berliner Klimaskeptiker vom Europäischen Institut für Klima und Energie, der lange mit dem Eintritt in die FDP geliebäugelt hat, schaut zufrieden. „Er hat auch was Richtiges über die Energiewende gesagt“, kommentiert er das Gesagte.
SPD hofft womöglich auf AfD-Erfolg
Das sind die FDP-Anhänger, von denen Thomas Oppermann in einem Interview am Montag mit der Leipziger Volkszeitung gesprochen hat: „Nach diesem FDP-Desaster ist es denkbar, daß rechte Wähler nicht mehr auf die FDP, sondern auf die AfD setzen. Die Gefahr, daß die AfD in den Bundestag einrückt, ist nach dem Wahltag in Bayern noch größer geworden.“ SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte sich am Vorabend ähnlich geäußert. Da schimmert die Hoffnung durch, daß die AfD es wirklich schafft, damit Merkel zu einer großen Koalition gezwungen wird. So wird die SPD auf den letzten Metern zum Wahlkampfhelfer der AfD.
Jetzt erscheint plötzlich Merkel begleitet von Personenschützern am Brandenbruger Tor. Natürlich nicht die echte Kanzlerin, sondern eine Frau mit einer übergroßen Merkelmaske. Etwa 250 Sympathisanten, Touristen und Journalisten werden Zeugen einer AfD-Rettungsaktion der besonderen Art. Lucke kommt von der Seite mit einem riesigen Feuerwehrwagen angefahren, der parteieigenen „Eurowehr“.
Lucke geißelt die Eurorettung
Während 500-Euro-Scheine in großen Ölfässern verbrannt werden, erscheinen blaue AfD-Wahlkämpfer und löschen das Feuer. Sie vertreiben die Kanzlerin und ihre Bodyguards. Das Spektakel dauert wenige Minuten. Dann ergreift Lucke das Wort. Vom Feuerwehrauto aus geißelt er die Eurorettung. „Das ist die größte Geldvernichtung seit der Inflation von 1923.“ 637 Milliarden Euro würden vernichtet, mehr Geld als für Bildung, Familien oder Straßen zusammen ausgegeben werden. Bündelweise werden Geldscheine in die Luft geworfen. Lucke bekommt großen Applaus.
Das Interesse der Medien ist weiter ungebremst. Sie würden den Parteichef am liebsten noch länger befragen, aber er muß weiter. Es ist, als hätte ganz Deutschland auf eine eurokritische Kraft gewartet. „Denken Sie mal an den Erfolg der Wahren Finnen“, freut sich ein Vorstandsmitglied. Der sei auch aus dem Nichts gekommen. Wenn in Deutschland jetzt eine neue Kraft ins Parlament käme, die sich gegen die Eurorettung ausspricht, dann habe das Auswirkungen auf ganz Europa. Die AfD-Leute können ihren Erfolg selbst kaum glauben. (ms)