Familienministerin Kristina Schröder ist Kritik gewohnt. Seit die CDU-Politikerin eine Extremismusklausel einführte, die für staatliche Fördergelder im „Kampf gegen Rechts“ ein Bekenntnis zum Grundgesetz voraussetzt, laufen linke Organisationen Sturm. Schröder kriminalisiere antifaschistische und antirassistische Arbeit und stelle diese unter Generalverdacht, heißt es.
Zu den Kritikern der Familienministerin zählt auch die Jugendorganisation von Verdi. In einer unlängst zusammen mit dem linksextremen „Antifaschistischen Presse-Archiv und Bildungszentrum Berlin“ (apabiz) erstellten Broschüre gegen den Vertrieb rechter und konservativer Zeitungen wie etwa der JUNGEN FREIHEIT lehnen die Junggewerkschafter Schröders Ansatz zur Extremismusbekämpfung als „höchst problematisch“ ab.
Durch eine solche Herangehensweise werde nicht berücksichtigt, „daß in der sogenannten gesellschaftlichen Mitte rechte antidemokratische und menschenverachtende Einstellungen wie Rassismus und Antisemitismus durchaus verbreitet sind“, beklagt die Verdi-Jugend. Außerdem würden antifaschistische Organisationen als linksextrem stigmatisiert.
Genaue Fördersumme unklar
So weit, so erwartbar – wäre da nicht das Detail der Finanzierung: Denn die Broschüre „Aktiv gegen extrem rechte Zeitungen“ wurde ausgerechnet vom Familienministerium gefördert, aus Mitteln des Kinder- und Jugendplans des Bundes. Über die genaue Summe, die für das Projekt floß, kann das Ministerium derzeit keine Angaben machen.
Die DGB-Jugend, zu der auch die Verdi-Jugend gehört, erhalte in diesem Jahr Fördergelder in Höhe von 1,5 Millionen Euro, teilte eine Sprecherin auf Anfrage der JF mit. Eine konkrete Aussage, welcher Anteil davon auf die Verdi-Jugend entfalle und mit welchem Betrag die Erstellung der Publikation bezuschußt wurde, sei erst nach Abschluß des Haushaltsjahres und einer Überprüfung der ordnungsgemäßen Mittelverwendung möglich.
Neben der Höhe der Fördergelder stellt sich allerdings auch die Frage, warum ein solches Projekt überhaupt mit staatlichen Mitteln unterstützt wird. Denn die Methoden, mit denen in der Broschüre dazu aufgerufen wird, gegen den Verkauf rechter Zeitungen vorzugehen, haben mit der vom Kinder- und Jugendplan des Bundes bezweckten „Förderung eines demokratischen Wertebewußtseins“ nicht viel zu tun. Vielmehr legen die Macher der Broschüre eine totalitäre Einstellung an den Tag, in der Meinungspluralismus und Pressefreiheit als lästige Begleiterscheinungen der Demokratie angesehen werden.
„Druck von Aktion zu Aktion steigern“
Die „Arbeitshilfe“ wolle „praktische Tips“ bieten, damit ein jeder in Abstimmung mit seiner „regionalen Antifa-Recherchegruppe“ vor Ort „aktiv“ werden könne. Was darunter zu verstehen ist, wird auf den hinteren Seiten der Broschüre deutlich: „Aktionsteams“ sollten zuerst dokumentieren, welches Zeitungsgeschäft welche rechten Publikationen vertreibe.
Dann brauche es einen „Aktionsplan“. „Wichtig dabei ist, daß es innerhalb eures Aktionsplans eine Zuspitzung der Aktivität gibt. Das heißt, daß ihr den Druck auf uneinsichtige Händler von Aktion zu Aktion steigern müßt“, heißt es in dem Papier.
Beim ersten Kontakt sollten die selbsternannten Pressewächter noch freundlich bleiben und den Händler fragen, ob er nicht künftig auf den Verkauf der beanstandeten Publikationen verzichten wolle. Ist dies nicht der Fall, rät die Broschüre zu härteren Bandagen: „Sollte der Händler nicht auf eure Vorschläge eingehen und auch zukünftig Nazizeitungen verkaufen, teilt ihr ihm mit, daß es dann in der nächsten Zeit vor seinem Geschäft Protestaktionen gegen den Verkauf von extrem rechten Zeitungen geben wird – und zwar so lange, bis diese aus dem Sortiment verschwinden.“
Boykottaufrufe
Mit Transparenten und Flugblättern solle vor dem Geschäft der Verkauf der „Nazipublikationen“ skandalisiert und zum Boykott aufgefordert werden. „Ihr werdet überrascht sein, wie schnell die Händler einlenken, wenn ihr öffentlichen Druck vor ihrem Geschäft aufbaut und sie Umsatzeinbußen befürchten müssen“, frohlockt die Gewerkschaftsjugend.
Am besten sei es, gleich eine ganze Reihe von Aktionen zu planen, um den uneinsichtigen Zeitungsverkäufer zum Einlenken zu bewegen. Dabei müsse allerdings darauf geachtet werden, „daß die jeweilige Aktionsdauer und Intensität von Mal zu Mal stärker wird“.
Im Familienministerium stört man sich an solchen Methoden offenbar nicht: Die Zusammenarbeit der Jugendverbände und des Ministeriums beruhe auf „jugendpolitischen Grundsätzen“, so eine Sprecherin des Schröder-Ministeriums.
„Zum kritischen Diskurs anregen“
Einer dieser Grundsätze besage, daß die Jugendverbände in ihrer Meinungsbildung grundsätzlich selbständig seien: „Dem Bundesministerium obliegt es nicht, sich in die weltanschaulichen Belange der Jugendverbände einzumischen, solange diese mit dem Grundgesetz vereinbar sind.“
Die Handreichung der Verdi-Jugend gehe zwar „sehr kritisch“ auf verschiedene Medien ein. Selbstbestimmte Jugendverbandsarbeit zeichne sich aber gerade dadurch aus, „daß sich die Jugendlichen selber aktiv in die Gesellschaft einbringen und zum kritischen Diskurs anregen“, teilte das Ministerium mit.
JF 23/12