Selbst linke Medien attestieren mittlerweile einen derartigen Linksrutsch der Union, daß das Vakuum rechts von ihr immer stärker spürbar wird. Fast kein Tag vergeht ohne spekulative Artikel über die Gründung einer neuen konservativen Partei. Wer steht ihr vor? Wer macht mit? Wer finanziert sie? Man sollte sich nicht täuschen lassen, natürlich würden die gleichen Medien nach einer solchen – von ihr mittlerweile fast schon herbeigeschriebenen – Gründung keineswegs so freundlich und überfair berichten, wie über die linken Gründungen der Grünen, der Linkspartei und aktuell der Piratenpartei.
Und doch: Das ist schon eine neue Qualität. Die erste Welle dieser Wer-gründet-wann-eine-neue-konservative-Partei-Artikel kam mit der Sarrazin- respektive Integrationsdebatte auf. Die zweite – nur kurz darauf – seit der Euro-Krise. Zwei Themenkomplexe also, bei denen – je nach Einzelaspekt – signifikante Minderheiten bis hin zu übergroßen Mehrheiten im Volk rechts der Mitte denken.
Nur in Deutschland: Fehlanzeige!
Nicht nur die diversen Umfragen als solche, die das Wählerpotential für eine solche Partei ausloten, sondern auch die Tatsache, daß sie überhaupt in Auftrag gegeben werden, zeigt: Man erwartet Bewegung an dieser Stelle. Der Blick auf unsere Nachbarländer läßt ahnen, daß bis zu 25 Prozent für eine solche Partei realisierbar sind.
In Dänemark tolerierte die Dänische Volkspartei die bürgerliche Regierung, in den Niederlanden duldet Geert Wilders’ Partei für die Freiheit (PVV) die liberal-konservative Minderheitsregierung, in Belgien dominiert die Neu-Flämische Allianz (N-VA) als stärkste Partei (neben ihr blühen noch die Rechtsliberalen und rechts davon der Vlaams Belang), in Luxemburg ist die Alternativ-Demokratische Reformpartei (ADR) parlamentarisch vertreten, in Frankreich die kleine nationalkonservative Bewegung für Frankreich (MPF) und rechts von ihr der Front National, deren Chefin Marine Le Pen momentan bei 19 Prozent steht.
In der Schweiz füllt die Schweizerische Volkspartei (SVP) mit zuletzt 26 Prozent die rechte Lücke, in Österreich die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) und das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) – in Umfragen bei 27 Prozent und 4 Prozent –, in Tschechien die Demokratische Bürgerpartei (ODS) und in Polen die Sozialkonservativen (PiS), beide mit den britischen Konservativen in einer gemeinsamen Fraktion des EU-Parlaments verbunden. Nur in Deutschland: Fehlanzeige!
Wir sind noch nicht so weit
Wir sind noch nicht so weit. Es gibt Bewegung, es gibt Indikatoren, aber ein Durchbruch ist noch nicht in Sicht. Noch ist alles ein allgemeines Gewurschtel, ein Zaudern, ein Hauen und Stechen. Da gibt es die, die es noch in der Union versuchen wollen. Von der Basis die Aktion www.linkstrend-stoppen.de und das Blog www.cdu-politik.de, von Schönbohm die www.mach-mit-partei.de und neuerdings ein „Berliner Kreis“ rund um die Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach und Erika Steinbach.
Und dann gibt es da noch Friedrich Merz, der darauf wartet, von der Partei gerufen zu werden, sollte Angela Merkel die nächsten Bundestagswahlen verlieren. Sie alle wollen die CDU auf Helmut-Kohl-Kurs zurückbringen, eine tatsächlich gesellschaftspolitisch offensive, konservative Kraft dürfte dabei aber auch nicht herauskommen. Es fehlt hier vor allem an einem Entwurf und damit korrespondierend an Entschlossenheit gegenüber den Parteivorderen. Nur allzu leicht ließen sich beispielsweise die potentiellen Mitstreiter des „Berliner Kreises“ von Merkels Epigonen den Schneid abkaufen.
Frank Schäffler müht sich in der FDP. Doch es sieht nicht danach aus, als ob er seine Truppen nach der Mitgliederbefragung in eine neue Partei einbringen will. Er wettet eher darauf, mit der FDP nochmal die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden und damit sein Mandat zu retten. Hans-Olaf Henkel hat dagegen die FDP schon aufgegeben und tritt heute mit Hubert Aiwanger von den Freien Wählern auf. Derselbe Aiwanger, der in Bayern bei den nächsten Landtagswahlen zusammen mit SPD und Grünen die CSU ablösen möchte. Ob so etwas die neue konservative Kraft sein kann? Wohl kaum.
Wer macht sich an die Herkulesaufgabe?
Natürlich gibt es auch diverse Kleinparteien, die sich im demokratischen Spektrum rechts der Union tummeln. Doch für die Masse der Wähler sind sie bisher nur mäßig attraktiv. Die letzte Neugründung, „Die Freiheit“, zerlegt sich nach ihren 0,9 Prozent in Berlin gerade selbst und demonstriert erneut, wie schwer es ist, eine Partei nicht nur zu gründen, sondern auch erfolgreich zu etablieren. Nicht umsonst scheuen sich die von den Medien genannten potentiellen Protagonisten vor dieser Herkulesaufgabe.
Parteineugründungen ziehen nicht nur die sprichwörtlichen Spinner, Querulanten und Extremisten an. Es ist auch unglaublich schwer, ganz „normale“ Menschen ohne Strukturen, Traditionen und eingeübte Prozesse für das Bohren dicker Bretter zusammenzuhalten. Bleibt der erhoffte Erfolg aus, kehren viele der Neugründung enttäuscht den Rücken. Manche, nicht ohne intern oder öffentlich nachzutreten.
Gemeinsam ist allen kleinen, neuen Parteien, daß sie nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Fünf-Prozent-Hürde auf einen Einzug ins Europaparlament hoffen können. Doch bislang hat sich keine erfolgsversprechende Formation herausgeschält, die es schafft, Euro-Skeptiker, Islamismus-Kritiker, Ordo-Liberale, konservative Christen, Familienunternehmer, rechte Intellektuelle, Freiheitliche, den CDU-Traditionsflügel und Nationalkonservative unter einen Hut zusammenzubringen.