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EU-Gipfel: England ist nicht isoliert

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EU-Gipfel
 

England ist nicht isoliert

Die Beschlüsse zum Umbau der Europäischen Union widersprechen europäischem Recht. Selbst die EU hat Zweifel an der rechtlichen Verbindlichkeit der Vereinbarungen, die auf dem Gipfel getroffen wurden. Statt Eingriffe in die einzelnen Staatshaushalte wird also alles beim alten bleiben. Ein Kommentar von Karl Feldmeyer.
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Zerbrochene Euro-Münze: Mit dem Euro scheitert auch das staatliche Monstrum der europäischen Union Foto: Pixelio/Wilhelmine Wulff

Der EU-Gipfel hat viel Staub aufgewirbelt. Was ist geschehen? Das Wichtigste voran: Die EU ist politisch gespalten, weil sich ihre Mitglieder nicht mehr dem Prinzip der Einstimmigkeit unterordnen, so wie dies die Römischen Verträge voraussetzen. England verweigert die Weiterentwicklung der Währungsunion des Euro zu einer Fiskalunion. Dafür sind die Auswirkungen, die mit diesem Schritt für das Bankenwesen Londons verbunden wären, maßgebend.

Der Aufbau einer Fiskalunion greift tief in die Souveränitätsrechte der Mitgliedstaaten ein, vor allem in das Recht jedes nationalen Parlamentes, über seine Ausgaben allein zu entscheiden. Da alle EU-Staaten außer England dies aber für unverzichtbar halten, um ihre überschuldeten Mitglieder zum Sparen zu zwingen und den Euro zu retten, beschlossen sie, ihre eigene Vertrags- und Rechtsbasis zu umgehen und in dieser Angelegenheit außer Kraft zu setzen.

Das taten sie, indem sie ihre Beschlüsse in Form eines völkerrechtlichen Vertrags – außerhalb der EU-Verträge – vereinbarten. Damit umgehen und schwächen sie ihre Rechtsgrundlage ein weiteres Mal – auch diesmal um den Euro zu retten –, so wie sie es bereits zuvor taten, als sie die in den Verträgen von Maastricht und Lissabon festgelegte  „No-Bail-out-Klausel“ gemeinsam verletzten. Beide Vertragsverletzungen sprechen dafür, daß der Versuch, den Euro um jeden Preis zu verteidigen, nicht nur die finanzielle Substanz der noch liquiden Euro-Staaten gefährdet, sondern das Vertragswerk der EU selbst.

Selbst die EU hegt rechtliche Zweifel

Inzwischen stellt sich heraus, daß die EU selbst Zweifel an der rechtlichen Verbindlichkeit der Vereinbarungen hat, die auf dem Gipfel getroffen wurden. Nachdem der Fiskalpakt am Freitag beschlossen worden war, wurde bereits am Montag in der EU-Kommission die Ansicht vertreten, der von den 26 EU-Staaten (alle außer England) – geschlossene zwischenstaatliche Vertrag sei im Konfliktfall rechtlich insoweit unwirksam, als er dem bestehenden Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEU) widerspreche, denn das bestehende Gemeinschaftsrecht habe immer Vorrang vor einem völkerrechtlichen Vertrag.

Das betrifft insbesondere die neu beschlossenen, „quasi automatischen“ Sanktionen gegen jene Staaten, die die vereinbarten Verschuldungsgrenzen weiter überschreiten. Von „quasi automatisch“ könne auch künftig keine Rede sein; es bleibe bei den bisherigen Regelungen, weil das bestehende Gemeinschaftsrecht (dessen Änderung London blockierte) immer Vorrang vor einem völkerrechtlichen Vertrag habe.

Damit zeichnet sich ab, daß von der Einführung eines „automatischen“ Sanktionsmechanismus für Länder, die sich weiter überschulden, keine Rede sein kann. Diesbezüglich bleibt offenkundig alles mehr oder weniger beim alten. Die deutsche Kanzlerin hat dem Drängen der Partner und Brüssels zugestimmt, die Kreditlinien, die im wesentlichen von Deutschland finanziert werden, weiter zu erhöhen.

Die Euro-Bonds werden kommen

Der dauerhafte Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) soll schon 2012 statt wie bisher geplant 2013 in Kraft treten und zunächst 500 Milliarden Euro umfassen (später können es beliebig  mehr werden, denn eine Obergrenze für die  Beiträge sieht der ESM-Vertrag ebensowenig vor wie ein Recht der Staaten, sich gegen weitere Erhöhungen zu wehren). Schon im März wollen die Staats- und Regierungschefs über eine Ausweitung beraten. Zusätzlich dazu sollen die Euro-Staaten bereits innerhalb der nächsten zehn Tage beschließen, ihre Mittel für den Internationalen Währungsfonds (IWF) um etwa 150 Milliarden zu erhöhen.

Von der Forderung der EU-Kommission und der hoch verschuldeten Euro-Staaten, den Euro-Krisenfonds mit einer Banklizenz auszustatten und Euro-Bonds einzuführen (die für Deutschland einen erheblichen Zinsanstieg für Kredite zur Folge hätte) ist in dem Abschlußpapier des Euro-Gipfels zwar nicht die Rede. Bis Juni aber soll ein Bericht der EU-Spitzen dazu vorliegen, ob und wie die Euro-Staaten gemeinsamen Anleihen – eben Euro-Bonds – begeben könnten, die Deutschland zusätzlich finanziell belasten würden.

Hinter dieser Fülle von Beschlüssen, Fakten und Informationen wird der Wille erkennbar, die von Griechenland ausgegangene Krise für den Umbau der EU zu einem Staat zu nutzen. Das ist insbesondere Ziel der deutschen Politik. Dabei folgen die Handelnden unübersehbar der Devise: „Wo gehobelt wird, fallen Späne.“

Mit der mißglückten Euro-Rettung wird die EU scheitern

Das mußte Englands Premier Cameron erfahren, dem vorgeworfen wird, sein Land isoliert zu haben. Ob sich diese Sicht bestätigt, ist freilich ganz ungewiß. Ungewißheit plagt auch Bundestagspräsident Norbert Lammert. Er hat berechtigte Zweifel daran, daß die Gipfelbeschlüsse mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vereinbar sind. Es müsse geklärt werden, ob sich verfassungsrechtliche Probleme durch direkte Eingriffe der EU-Kommission in das nationale Budgetrecht ergäben.

Was sich da abzeichnet, ist eine weitere Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Ob der Versuch gelingt, Europa einen Staat aufzuzwingen, entscheiden nicht Gerichte, sondern der Erfolg der Euro-Rettung. Scheitert sie, so scheitert auch der Versuch, Europas Staatenwelt in einem Schmelztiegel aufgehen zu lassen und ein staatliches Monstrum zu formen, das keine eigene Geschichte, kein Staatsvolk und keine Identität hat.

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JF 51/11

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