Um Rahm Emanuel, Obamas „Meister der dunklen Künste“ (so Paul Harris im englischen Observer), ist in den letzten Wochen ein öffentlicher Streit ausgebrochen, in dem bereits über den Rücktritt des so mächtigen Stabschefs spekuliert wurde.
Er soll maßgeblich für die Mißerfolge bei der Umsetzung des Obamaschen Regierungsprogramms verantwortlich sein. Die Streitigkeiten innerhalb der Demokraten kamen offen zum Ausbruch, als sie bei der Nachwahl in Massachusetts ihre bis dahin blockadesichere Senatsmehrheit verloren.
Rahm Emanuel, der mit Hilfe seiner exzellenten Kontakte für Obama die parlamentarischen Mehrheiten für die Umsetzung seiner ambitionierten Pläne sicherstellen sollte, war aus Sicht seiner Kritiker reif zum Abschuß. Nachdem die Gesundheitsreform, Obamas innenpolitisches Kernvorhaben, nun die Klippe des Repräsentantenhauses nehmen konnte, werden sie sich wohl gedulden müssen.
Es bleiben allerdings noch weitere Politikfelder, auf denen die neue Regierung Erfolge vermissen läßt, zum Beispiel die Neuordnung der Finanzmärkte, die angekündigte Exportoffensive, der Friedensprozeß im Nahen Osten oder die Schließung von Guantánomo. Leslie Gelb, ehemals Präsident des überaus einflußreichen Council on Foreign Relations und eine Instanz innerhalb der Demokraten, forderte Obama bereits auf, einen Großteil seiner Berater gegen Leute auszuwechseln, „die wissen, wie Washington funktioniert“.
Die Stunde der Rahm-Gegner
Demgegenüber gibt es aber auch ein Lager, das der Meinung ist, daß Emanuel nicht zuviel, sondern zuwenig Einfluß habe. Emanuel sei es gewesen, der dem „Zen-Meister“ Obama, wie er gelegentlich in amerikanischen Medien genannt wird, geraten habe, sich auf das Machbare zu konzentrieren und seine Ziele Schritt für Schritt umzusetzen.
So wäre frühzeitig eine Dynamik in Gang gesetzt worden, die auch die Kritiker Obamas und die Zauderer in der Partei mitgerissen hätte. Obama habe sich anders entschieden und einen empfindlichen Glaubwürdigkeitsverlust einstecken müssen, für den Emanuel nicht zur Verantwortung gezogen werde könne.
Auch wenn sich aufgrund der erfolgreich durchgebrachten Gesundheitsreform die Lage vorerst entspannt hat, dürfte der wegen seiner rüden und zum Teil brüskierenden Umgangsformen umstrittene Stabschef weiter in der Kritik bleiben. Angriffsflächen bietet der mittlerweile 50jährige „Pitbull-Politiker“, „Killer-Stratege“ und frühere „Nonstop-Spendensammler“, wie ihn Nina Easton in der Zeitschrift Fortune charakterisierte, jede Menge.
Legendär ist seine Aufforderung an Tony Blair – damals war Emanuel innenpolitischer Berater des US-Präsidenten Clinton –, der auf dem Höhepunkt der Lewinsky-Affäre eine Rede für Bill Clinton halten sollte: „This is important. Don’t fuck this up!“ (Diese Rede ist wichtig. Vermassel sie ja nicht!) Apropos Lewinsky-Affäre:
In diesem Zusammenhang wird kolportiert, daß er Clinton folgenden Ratschlag erteilt haben soll: „Sie haben mit einem jüdischen Mädchen herumgemacht, und nun bezahlen Sie einen nichtjüdischen Rechtsanwalt. Sie hätten besser mit einem nichtjüdischen Mädchen herummachen und sich einen jüdischen Rechtsanwalt nehmen sollen.“
„Auf allen vieren Ärsche küssen“
Legendär auch sein Auftreten auf einer Feier nach dem Ende der Präsidentschaftswahlen 1996, als er die Namen von Clinton-Gegnern herausschrie und dabei immer wieder ein Messer in die Tischplatte stieß: „Nat Landow! Dead! Clinton Jackson! Dead! Bill Schaefer! Dead!“
Keine Illusionen hat Emanuel über den Washingtoner Politikbetrieb; die Stadt bezeichnete er schon einmal als „Fucknutsville“ (etwa: verdammtes Narrenhaus). Wie politische Mehrheiten hergestellt werden, hat Emanuel unübertroffen in folgende Worte gefaßt: „Niemals steht ein Mann aufrechter, als wenn er auf allen vieren Ärsche küßt.“
Abweichlern in der eigenen Partei gegenüber kann Emanuel auch schon einmal handgreiflich werden, wie Eric Massa berichtete, der gegen Obamas Haushalt gestimmt hatte. Massa behauptet, Emanuel habe ihn unter der Dusche des Fitneßraums des Kongresses heimgesucht, mit dem Zeigefinger in die Brust gestoßen und obszön beschimpft.
Die Linken: „Verdammte Vollidioten“
Daß dieser aktive Triathlet den Parteilinken, die der Meinung sind, Emanuel übe einen denkbar schlechten Einfluß auf ihren „messianischen Obama“ (Basler Zeitung) aus, ein Dorn im Auge ist, liegt auf der Hand. Der macht seinerseits aus seiner Abneigung den Linken gegenüber keinen Hehl. Für ihn sind die Linken schlicht „fucking retards“ – „verdammte Vollidioten“.
Rahm Emanuel eckt an, weil einer die Drecksarbeit für Obama machen muß. Dafür, für die Rolle als „Ausputzer“, ist sich Rahm Emanuel bisher nicht zu schade gewesen. Im Washingtoner Politikbetrieb gehört er bisher zu denjenigen Aktivposten in der Regierung Obama, die einen hohen Unterhaltungswert haben.
Die naßforsche, nicht selten respektlose Art, die ihm viele ankreiden, wäre auch ein Gewinn für den deutschen Politikbetrieb, der von Leisetreterei, Muckertum, Opportunismus und unverbindlichen Sprechblasen geprägt ist. Einen Typ wie Rahm Emanuel wird man hier aber vergeblich suchen, weil im muffigen deutschen Parteienbetrieb derart Unangepaßte bereits frühzeitig aussortiert werden.