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Kirche: „Es ist ein Skandal“

Kirche: „Es ist ein Skandal“

Kirche: „Es ist ein Skandal“

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Kirche
 

„Es ist ein Skandal“

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat auf ihrer vergangenen Synode dem „Kampf gegen Rechts“ eine wichtige Rolle eingeräumt. Ein solches Engagement überrascht wenig: Landauf, landab schließen sich Gemeinden Aufrufen „gegen Rechts“ an. Doch die Abgrenzung der EKD zum Linksextremismus ist im Gegenzug oft mangelhaft.
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Theo Lehmann Foto: Privat

Herr Dr. Lehmann, zuletzt hatte man unter dem jüngst aus dem Amt geschiedenen EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber den Eindruck, die Evangelische Kirche habe sich konservativ-christlichen Anliegen wieder mehr geöffnet. Ein Irrtum?

Lehmann: Ein Irrtum wäre es, zu glauben, die EKD wäre in toto konservativer – sprich bibeltreuer – geworden, aber es stimmt, daß sie sich immerhin gegenüber den bibeltreuen Christen, also den Evangelikalen, geöffnet hat. Sicher nicht die ganze Kirche, aber es war schon von enormer Bedeutung, daß ausgerechnet der EKD-Vorsitzende Huber in dieser Hinsicht Zeichen gesetzt hat.

Dennoch verwundert es mich nicht wirklich, daß nun dieser Angriff gegen den Idea-Spektrum-Herausgeber Helmut Matthies erfolgt ist, weil er im Dezember den Gerhard-Löwenthal-Preis der JUNGEN FREIHEIT angenommen hat.

Warum nicht?

Lehmann: Es ist natürlich ein Skandal, daß man nicht einmal vor so einer integren Person wie Herrn Matthies haltmacht. Aber man muß leider sagen, daß die EKD inzwischen sehr einseitig auf das Thema „Rechtsextremismus“ fixiert ist.

Die letzte EKD-Synode im Oktober 2009 verabschiedete eine Erklärung, die „rechtsextremen“ Kirchenmitgliedern mit „kirchenrechtlichen Konsequenzen“ droht.

Lehmann: Ich weiß nicht, wie das praktisch funktionieren soll. Jedenfalls müßte erstens auch der Linksextremismus behandelt werden, und zweitens dürften solche Leute nicht bekämpft werden, die gar nicht extremistisch sind. 2005 bin ich selbst angegriffen worden, nur weil ich es gewagt hatte, mich in Ihrer Zeitung zu äußern. Wie im Fall Matthies ging das von Kirchenleuten aus, die nicht nach Beweisen fragen, sondern aufgrund ihrer Voreingenommenheit urteilen.
„Konservative sind der Politik wie Sand im Getriebe“

Ausschließen kann die EKD echte oder vermeintlich rechtsextreme Mitglieder nicht, sie hat aber angekündigt, mit dem Instrument der „Kirchenzucht“ gegen diese vorzugehen.

„Meiner eigenen Kirchenzeitung hat mich, in die rechtsextreme Ecke gestellt”

Lehmann: Die plötzliche Besinnung auf die Kirchenzucht erstaunt mich. Galt bisher doch dieses Instrument in linksliberalen Kirchenkreisen als verpönt. Wenn etwa ein Pfarrer jemandem, der in Ehebruch lebt, das Abendmahl verweigern will, fliegt eher der Pfarrer aus der Kirche als der Ehebrecher!

Was mich im Fall Matthies aber so wahnsinnig ärgert, ist, daß der Bildungsdezernent und Landeskirchenrat der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Christhard Wagner, der die Vorwürfe erhoben hat, auf die Frage nach Beweisen für seine Anschuldigungen einfach schweigt. Im Falle meines Interviews bei Ihnen vor fünf Jahren wurde ich prompt vom Sonntag, meiner eigenen Kirchenzeitung der Landeskirche Sachsen, in die rechtsextreme Ecke gestellt.

Genau in dieser Woche erschien aber das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugunsten der jungen freiheit hinsichtlich ihrer Streichung aus dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbericht. Wie hat der Sonntag reagiert? Es hat ihn nicht im mindesten interessiert!

Dennoch haben Sie sich damals durchgesetzt.

Lehmann: Sagen wir mal so, am Ende ist die Sache im Sande verlaufen.

Geht es im Fall Matthies vielleicht darum, die Evangelikalen in der EKD zu schwächen?

Lehmann: Das ist schon möglich, denn in den letzten Jahren ist die Ausgrenzung der Evangelikalen spürbar verringert worden. Es gibt natürlich etliche in der EKD, denen das nicht paßt. Ob das aber nun wirklich der Beweggrund für Landeskirchenrat Wagner war, das müssen Sie ihn selbst fragen.

Haben wir getan, Antwort verweigert.

Lehmann: Ich kann da nur spekulieren. Aber selbst wenn es so wäre, dürfte man das nicht überbewerten, denn die Angriffe gegen konservative Christen kommen schon seit einiger Zeit eigentlich nicht mehr aus der Kirche selbst, sondern vielmehr aus der Politik, und da vor allem von seiten der Grünen. Und es geht dabei nicht nur gegen Evangelikale, also konservative Protestanten, sondern genauso gegen die konservativen Katholiken.

Denken Sie etwa an die wiederholten Angriffe gegen Kardinal Meisner oder gar den Papst selbst. Der Grund dafür ist, daß es diesen Politikern nicht paßt, daß konservative Christen für ihre biblische Überzeugung einstehen, denn das ist Sand im Getriebe ihres ideologischen Umbaus der Gesellschaft.

Was steckt also hinter dem Angriff auf „Idea“-Chef Matthies?

Lehmann: Ich meine, es ist der einseitige „Kampf gegen Rechts“ der in der EKD grassiert bei gleichzeitiger Verharmlosung gegenüber linksradikalen beziehungsweise -extremen Tendenzen. Es ist doch immer wieder das gleiche Muster: Es sind ja nicht nur Herr Matthies und ich betroffen, 2004 etwa traf es die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin und damalige CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld, die auch wegen eines Interviews mit der jungen freiheit von der Evangelischen Akademie Tutzing ausgeladen wurde.

Frau Lengsfeld brachte es damals auf den Punkt, als sie sagte, sie sei „entsetzt über dieses Demokratieverständnis, die rigorose Ausgrenzung anderer Meinungen“, Vergleichbares habe sie „zuletzt in der DDR erlebt“.

EKD-Chef Huber betonte 2004 eine Distanz der Kirche zum Extremismus beider Seiten.

Lehmann: Auf mich wirken solche Beteurungen nicht sehr überzeugend. Denn leider beobachte ich anderes. Ich erinnere zum Beispiel an den Fall der Erfurter Regionalbischöfin Elfriede Begrich, die 2006 ein Grußwort bei einem Neujahrsempfang der PDS sprach. Haben Sie deshalb von ernsthaften Sanktionen der Kirche gegen die Dame gehört? Das hätten Sie bestimmt, wenn diese das gleiche bei einem NPD-Neujahrsempfang getan hätte. Soviel zum Thema Gleichbehandlung der Extreme von links und rechts.

EKD-Pressesprecher Reinhard Mawick räumte unlängst in einem Interview den Verstoß gegen die eigenen Grundsätze offen ein: „Es gibt auch linksextreme Gewalt … aber sie wendet sich nicht gegen Menschen und nicht gegen die Kirche – und ist damit nicht unsere Priorität.“

Lehmann: Ich kann nur staunen angesichts solcher Naivität. Der Linksextremismus ist von Beginn seines Erscheinens in der Geschichte an in mörderischer Weise gegen jeden vorgegangen, der da nicht mitgemacht hat. Und so wäre das auch heute, wenn der Linksextremismus die Möglichkeit dazu hätte. Der Linksextremismus ist erfüllt vom Geist der Lüge und des Terrorismus.

Außerdem, die junge freiheit steht im Visier der kirchlichen „Kämpfer gegen Rechts“– nach dieser Definition frage ich: Warum? Geht von ihr etwa Gewalt gegen Menschen aus? Nein, die Kirche muß unabhängig sein und für christliche Werte einstehen, sie darf sich nicht auf eine Seite schlagen.

„Kirche ist immer in der Gefahr, dem Zeitgeist zu erliegen”

Sie wissen um die linksextreme Gefahr aus eigenem Erleben: In der DDR waren Sie wegen Ihres bibeltreuen Bekenntnisses als Jugendpfarrer der Repression der Stasi ausgesetzt.

Lehmann: Dabei habe ich nie Widerstand gepredigt. Ich habe „lediglich“ die Bibel ausgelegt. Das aber derart konkret, daß oft „die Luft brannte“ und ich mich mit entsprechenden Konsequenzen konfrontiert sah. Natürlich, wenn man in einem totalitären System die jungen Leute auffordert, sich vollkommen und ohne jeden Kompromiß Gott zu überlassen, dann ist das eine Kampfansage.

Und wie damals SED und Stasi reagieren heute – natürlich im Rahmen ihrer jetzt begrenzten Möglichkeiten – bei uns jene Politiker, die wie früher Nationalsozialisten und Kommunisten beanspruchen, Mensch und Gesellschaft umzubauen. Deshalb ist es wichtig, daß die Kirche sich nicht auf den Zeitgeist einläßt, weil sie diesen Gesellschaftsingenieuren sonst Tür und Tor öffnet.

Mit dem Beugen vor dem „Kampf gegen Rechts“ liefert die Kirche sich also aus?

Lehmann: Kirche ist immer in der Gefahr, dem Zeitgeist zu erliegen. Ob im Dritten Reich oder in der DDR, immer war das Argument für den Teil der Kirche, der mit den Mächtigen kollaboriert hat, die Anpassung an die Lebensrealität der Zeit. Wenn ich also heute dieses Argument höre, dann bin ich automatisch mißtrauisch. Heute beugt sich die Kirche etwa in Fragen wie Abtreibung, Homosexualität oder dem Verhältnis zum Islam in vorauseilendem Gehorsam dem Zeitgeist, statt eine eigene Position zu beziehen, wie die Bibel sie verlangt.

Eine Kirche aber, die sich selbst aufgibt, nur weil sie den Mächtigen oder der öffentlichen Meinung gefallen will, verliert sich am Ende selbst. Sie ist schließlich nicht mehr die Kirche Gottes, sondern Diener der Mächtigen. Heute ist die Kirche nicht mehr in der Gefahr, sich etwa dem Nationalismus zu ergeben, heute droht sie dem populären Kurzschluß, Christentum ist gleich menschlich, links ist gleich menschlich, also ist Christentum gleich links zu verfallen. Aber daran stimmt kein Wort! Das Christentum ist weder links noch rechts, sondern christlich.

Wiederholt sich also die Geschichte? Versagt die Kirche nach ihrer Verstrickung in den braunen und roten Sozialismus heute erneut?

Lehmann: Die Kirche hat nie ganz versagt, immer gab es tapfere Christen, vom einfachen Gläubigen bis zum Bischof, die Widerstand geleistet haben und dem Wort Gottes treu geblieben sind. Ich könnte Ihnen sicher viele Beispiele nennen, die Ihnen jeden Mut nehmen würden, aber ich kann Ihnen immer ebenso viele nennen, die Ihnen allen Mut zurückgeben. Für letztere nennen ich Ihnen nur einen einzigen Namen: Helmut Matthies!

Dr. Theo Lehmann wegen seiner für die SED aufreizend konservativen Predigten geriet der erfolgreichste Jugendpfarrer der DDR – er predigte vor bis zu 5.000 Jugendlichen – bereits in den siebziger Jahren in heftigen Konflikt mit der Staatssicherheit. Sie infiltrierte sein privates Umfeld, initiierte Verleumdungskampagnen und versuchte, ihn außer Landes zu drängen.

Als einer derjenigen, die „die friedliche Revolution 1989 erst möglich gemacht haben“, wurde ihm 2003 die Verfassungsmedaille des Freistaats Sachsen verliehen. 2006 erhielt er den Walther-Künneth-Preis der konservativen Kirchlichen Sammlung für Bibel und Bekenntnis. Geboren wurde der spätere Chemnitzer Gemeindepfarrer und „reisende Jugendevangelist“ 1934 in Dresden.
2005 veröffentlichte er im Verlag Aussat seine Autobiographie: „Freiheit wird dann sein. Aus meinem Leben“ 

JF 3/10

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