Im Prinzip ja; man wird die Frage allerdings aus verschiedenen geschichtlichen, sachlichen und theologischen Perspektiven zu betrachten haben; die Antwort hängt von den dafür eindeutig gestellten Rahmenbedingungen ab. Von den bestehenden konfessionellen Voraussetzungen her würde sie von einem entschiedenen „Ja“ über ein einschränkendes „Bisweilen“ bis zu einem leidenschaftlichen „Nein“ reichen. Identifiziert man den Papst in der Tradition spiritualistischer Bewegungen des Mittelalters als den Antichristen, was auch Luther tat, käme solch Vorschlag einem Verrat an der Reformation gleich. Man vergäße darüber aber, daß Luthers Protest aus tiefster Sorge um das biblische Evangelium von der Rechtfertigung durch den Glauben an Christus allein erwuchs, das er in der römischen Lehre und Praxis außer Kraft gesetzt sah. Luther konnte aber noch 1531 in der Vorrede zu seiner Galaterbrief-Vorlesung (hypothetisch) erklären, daß er bereit sei, dem Papst die Füße zu küssen, wenn dieser anerkenne, daß Gott allein aus Gnaden durch Christus rechtfertigt. Die antipapistische Haltung richtete sich also nicht gegen das Amt, sondern gegen dessen bibelwidrige Ausübung. Nachdem Luthers damals vergeblich gestellte Bedingung durch die Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre am 31. Oktober 1999 weitgehend erfüllt ist, haben Vertreter nichtrömischer Kirchen begonnen, über einen in seiner Vollmacht und Reichweite klar eingegrenzten „Petrus-Dienst“ öffentlich nachzudenken. Tatsächlich ist Johannes Paul II. in verschiedenen brisanten Situationen mit Voten zu ethischen Fragen hervorgetreten, in denen sich auch bekennende Christen anderer Konfessionen in ihrer Überzeugung mitvertreten sahen. Ob sie das bei dem nun zu wählenden Nachfolger ebenso tun können, bleibt abzuwarten, doch nicht aus kühler Distanz, sondern in anteilnehmender Hoffnung wie auch Besorgnis. Prof. Peter P.J. Beyerhaus ist Präsident des Theolog. Konvents der Konferenz Bekennender Gemeinschaften in den evang. Kirchen. Gegenüber allen Harmonisierungsversuchen und Toleranzvorstellungen innerhalb und außerhalb der Christenheit bleibt festzuhalten, daß das Papsttum, wie es der Vorvorgänger des jetzt verstorbenen Papstes, nämlich Paul VI., selbst erklärt hat, wohl das größte Hindernis auf dem Wege der Kirchen zueinander darstellt. Wie man auch über Johannes Paul II. urteilt, unumstritten sollte sein, daß es nicht die Person des jeweiligen Papstes ist, die zwischen den Konfessionen steht, sondern das Papsttum als solches. Es erhebt den Anspruch auf Unfehlbarkeit in Fragen der christlichen Lehre und Sitte, wenn der Papst „ex cathedra“ der ganzen Kirche vorschreibt, einen bestimmten Satz anzuerkennen. Das geschah etwa 1950 mit dem Dogma von der leiblichen Himmelfahrt Mariens, obwohl es für dieses Dogma keine biblische Begründung gibt. Auch die Lehraussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) sind erst durch deren Anerkennung seitens des Papstes gültig geworden. Also nicht die Heilige Schrift ist (nach römisch-katholischer Auffassung) die höchste Lehrautorität, sondern das, was der Papst als verbindlich zu glauben festlegt. Ein Ehrenvorrang des Papstes als Sprecher der verschiedenen Kirchen hätte immer den Anschein, als ob der Papst in Lehrfragen für alle Christen das letzte Wort sprechen könnte. In zu vielen Lehrfragen liegen wir in den verschiedenen Konfessionskirchen noch auseinander, als daß wir mit einer Stimme sprechen könnten. Gerade der Papst wäre dafür besonders ungeeignet, weil er immer den Anspruch erheben müßte, daß sein Wort das entscheidende, eben unfehlbare ist. Sicher wäre es schön, könnten wir überzeugend einmütig reden. Wir könnten es aber nur unter Zurückstellung der biblischen Wahrheit. Damit würden wir aber dem Herrn der Kirche untreu, denn nur „Gottes Wort soll Artikel des Glaubens stellen und sonst niemand“ (Luther in den Schmalkaldischen Artikeln). Prof. Karl-Hermann Kandler ist Kirchenrat aus Freiberg in Sachsen. Dieses Pro&Contra haben wir mit freundlicher Genehmigung von dem Evangelischen Nachrichtendienst idea übernommen.
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