Die Flucht nach vorn, die Gerhard Schröder mit seiner Ankündigung von Neuwahlen noch in diesem Herbst angetreten hat, ist ins Stocken geraten. Keine drei Wochen nach dem Überraschungscoup des Kanzlers sprießen in der politischen Landschaft Berlins die Spekulationen wie Unkraut aus dem Boden. So soll jüngsten Presseberichten zufolge am Montag dieser Woche im SPD-Parteivorstand über einen Rücktritt Schröders und die Wahl Franz Münteferings zum Kanzler beraten worden sein. Neuwahlen brauche es in diesem Fall jetzt nicht zu geben. Vielmehr solle Müntefering versuchen, bis zum regulären Ende der Wahlperiode im Herbst 2006 einen Stimmungsumschwung zugunsten der SPD herbeizuführen. Natürlich ließen die Dementis nicht lange auf sich warten. Die Meldung sei „erstunken und erlogen“, „gequirlter Mist“. Doch wo Rauch ist, da ist auch Feuer, und aus Sicht der SPD ergibt ein solches Szenario allemal Sinn. Mit Schröder an der Spitze kann sie bei Neuwahlen im Herbst nach Lage der Dinge keinen Blumentopf mehr gewinnen, lange Jahre in der Opposition wären ihr sicher. Warum also nicht jetzt die Pferde wechseln und darauf vertrauen, daß die Siegeschancen im nächsten Jahr besser stehen? „Ich bin immer für das Regieren, das ist gar keine Frage. Opposition sein ist Mist“, ließ Müntefering sich erst kürzlich vernehmen. Wußte er da vielleicht schon mehr? Die Gelackmeierte wäre ohne Zweifel Angela Merkel. Die CDU-Vorsitzende müßte sich über ein Jahr lang als Kanzlerkandidatin behaupten. Das ist verdammt viel Zeit zum Straucheln.