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In einem dieser halbdunklen Winkel

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Er war talentiert und fleißig, seine Reifeperiode fiel jedoch in die Zeit des Nationalsozialismus, die aus ihm einen Exilautor machte und ihm nur weniges von seinen Vorstellungen zu vollenden erlaubte“, schrieb Vera Machackova-Riegerov über den vor fünfzig Jahren verstorbenen Schriftsteller Ernst Sommer. Tatsächlich ist heute nur noch ein einziges seiner Werke bekannt: der 1944 erschienene Roman „Revolte der Heiligen“. Die Vision eines jüdischen Aufstands in einer fiktiven polnischen Stadt wurde sein meistgelesenes und meistaufgelegtes Buch. Seine übrigen zehn Romane, zahlreichen Novellen und Essays gelten inzwischen – wie auch der Autor selbst – als vergessen. Ernst Sommer wurde am 29. Oktober 1888 in Iglau an der böhmisch-mährischen Grenze geboren. Mit 19 Jahren verließ er sein Elternhaus und ging nach Wien, um dort Jura zu studieren. Ein paar Jahre später erschienen die ersten Gedichte Sommers in Kulturzeitschriften und Anthologien. Er schloß sich der Zionistischen Jugendbewegung an, ohne sich jedoch mit deren ideologischen national-jüdischen Vorstellungen zu identifizieren. 1912 erschien sein erster Roman. In „Gideons Auszug“ setzte er sich mit Antisemitismus, Assimilation und Zionismus auseinander. Da sein Buch eine klare antizionistische Tendenz aufwies, wurde es in den jüdischen Intellektuellenzirkeln lebhaft diskutiert. Noch im gleichen Jahr promovierte Sommer zum Dr. jur. und trat in eine Wiener Rechtsanwaltskanzlei ein. Ende 1914 folgte seine Einberufung, nach seiner Grundausbildung wurde er dem Militärgericht in Felixdorf zugewiesen. Nach dem Krieg übernahm er in Karlsbad eine Kanzlei mit deutschsprachiger Klientel; zudem begann er eine rege Tätigkeit als Publizist. Als regelmäßiger Mitarbeiter der sozialdemokratischen Parteizeitung Volksblatt schrieb er über 200 Beiträge und gründete schließlich gemeinsam mit Bruno Adler die Zeitschrift Die Provinz, mit der er zur besseren Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen beitragen wollte. „Die Geschichte als Projektionsfläche für aktuelle Probleme, das Judentum als historisches und indiviuelles Phänomen und die Suche nach Gerechtigkeit und Freiheit“ (Hans J. Schütz) waren die drei großen Themenkomplexe in Sommers Werk Ende der zwanziger Jahre. In dem historischen Roman „Die Templer“ (1935) beschrieb er die Geschichte des französischen Ritterordens, den Philipp IV. 1305 von der heiligen Inquisition wegen Ketzerei anklagen ließ. In Wahrheit standen die Templer, deren Schuldner er zudem war, dem König im Wege. Und so wurde das Buch auch zu Recht als Anklage gegen eine korrupte Machtpolitik verstanden. 1937 folgte der Roman „Botschaft aus Granada“, der die gewaltsame Christianisierung und Vertreibung der spanischen Juden unter der Regentschaft Ferdinands von Kastilien und Isabellas von Aragonien thematisierte. Im Oktober 1938 emigrierte Sommer nach London. Dort schrieb er Romane über Münzer, Villon und Rabelais und wagte sich sich zudem an ein Projekt, das ihn schon lange bewegte: „Tausend Jahre böhmischer Geschichte. Reformation und Gegenreformation in Böhmen“. Er arbeitete über acht Jahre daran und hinterließ ein Manuskript von gut 1.000 Seiten. Zu seinem größten Erfolg wurde jedoch das in fünf Monaten niedergeschriebene Buch „Revolte der Heiligen“, das die Situation der jüdischen Häftlinge in einem Arbeitslager schilderte. Im Vorwort zur deutschen Ausgabe schrieb Sommer: „Dieser Roman (…) enthält Szenen aus einer Tragödie, derern mörderische Großartigkeit alle Tragödien seit Euripides auslöscht.Eine Tragödie klagt nicht an, noch weniger verurteilt sie. Vielmehr überläßt sie es dem Schuldigen, sich selbst zu richten.“ So gestaltet der Autor seine Figuren dann auch sehr individuell, jede steht für einen Typus: Feiglinge, Drückeberger, Fatalisten, weltfremde Fromme, Egoisten und Revolutionäre – alle versuchen sie mit den harten Arbeitsbedingungen zurechtzukommen und die wie ein Damoklesschwert über ihnen schwebende Drohung, in ein Todeslager abgeschoben zu werden, zu verdrängen. Ihr verzweifelter Aufstand wird blutig niedergeschlagen. Ein sowjetischer Bombenangriff vernichtet die besiegten Aufständischen gemeinsam mit ihren deutschen Bewachern. Nach Kriegsende schrieb Sommer, zunehmend von schweren gesundheitlichen Krisen geschüttelt, den Roman „Erpresser aus Verirrung“ (1949), eine Parabel über die seelische Zerstörung eines Emigranten im Exil. Nach der Fertigstellung beschleunigte sich sein Verfall, man diagnostizierte deutliche Symptome der Parkinsonschen Krankheit bei ihm. Am 20. Oktober 1955 starb Ernst Sommer in London. In seiner Skizze „In der Tiefe“, einer Erinnerung an seine Tätigkeit als Hilfskellner in einem Londoner Restaurant, heißt es über die Emigranten, die dort arbeiten: „Besonders wenn sie allein mit sich selber sind, in einem dieser halbdunklen Winkel, fragen sie sich manchmal ganz leise, ob das nunmehr ihr ganzes Leben sein wird, endlos, bis zu ihrer letzten Stunde.“

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Marc Jongen, ESN Fraktion
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