Zu einem Publikumsmagneten hat sich die Ausstellung „Renoir und das Frauenbild des Impressionismus“ entwickelt, die derzeit gerade in der Kunsthalle im niederösterreichischen Krems gezeigt wird. Bilder von Renoir, Degas, Gauguin, Cezanne, Toulouse-Lautrec und Pierre Bonnard erfreuen sich bei den Besuchern anhaltend großer Beliebtheit. Dabei war der Begriff „Impressionisten“ im Frankreich der sechziger und siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts von den Gegnern dieser Schule als abschätziger Kampfbegriff in den Raum geworfen worden. Man verknüpfte damit das bloße Abweichen von den Standards, die durch die jährlich in Paris stattfindenden Salonausstellungen gesetzt wurden, die jeweils ein Konvolut von 3.000 bis 5.000 Werken umfaßten. Tatsächlich zeichnete sich der Impressionismus der Anfangszeit nicht durch ein einheitliches ästhetisches Programm aus. Auch die Zielsetzungen der Künstler waren sehr verschieden. Der gemeinsame Nenner bestand lediglich darin, daß die Bilder direkt von dem durch die Natur vorgegebenen Eindruck ausgehen sollten und nicht mehr von den künstlichen Idealvorstellungen, an denen sich die Salonmalerei orientierte. Das Interesse galt atmosphärisch bedingten Veränderungen von Farbe und Licht, durch die auch unabänderlich erscheinende Gegenstände einen neuen Gesamteindruck ausstrahlen konnten. Der feine und penible Pinselstich wurde zugunsten von rascher und grober gesetzten Linien aufgegeben. Der größte Unterschied lag aber in der Motivwahl. Die Impressionisten wandten sich zeitgenössischen Themen zu, insbesondere der aufblühenden Pariser Freizeitindustrie. Hier war das Leben freizügiger und nicht mehr so stark von bürgerlichen Zwängen durchsetzt. Damit begann auch die Entwicklung des legendären Künstlerviertels Montmartre. Eine besondere Aufmerksamkeit galt der Neudefinition der „Welt der Frau“. Zwar gab es auch in der Belle-Époque-Malerei zahlreiche Darstellungen von Frauen. Doch im Regelfall standen sie dort im Schatten der Männer, zum Beispiel als „Beiwerk“ bei den verbreiteten bürgerlichen Familiendarstellungen oder als Mädchen, die sich mit ihrer Tätigkeit auf ihre spätere Rolle als Ehefrauen und Mütter vorbereiten. Das Frauenbild der Impressionisten war dagegen weitaus freizügiger und erotischer. Bereits die Aktdarstellungen in frühen Werken Renoirs wie bei der „Im Schlaf versunkenen Badenden“ von 1861 verraten eine Abkehr von der äußerst idealisierten und daher eher verkrampft wirkenden Aktkunst des Salons. Die Weiterentwicklung des natürlichen Zusammenhangs zwischen Nacktheit und Umgebung wird in der „Landschaft mit weiblichen Badenden“ von 1885 und insbesondere im sehr bekannten und populären „Liegenden Akt“ von 1902 anschaulich. In der „Badenden“ (um 1915) und den „Zwei Badenden“ (von 1918/19) erreicht die Aktmalerei der Impressionismus einen Höhepunkt. Kennzeichnend für die Motivwahl der Impressionisten war auch, daß sie dem Betrachter den Blick hinter den Vorhang, wie z.B. in die Ankleidekabinen von Tänzerinnen und Schauspielerinnen erlaubten – was zuvor strikt verpönt war. Ein Musterbeispiel sind dafür die Werke „Die kleinen Statistinnen“ (1911/13) und „Die Tänzerinnen“ (1905/07) von Fernand Pelez. Auch die Grenzen der bürgerlichen Welt und der sogenannten Halbwelt verschwammen, was sich insbesondere in Henri de Toulouse-Lautrecs Werken widerspiegelt. Edgar Degas hob in seinen Studien von Tänzerinnen die Schwere dieser mit großen körperlichen Anstrengungen verbundenen Tätigkeit hervor und schuf damit einen bewußten Kontrast zum spielerisch-leichten Ideal eines solchen Berufes. Die Kremser Ausstellung, die mit Werken aus rund 30 Museen und Privatsammlungen aus aller Welt, darunter des Petit Palais in Paris, des Metropolitan Museum of Art in New York, der National Gallery of Art in Washington und des Kunsthauses Zürich bestückt ist, zeigt ein überaus reichhaltiges und hochwertiges Mosaik dieser Gattung, welches von den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts bis in das 20. Jahrhundert reicht. Besonders stolz kann die Museumsleitung darauf sein, daß es ihr gelang, für diese Präsentation einen großen Teil der Renoir-Werke aus den Beständen des Nationalmuseums Belgrad als Leihgabe zu erhalten, welche dort wegen einer Generalsanierung bereits seit mehr als sechs Jahren nicht mehr betrachtet werden konnten. Schon allein aus diesem Grund lohnt ein Besuch in der Kunsthalle in Krems. Joseph-Marius Avy, „Damenball“ (1903): Die Grenzen zur sogenannten Halbwelt verschwammen Bild: Pierre-Auguste Renoir, „Gabrielle bei der Lektüre“ (1906) Die Ausstellung ist bis zum 31. Juli in der Kunsthalle Krems, Franz-Zeller-Platz 3, täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Zur Ausstellung ist ein reich bebilderter Katalogband erschien . Er hat 107 Seiten und kostet 15 Euro.