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Aus göttlicher Quelle

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Evolution ist eines der heute am stärksten diskutierten Themen von existentieller Bedeutung. Denn es geht hier um die Frage nach dem Ursprung der Dinge, des Lebens und des Menschen. Nach dem Verständnis der Religionen verdanken sie sich dem schöpferischen Wort Gottes, nach moderner Naturwissenschaft sind sie Produkt einer Evolution der kosmischen Materie. Beides scheint sich auszuschließen. Zwischen „Kreationisten“ und „Evolutionisten“ ist ein leidenschaftlicher Kampf entbrannt, der neuerdings weltweit wieder hohe Wellen schlägt und besonders in den USA geradezu unversöhnliche Formen annimmt. Im folgenden soll nun versucht werden, vom Blickansatz der Philosophie her, die in der Form ihrer Rationalität gleichsam „zwischen Naturwissenschaft und religiösem Glauben“ steht, einen Weg aufzuzeigen. Denn in der theoretischen Ausarbeitung von „Evolution“ berühren sich Naturwissenschaft und Philosophie. Dabei zielt die spezifische Fragestellung der Naturwissenschaft darauf ab, die Erfahrungsgegebenheiten zu sichern und in einen gesetzmäßigen Zusammenhang zu bringen; Aufgabe der Philosophie hingegen ist ihre Deutung im Ganzen und Letzten. Es soll nun die philosophische These zur Diskussion gestellt werden: „‚Evolution‘ geht auf eine Steigerung des Sinngehaltes des Seienden, der dabei aus einer ‚göttlichen Quelle‘ strömt“. Zunächst ist in einem ersten Schritt der hier verwendete Begriff von „Sinn“ bzw. „Sinngehalt“ näher zu erläutern – und auch das Kriterium zu nennen, wonach man von einem „Mehr oder Weniger an Sinn“ und von einer „Steigerung des Sinngehalts“ sprechen kann. Das Wort „Sinn“ leitet sich her von althochdeutsch „sin“, der Weg. So meint „Sinn“ zunächst gewissermaßen den „Kanal“, das heißt das Wahrnehmungsvermögen eines Subjekts (wie Mensch oder Tier), durch das der Gehalt des Seienden aufgenommen wird (= „subjektiver Sinn“); man denke an die Rede von den fünf äußeren körperlichen Sinnen (wie Auge, Ohr), aber auch von einem „geistigen Sinn“ für etwas. Das Wort „Sinn“ wird von daher auch auf den aufnehmbaren Gehalt selbst übertragen (= „objektiver Sinn“) und ist dann gleichbedeutend mit „Sinngehalt“. Der Ausdruck „Gehalt“ meint das „Etwas“, worum es sich dabei handelt, also das, worauf die Frage „Was ist das?“ hinzielt. Diese Frage wäre aber gar nicht mit Verstand stellbar, wenn das, worauf sie sich richtet, nicht „Verstehbarkeit“ einschlösse, nicht von sich selbst her dem Verstande zugänglich wäre. Wenn man also sagt: „Etwas ist etwas Sinnhaftes“, so meint man damit auch: „Es ist etwas grundsätzlich Verstehbares“ (wenngleich es möglicherweise die Fassungskraft unseres begrenzten menschlichen Verstandes übersteigt). Es wäre aber nicht ein in sich Verstehbares, wenn es nicht in sich selbst ein Eines darstellte; Verstehbarkeit gründet in Einheit. Schließlich wird „Sinn“ auch noch das genannt, „wozu“ etwas da ist, „worauf hin“ es seinem Wesen nach angelegt ist und hinzielt; siehe zum Beispiel die Rede vom „Sinn“ einer Uhr, oder auch vom „Sinn“ des menschlichen Daseins. Das ist schlechterdings das Gute. Damit ergibt sich nun aber auch ein Kriterium für den Grad von Sinn, für ein „Mehr oder Weniger“ an Sinn, nämlich: Etwas ist in dem Maße sinnvoll, als es in sich selbst Einheit, Verstehbarkeit und Vollkommenheit verkörpert. Dies läßt sich erkennen durch Einsicht in die Erfahrung, nämlich durch den Vergleich der in der Erfahrung gegebenen Seienden – was aber in concreto eine gewisse Standpunktabhängigkeit der Betrachtung nicht ausschließt. Nur drei Beispiele dafür: Wir bezeichnen zum Beispiel ein Auge als etwas gegenüber einem Wassermolekül noch Sinnvolleres, weil es a) ein Mehr an Einheit darstellt; es ist ein differenzierteres Gebilde, und in ihm sind mehr Bestandteile integriert als im bloßen Wassermolekül. Damit aber – b) – verkörpert es auch ein Mehr an Verstehbarem; es stellt einen höheren Anspruch an den Verstand. Und es löst – c) – auch noch höhere Bewunderung und Freude aus; es zeigt sich als etwas noch Vollkommeneres, als etwas noch „Besseres“ (im ontologischen, nicht im moralischen Sinne des Wortes). Aber selbst wenn man naturwissenschaftlich im evolutionären Entwicklungsgang eine wie auch immer geartete Gesetzmäßigkeit annehmen würde, so ist damit keineswegs gesagt, daß das zeitlich Frühere die eigentliche Seinsquelle für das Nachfolgende darstellt. Oder: Aufgrund wessen urteilt man zum Beispiel, ein Mensch sei „intelligenter“ als ein anderer? Wohl deshalb, weil in ihm das, was wir unter „Intelligenz“ verstehen, in einem höheren Maße von „Einheit“ und „Verstehbarkeit“ und „vollkommener“ da ist. Oder: Von einem Menschen, der mit sich selbst noch uneins und in sich gespalten ist, sagen wir, er habe noch nicht sein „wahres Selbst“ erreicht – und es könnte „mit ihm noch besser“ werden! Auf der Grundlage dieser begrifflichen Klärung läßt sich nun – in einem zweiten Schritt – unsere philosophische These entwickeln, wonach sich in der „Evolution“ eine Zunahme des Sinngehalts des Seienden zeigt, der sich dabei aus einer göttlichen Quelle speist. Zunächst ist der Begriff „Evolution“ zu präzisieren, soweit er rein naturwissenschaftlich erstellt ist. Insofern umschließt er drei Elemente: Die Aussage einer zeitlichen Sukzession, nämlich: Am Anfang (a) war nur materielle Energie und leblose Masse; darauf (b) folgte das Lebendige, nämlich zunächst die noch bewußtlose Pflanze, dann das mit sinnlichem Bewußtsein ausgestattete Tier und zuletzt der geistbegabte Mensch. Diese Aussagen fußen auf heute unbestrittenen Erkenntnissen: der Physik und der Paläontologie. Das der Zeit nach Frühere ist auch die Bedingung, ohne die das Nachfolgende gar nicht entstehen könnte. Das „Material“, aus dem das Komplexere entsteht, mußte nämlich erst durch einfachere Formen entsprechend „vorbereitet“ werden. Diese Bedingung verhält sich nicht lediglich passiv, sondern ist ursächlich am Entstehen des Nachfolgenden beteiligt. Solche Kausalität vermittelt sich durch Teileinheiten der Materie wie Atome und Moleküle, die durch fortlaufend neue Kombinationen (Gen-Mutationen, Erbsprünge) immer komplexere ganzheitliche Strukturen bilden. Diese fungieren dann als „Verhaltensprogramme“, als sogenannte „genetische Informationen“, die das weitere Geschehen steuern. So stellt sich „Evolution“ in biologischer Sicht als eine voranschreitende „Selbststeuerung“ oder „Selbstorganisation“ der Materie dar, die durch ein scheinbar „zufälliges“ Zusammentreffen materieller Teileinheiten ausgelöst wird. Aber selbst wenn man naturwissenschaftlich für dieses Zusammentreffen eine wie auch immer geartete Gesetzmäßigkeit annehmen würde, so ist damit keineswegs gesagt, daß das zeitlich Frühere die eigentliche Seinsquelle für das Nachfolgende darstellt (also die leblose Materie für das Leben, die Pflanze für das Tier, dieses für den Menschen). Eine solche Behauptung wäre eine Letzt­aussage und würde die rein naturwissenschaftliche Methode überschreiten; denn daraus, daß sich auf der naturwissenschaftlichen Ebene der Betrachtung andere Ursachen als die zeitlich vorhergehenden nicht feststellen lassen, folgt nicht schon, daß solche nicht wirklich beteiligt sind. Ein „materialistischer Evolutionismus“, der behauptete, alles neu Entstehende habe im zeitlich Vorausgehenden (und damit letztlich der Mensch in der ursprünglich leblosen Masse) seine hinreichende Erklärung, läßt sich sogar philosophisch widerlegen. Man gelangt zu der Einsicht, daß etwas nicht von dorther kommen kann, wo es (noch) gar nicht ist. Daraus folgt, daß laufende transzendente Einflüsse anzunehmen sind – und für das Auftreten des geistbegabten Menschen eine geistige Seinsquelle. Das Argument besteht aus zwei Schritten: Zunächst verkörpert in der Sukzession von anorganischer Materie – Pflanze – Tier – Mensch das zeitlich später Auftretende ein Mehr an Sinngehalt (siehe auch den bereits oben herangezogenen Vergleich des hochkomplexen Sinngebildes eines Auges mit einem bloßen Wassermolekül). Der zweite Schritt liegt in der Einsicht, daß etwas nicht von dorther kommen kann, wo es (noch) gar nicht ist. Daraus folgt philosophisch, daß laufende transzendente Einflüsse anzunehmen sind, also zum Beispiel für das Auftreten des geistbegabten Menschen eine geistige Seinsquelle. Wenn man die Abfolge vergleicht, so wird deutlich, wie die Evolution der Welt (jedenfalls in den großen Etappen) vom Einfacheren zum Komplexeren, vom weniger Sinnhaltigen zum immer Sinnvolleren geht, also de facto eine Richtung hat. Dies legt die Annahme einer umfassenden geistigen Wirkmacht nahe, aus welcher der jeweils neue Sinngehalt einströmt und die dem gesamten Weltprozeß die Richtung gibt (und die, wie eine noch tiefer dringende ontologische Analyse zeigen kann, nicht nur beim Auftauchen neuer, komplexerer Seinsformen am Werke ist, sondern die ganze Welt, während sie sich entwickelt, überhaupt im Sein trägt). So ergibt sich die Frage, wie beim Entstehen von etwas Neuem die innerweltliche Ursache und der transzendente Grund zusammenwirken. Der Ausdruck „Evolution“ bzw. „Entwicklung“ könnte zu dem Mißverständnis verleiten, als ob das Neue lediglich eine Weiterausdifferenzierung des Alten darstelle, also nichts anderes als das „evolvierte“ (d.h. wörtlich: „ausgerollte“) bzw. „ausgewickelte“ Alte; es ist jedoch nicht mit diesem identisch, sondern zeigt sich als Träger eines neuen Sinngehaltes. Der Hervorgang des Neuen läßt sich vielmehr angemessener in der Weise denken, daß die transzendente Seinsquelle einen so mächtigen Gehalt einstiftet, daß die naturalen Grenzen eines Seienden „aufgebrochen“ werden und es in der Kraft der Transzendenz in einem produktiven Akt sich selbst überschreitet. So erklärt sich, daß das Neue dem Alten gegenüber sowohl Ähnlichkeit als auch Unähnlichkeit aufweist (zum Beispiel der Mensch gegenüber dem Tier – wie ja übrigens auch schon das Kind gegenüber seinen Eltern). Noch eine Anmerkung: Sollte sich naturwissenschaftlich die Auffassung durchsetzen, daß nicht der Zufall, sondern eine durchgängige Gesetzmäßigkeit für die Evolutionsfolge der Formen verantwortlich ist – was aber, wie ausgeführt, nicht die Frage nach der Seinsquelle dieser Formen beantworten würde -, so erhöbe sich sofort die weitere Frage nach der Quelle dieser Gesetzmäßigkeit. Da eine solche Gesetzmäßigkeit selbst einen (übergreifenden) „Sinngehalt“ darstellte, würde ihre Existenz den Hinweis auf einen allumfassenden geistigen Grund erweitern. Dies führt nun in einem abschließenden Blick noch zu einem weiteren philosophischen Begriff, der die Weise betrifft, wie das Seiende aus dem transzendenten geistigen Grund hervorgeht, dem Begriff des „Logos“. Der dem Griechischen entlehnte Begriff „Logos“ meint ganz allgemein „Wort“, das heißt den im Wort ausdrückbaren Sinngehalt. Nach Heraklit stiftet die (göttliche) Weisheit in der Materie durch den „Logos“ eine kosmische Ordnung (als fließende „Harmonie von Gegensätzen“). Im Alten Testament wird der Begriff des „Logos“ auf einen persönlichen Gott bezogen, der durch sein „Wort“ die Welt hervorgerufen hat. Dieser schöpferische „Logos“ ist nach dem Neuen Testament die zweite Person des dreifaltigen Gottes, die in Freiheit Mensch wurde – Jesus Christus als „inkarnierter Logos“. Von daher entwirft beispielsweise Pierre Teilhard de Chardin eine Deutung der Evolution als Bewegung eines schrittweisen Herankommens des göttlichen Logos, die in seiner persönlichen Inkarnation mündet und durch seinen Geist die ganze Schöpfung durchdringen und verwandeln soll. Prof. Dr. Heinrich Beck lehrte Philosophie an der Universität Bamberg und war Gastprofessor an zahlreichen Universitäten des In- und Auslands. Auf dem Forum der JUNGEN FREIHEIT ging er zuletzt der Frage nach dem Wesen Europas nach (JF 02/07). Foto: Taschenuhrwerke: Etwas ist in dem Maße sinnvoll, als es in sich selbst Einheit, Verstehbarkeit und Vollkommenheit verkörpert

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