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ESN-Fraktion, Europa der souveränen Nationen

„Wir können den europäischen Bedarf abdecken“

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„Wir können den europäischen Bedarf abdecken“

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Cato, Palmer, Exklusiv

Das Treffen von Gerhard Schröder und Wladimir Putin mit deutschen und russischen Un-ternehmern am 8. Juli in Moskau verdeutlichte vor allem eines: die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen befinden sich im Aufwind. Mehr als 3.500 deutsche Unternehmen sind heute in Rußland engagiert. Putin hob hervor, daß Deutschland nicht nur der größte Wirtschafts- und Handelspartner seines Landes sei, sondern auch für die höchsten Investitionen in Rußland stehe. Für die Zukunft wird es in dieser Hinsicht noch viel weiter gehen. Denn in einer „Gemeinsamen Erklärung zum Ausbau der energiewirtschaftlichen Zusammenarbeit“ begrüßten der Bundeskanzler und Rußlands Präsident die Absicht des deutschen Energieriesen E.ON-Ruhrgas und des russischen Konzerns Gasprom bei der Erdgasförderung und im Strombereich enger zusammenzuarbeiten. Kernpunkt ist sicher der gemeinsame Bau einer Erdgasleitung zur Versorgung Westeuropas durch die Ostsee. Ein entsprechendes Rahmenabkommen wurde in Moskau unterzeichnet. Diese „Nordeuropäische Gasleitung“ soll innerhalb von vier Jahren errichtet werden. Das auf die deutschen Investoren entfallende Engagement wird auf 2 bis 2,5 Milliarden Euro beziffert. Es wäre wohl das größte Wirtschaftsprojekt zwischen Deutschland und Rußland seit mehr als zwei Jahrzehnten. Die neue Gasleitung durch die Ostsee soll bei Greifswald die deutsche Ostseeküste erreichen und das Gas von dort auch nach Frankreich und Großbritannien weiterbefördern. Die Routen der Gaslieferung, die bisher über die Ukraine und Weißrußland nach Westeuropa verliefen, werden so auf eine breitere Basis gestellt. „Wir können den ganzen europäischen Bedarf abdecken“, erklärte der Gasprom-Vorstandschef Alexej Miller kürzlich im Spiegel (27/04). Insgesamt sind Projekte in einer Größenordnung von sechs Milliarden Euro geplant. Schwierigkeiten befürchtet man allenfalls von seiten der EU. Beide Regierungen seien deshalb bereit, „die nichtkommerziellen Risiken zu minimieren und auch auf europäischer Ebene Hindernisse für eine erfolgreiche Durchführung dieser Vorhaben beseitigen zu helfen“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Auch in anderen Branchen geht es voran. Schon im Vorfeld des Moskauer Treffens schloß der Rewe-Konzern mit der Moskauer Marta-Gruppe ein Abkommen über einen Einstieg in den russischen Markt. Insgesamt wollen die Unternehmen in den nächsten drei bis fünf Jahren eine halbe Milliarde Dollar in das Unternehmen „Billa Russia“ investieren. Der Metro-Konzern, Obi oder Marktkauf – deutsche Handelsunternehmen nutzen die geringe Marktsättigung in dem 143-Millionen-Land. Auf die positive Entwicklung der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen ist auch von der Vorsitzenden des Verbandes der Deutschen Wirtschaft in Rußland, Andrea von Knoop, immer wieder hingewiesen worden. Die kaum bekannte, aber sehr wirksame, von Putin und Schröder im Jahre 2000 ins Leben gerufene „Arbeitsgruppe für strategische Fragen der wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenarbeit“, die zeitgleich in Moskau tagte, hat inzwischen viele Impulse für die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen gegeben und auch manche Konfliktfälle gelöst. In diesem Zusammenhang ist es von Bedeutung, daß sowohl der Verband der deutschen Wirtschaft in Rußland, wie die Vertreter der deutschen Wirtschaft auf dem Treffen in Moskau feststellten, daß die Reformen in Rußland vorankommen und viele Maßnahmen zur Verbesserung der Rechtssicherheit unternommen wurden. Schröder ging noch einen Schritt weiter. Er lobte ausdrücklich „die entschlossene Reformpolitik“ Putins, mit der das Vertrauen ausländischer Investoren – nach der Rubel-Krise 1997 – zurückgewonnen worden sei. Und in demonstrativem Gegensatz zur vielfältigen internationalen Kritik an dem Vorgehen der russischen Behörden gegen den Erdölkonzern „Yukos“ und dem Strafverfahren gegen dessen inhaftierten Mehrheitseigner Michail Chodorkowskij erklärte Schröder: „Es gibt keine Anhaltspunkte, daß das nicht mit rechtstaatlichen Mitteln vor sich geht“. Gerade an dieser Position – nicht am Ausbau der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen selbst – kam denn Kritik sowohl des grünen Koalitionspartners wie von Ex-Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP), der als Mitglied im Beirat der russischen Menatep-Holding, die an Yukos beteiligt ist, allerdings indirekt Partei ist. Der grüne „Rußlandexperte“ Reinhard Bütikofer meinte, das Verfahren gegen Chodorkowskij habe „von Anfang an jeder Rechtsstaatlichkeit Hohn gesprochen“ – ohne hierfür auch nur irgend einen Beweis vorzulegen. Auch die ehemalige FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die für den Europarat den Chodorkowskij-Prozeß beobachtet und Mitglied im Deutsch-Russischen Forum ist, zeigte sich nicht gerade als Kenner der russischen Strafprozeßordnung, wenn sie kritisierte, daß der Angeklagte schon neun Monate in Untersuchungshaft sitze und im Prozeß „im Käfig“ vorgeführt werde. Sie verschwieg, daß mehrmals ein Haftprüfungstermin stattfand, wobei jeweils gerichtlich die weitere Haft angeordnet wurde. Und daß alle russischen Angeklagten in solchen – zugegebener Maße häßlichen – „Käfigen“ während ihres Prozesses im Gerichtssaal Platz nehmen müssen, ist nichts Neues. Überhaupt sind die als Kritik an dem Vorgehen gegen den Yukos-Konzern wie gegen Chodorkowskij vorgebrachten Argumente wenig stichhaltig. Zunächsteinmal ist es das Normalste von der Welt, daß ein Staat von seinen Unternehmen Steuern verlangt und wenn dieser seine Steuerschuld nicht fristgerecht begleicht, diese zwangsweise eintreibt. So sieht es auch die russische Gesetzgebung vor. Dabei hatte der Konzern Yukos das Recht, die Steuerbescheide gerichtlich überprüfen zu lassen und dies hat er auch bei dem zuständigen staatlichen Arbitragegericht in Moskau getan, so daß jetzt eine gesetzlich begründete und gerichtlich geprüfte Steuerschuld vorliegt. Der russische Fiskus verlangt nun eine Steuernachzahlung von 2,8 Milliarden Euro. Das eigentlich Aufregende an der Meldung, daß nun Gerichtsvollzieher bei dem Konzern erschienen sind, besteht nicht darin, daß nun der „Schutz der Eigentümerrechte in Rußland“ gefährdet sei, wie Jelena Anakina von der Rating Agentur Standard & Poors meint, sondern darin, daß es nun in Rußland Gerichtsvollzieher wie in jedem Rechtsstaat gibt und diese funktionieren. Auch das Vorgehen gegen Chodorkowskij entspricht den Normen russischen Rechts. Vielleicht ist dies der Grund, warum seine Anwälte das Eingreifen auf internationaler Ebene verlangen und sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wenden wollen. Den Interessen ihres Mandanten dienen sie damit kaum. Denn der EGMR kann immer erst angerufen werden, wenn der innerstaatliche Rechtsweg erschöpft ist. Bleibt die immer wieder vorgebrachte Behauptung, das strafrechtliche Vorgehen gegen Chodorkowskij sei deshalb Willkür, weil es viele Unternehmer in Rußland gebe, die ähnlich gehandelt hätten, gegen die aber nicht strafrechtlich vorgegangen werde. Neuerdings wird diese These auch in umgekehrte Richtung verwandt, nämlich mit der Behauptung, das Vorgehen gegen Chodorkowskij sei ein „Einzelfall“. Wie immer solche Argumentation und mit welcher Zielrichtung sie auch vorgebracht wird, sie ist juristisch unhaltbar. Ist das Strafverfahren in der sogenannten Mannesmann-Affäre deshalb „Willkür“, weil es noch andere ähnliche Fälle gibt, die aber nicht (oder noch nicht) strafrechtlich verfolgt werden? Wer so argumentiert, behauptet außerdem logischerweise, daß die Handlungen Chodorkowskijs strafrechtlich relevant sind und verlangt ein strafrechtliches Vorgehen gegen alle, die ähnlich gehandelt haben. Doch das ist Sache der russischen Staatsanwaltschaft, nicht aber ausländischer Beobachter. Vielleicht aber wollen diese auf diese Weise Strafanzeige erstatten? Bei den meisten deutschen Medienvertretern liegt solche Argumentation an ihren unzureichenden juristischen Kenntnissen, obwohl doch ein Minimum an Rechtskenntnissen eigentlich zur Allgemeinbildung gehört. Auch für die Spekulationen, das Vorgehen gegen Chodorkowskij hänge mit dessen 2003 geführten Verhandlungen über einen Einstieg des US-Konzerns Exxon Mobile bei Yukos zusammen, gibt es keine Beweise. Ebenso abwegig ist, daß Chodorkowskij die Wiederwahl Putins gefährdet haben soll und deshalb verhaftet wurde. Die liberalen Parteien in Rußland spielen – auch bei den Duma-Wahlen – derzeit nur eine Minderheiten-Rolle (siehe auch JF 46/03 und 13/04). Die Beratungen in Moskau dienten übrigens auch der Vorbereitung für ein Regierungstreffen am 9. und 10. September in Hamburg. Bisher hieß es, bei dieser Gelegenheit solle Putin auch die Ehrendoktorwürde verliehen werden. Nachdem die Juristische Fakultät der Hamburger Universität unter Berufung auf ihre strenge Promotionsordnung dies abgelehnt hatte, sollte die Verleihung nun durch die Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften erfolgen. Prof. Dr. Wolfgang Seiffert war Direktor des Instituts für osteuropäisches Recht in Kiel und lehrt jetzt am Zentrum für deutsches Recht der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau. Er verfaßte das Buch „Wladimir W. Putin – Wiedergeburt einer Weltmacht?“ Foto: Putin mit Schröder auf Moskauer Regierungsflughafen Wnukowo: Lob für „entschlossene Reformpolitik“

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Marc Jongen, ESN Fraktion
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