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Die Kraft zur Unterscheidung und Ausgrenzung

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Seit 2000 hat der in Luxemburg lehrende Norbert Campagna fast jährlich zu einem Klassiker politischer Philosophie eine vornehmlich für Studienanfänger geeignete Einführung verfaßt. Obwohl darunter Hobbes und Machiavelli nicht fehlen, scheint Campagnas Sympathie für liberale Geister wie Montesquieu, Locke und Constant doch stärker ausgeprägt zu sein. Wenn er sich nun an Carl Schmitt wagt, verläßt der Autor also gleich in dreifacher Hinsicht vertraute Bezirke: Er stößt aus alteuropäischen Gefilden ins Zeitalter des Weltbürgerkrieges vor, er untersucht erstmals ausführlich einen deutschen Staatsdenker und noch dazu einen dezidiert Antiliberalen. Um es vorwegzunehmen: Es ist, wie man bei diesen Dispositionen vermuten könnte, keine Arbeit entstanden, die in mittlerweile modisch gewordener Manier auf Schmitts Werk dessen Freund-Feind-Schema anwendet. Vielmehr nähert sich Campagna dem vielumstrittenen Gegenstand ausgesprochen unaufgeregt. Leidenschaftslos analysierend, mitunter sogar bis zur Umständlichkeit dröge wird hier verfahren. Insoweit folgt der Autor seiner Ausgangsmaxime, daß die volkspädagogisch griffigen Etikette, die des „Nationalsozialisten, Antisemiten, konservativen Revolutionärs usw.“ nichts über den „eigentlichen Wert“ der Fragestellungen Schmitts aussagen: Die Schmittsche „Grundsorge“ sei eben „keine nationalsozialistische oder faschistische“, sondern eine „rechtsphilosophische“. Daher sei sie eben nicht an ein bestimmtes System und eine begrenzte Epoche gebunden, sondern spreche die Denker „aller Epochen“ an, womit zugleich Schmitts Rang als Klassiker der politischen Philosophie fixiert ist. Dabei liegt das Schwergewicht dieser Einführung auf Schmitts Staats- und Verfassungsdenken, das in drei vielleicht etwas zu ausführlichen Kapiteln die Aufmerksamkeit auf sich zieht, während die völkerrechtlichen Schriften demgegenüber zu sehr im Schatten stehen. Auffallend ist jedoch, daß sich Campagna gerade von Schmitts völkerrechtlichen Analysen soweit herausgefordert fühlt, daß er deren Begrifflichkeit anwendet auf die jüngsten Verschiebungen der internationalen Unordnung – Kosovo, Afghanistan, Irak – und hier der Versuchung nicht widersteht, die die Welt „in ein Schlachtfeld ihrer Interventionen“ verwandelnde US-Politik im „Lichte der Theorien Schmitts“ zu interpretieren. Auf verfassungsrechtlichem Terrain ist Campagna mit solchen aktualisierenden Applikationen wesentlich zurückhaltender. Trotzdem schöpft er Schmitts kritische Potenz soweit aus, daß der Leser nur noch die letzten gedanklichen Konsequenzen ziehen muß, um sich im ideologischen Nebel der Gegenwart zu orientieren. Beispielsweise befreit Campagnas Interpretation Schmitts Freund-Feind-Unterscheidung und die davon nicht abzulösende zentrale Vorstellung von politischer Einheit („Homogenität“) von den üblichen Reduktionen auf einen dezisionistischen „Irrationalismus“ oder gar eliminatorischen „Rassismus“, indem er des Plettenbergers glasklare Argumentation zustimmend nachzeichnet, derzufolge ohne substantielle Einheit, folglich auch ohne Kraft zur „Unterscheidung“ und zur „Ausgrenzung“ der „Ungleichen“ kein staatliches Gemeinwesen bestehen könne. Der Gegenwartsbezug solcher Überlegungen muß von Campagna dann nicht mehr expliziert werden. Er liegt für jeden Zeitungsleser auf der Hand. Und ganz allmählich scheint sich die niederländische und nun selbst auch die um ihr multikulturelles Lieblingsprojekt zitternde bundesdeutsche politische Klasse – die in diesen Tagen in peinlicher Würdelosigkeit nahezu flehentlich ihre millionenfach ins Land geschleusten islamischen „Mitbürger“ bittet, sie mögen doch die „demokratische Leitkultur“ anerkennen – des essentiell systemstabilisierenden Wertes historisch-kulturell gefestigter „Homogenität“ und damit der provozierenden Aktualität Carl Schmitts bewußt zu werden. Norbert Campagna: Carl Schmitt. Eine Einführung. Parerga Verlag, Berlin 2004, 333 Seiten, kartoniert, 14,80 Euro

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