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Ohrenzeugen

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Wo die musikalischen Unterschiede kaum wahrnehmbar sind, bedarf es im Genre des Neo Folk weltanschaulicher Alleinstellungsmerkmale, um sich im eng besetzten Nischenmarkt zu behaupten. War einst der heidnisch verharmlosende Bezug auf Aleister Crowley prägend für die apokalyptischen Anfänge der britischen Veteranen, die sich dem Punk entwanden, so hat man sich im folgenden unbedarft und selbstbewußt aller möglichen in der Geschichte vergrabenen Häresien, Okkultismen und Mythen bemächtigt, die den hohen Anspruch eines verwöhnten Publikums nach einer ungewöhnlichen, plakativen und natürlich auch nicht zu anstrengenden Sinnstiftung zu erfüllen versprachen. Die Koblenzer Musiker, die sich unter dem Namen der Titanentochter Hekate ans Werk machten, haben in dieser Hinsicht jedoch eine Zurückhaltung an den Tag gelegt, die sie ehrt. Zunächst atonalen Experimenten verschrieben, erwiesen sie im folgenden realgeschichtlichen Traditionen demokratischer Provenienz ihre Referenz – man mochte sie im Geiste für späte Ausläufer diverser Folkbands aus vergangenen Langhaarzeiten halten, die gemeint hatten, es ließe sich über das rebellische Lied von den Bauernkriegen über 1848 bis hin zur Arbeiterbewegung eine unbefleckte deutsche Identität rekonstruieren. Hekate hat diesen Kanon sogar noch durch – allerdings eher illustrative denn musikalische – Anleihen bei der Jugendbewegung erweitert. Hinsichtlich ihres Sounds bedienen sie sich dabei im Unterschied zu den urwüchsigen Altvorderen der Möglichkeiten, die seit der digitalen Revolution im Prinzip jedem musikalischen Heimwerker zur Verfügung stehen und orchestrales Volumen ohne das mühselige Zusammenspiel von vielen gestatten. Auf der aktuellen CD „Goddess“ (Auerbach Tonträger/ SoulFood) läßt sich nun zum einen eine verstärkte Hinwendung zu mannigfaltigem Schlagwerk erkennen, das in spannungsreiche Konkurrenz zu einer ätherischen Frauenstimme oder (abwechselnd) einem männlichen Gesang mit Hang zur bloßen Rezitation tritt – die Rollenverteilung von Dead Can Dance lebt hier ein Stockwerk tiefer wieder auf. Zum anderen ist der thematische Horizont entgrenzt. Im Schnelldurchlauf führt die CD durch Mythen mit und ohne Bart – von der Arthus-Sage über die Katharer, von Barbarossa bis zum alten Rom, lauter kleine Anspielungen, die über die Etikettierung des jeweiligen Stücks hinaus zwar nicht immer explizit hörbar sind, aber der Phantasie freien Lauf lassen und dem Lauschenden nebenbei das Gefühl vermitteln, nicht bloß zu konsumieren, sondern Ohrenzeuge eines gewichtigen Kulturextrakts zu sein. Die Gefühle, an die das Comedy-Projekt Studio Braun hingegen appelliert, sind weitaus weniger edelmütig. Der Erfolg seiner Bemühungen bemißt sich an der heiteren Schadenfreude, die sich einstellt, wenn man Zeuge werden darf, wie mehr oder weniger unbedarfte Mitmenschen, die absichtsvoll in absurde Situationen gestellt werden, keine gute Figur abgeben. Die CD „Ein Kessel Braunes“ (Trikont/ Indigo) präsentiert davon eine nette Auswahl: Telefonanrufe bei irgendwelchen Leuten, die auf die unverhofften Zumutungen nicht so schlagfertig reagieren wie ein versierter Entertainer in einem wohl einstudierten Dialog. Ein elitärer Unterton hinter der anarchischen Punk-Maskerade ist dabei unüberhörbar. Blödeleien, die subversiv sein wollen, sind anders gestrickt. So billig und vor allem so abgegriffen diese Art der Witzerzeugung auch ist in Zeiten, in denen TV total und die notorischen Titanic-Überfallaktionen in die Jahre gekommen sind, manche der Mitschnitte sind dann doch so unterhaltsam, daß man sie zwei- oder dreimal hören kann. Öfter aber auch nicht.

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