Oft ist man überrascht, wenn man zufällig Menschen kennenlernt, die die JUNGE FREIHEIT regelmäßig zur Hand nehmen. Sie sind nämlich zumeist ganz anders, als man sie sich vorgestellt hat. Dies hat einen simplen Grund: Die JF ist, auch wenn sie in der Medienlandschaft eine exponierte Stellung einnimmt, im Prinzip eine „ganz normale“ Zeitung. Ihre Leserschaft repräsentiert vielleicht nicht die ganze Bandbreite unserer Gesellschaft, sicher aber einen nennenswerten Ausschnitt daraus. Wer hier einen Durchschnittstypus identifizieren möchte, der kann damit nur scheitern. Die JF wird von Männern und Frauen gelesen, von Arbeitern, Angestellten und Unternehmern, von Freiberuflern, Beamten und Arbeitslosen, von Schülern, Studenten und Pensionären. Der Einkommensdurchschnitt der Abonnenten und Käufer liegt offenbar ein wenig über dem aller Erwerbstätigen – das dürfte aber bei Zeitungen per se die Regel sein. Jung und alt greifen zur JF – sogar die „Alterspyramide“ der Deutschen, die leider längst keine Pyramide mehr ist, spiegelt sich in der Leserschaft wider. Man kann sich „dem JF-Leser“ also nicht mit Hilfe der Statistik nähern. Vielleicht aber durch eine Art qualitative Beschreibung: Er stammt, wie es Wolfgang Gessenharter wohl ausdrücken würde, „aus der Mitte der Gesellschaft“. Er ist leistungsorientiert, aber nicht materialistisch. Er legt Wert auf seine persönliche Freiheit, vor allem auf die Meinungsfreiheit, und macht sich Gedanken über unser Land und seine Zukunft. Die Soziale Marktwirtschaft ist für ihn kein Auslaufmodell. Er ist tolerant, fühlt sich zugleich aber Werten verpflichtet, die nach seiner Überzeugung nicht im Ermessen des Einzelnen stehen. Eigentlich müßten sich alle unsere Bundespräsidenten, die in besinnlichen Stunden immer wieder die Bürger zu Zivilcourage und Gemeinsinn ermahnen, über ihn freuen. Sofern er schon etwas älter ist, war für ihn die Deutsche Frage bereits vor dem Mauerfall ein Thema. Sein Standort ist eher rechts von der linken Mitte und sein Geschichtsbild ist nicht auf zwölf Jahre verengt, ohne daß er an diesen etwas zu beschönigen versucht. Der JF-Leser zeigt wenig Neigung, sich mit politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die ihm mißfallen, zu arrangieren – bloß weil es möglicherweise bequemer wäre. Er glaubt nämlich, daß sich Probleme durch Schönreden nicht lösen lassen. Vielleicht hat er auf seine Weise vom achtundsechziger Geist mehr bewahrt als die meisten Achtundsechziger selbst: Er ist medienkritisch und möchte partout nicht manipuliert werden. Zur JF greift er, weil er dort findet, was anderswo nicht steht, und weil er das Gefühl hat, daß diese Zeitung wirklich für ihn gemacht wird – und nicht für die werbetreibende Wirtschaft, der zwischen den Anzeigen unproblematischer Füllstoff zu bieten ist. Er weiß, was die Macher der JF wissen: Die Leser allein sind das Kapital dieser Zeitung.
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