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Marc Jongen, ESN Fraktion
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Bibliophiler Bildungshüter

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Inmitten seiner 35.000 Bände bergenden Privatbibliothek gefragt, warum er soviel lesen müsse, antwortete der Nationalökonom Werner Sombart: „Um den Nordpol nicht zum zweiten Mal zu entdecken.“ Sohn Nico, der uns diese gleichsam Fontanesche Sentenz überliefert, war im Rückblick auf seine „Jugend in Berlin“ klar, daß solche Schatzkammern um 1930 schon einen Anachronismus darstellten. Anders als im 19. Jahrhundert, als Gelehrtenbibliotheken noch unentbehrliche Arbeitsinstrumente waren, führten aufblühende Institutsbibliotheken im 20. Jahrhundert dazu, daß Fortschritte der Forschung sich nicht mehr heimischen Bücherbatterien verdankten. Natürlich gab es Ausnahmen. Aby Warburg trug seine legendäre Bibliothek dank unerschöpflicher Mittel zusammen und verwandelte sie in eine öffentliche Institution. Auf die finanziellen Ressourcen des Hamburger Bankierssohnes konnte der Heidelberger Germanistikprofessor Friedrich Gundolf (1880-1931), Stefan Georges zeitweiliger Lieblingsjünger, nicht zurückgreifen. Trotzdem brachte dieser Bibliomane es auf einen Bestand von 7.500 Bänden. Kernstück war eine Caesarsammlung, die das abendländische Kapillarsystem geistiger Aneignung des römischen Welteroberers nachbildete und der Caesar-Ikonographie bis in die Niederungen der Kulturgüter, wie etwa der Werbung für einen Naßrasierer „Giulio Cesare“, nachspürte. Der Berliner Kunsthistoriker Michael Thimann hat sich alle Mühe gegeben, um den Bestand der nach 1933 in alle Winde verstreuten Heidelberger Privatbibliothek zu rekonstruieren. Herausgekommen ist ein, wie Friedrich Wilhelm Graf in der FAZ lobte, „wunderschönes Buch“, fraglos ein „Muß“ für Bibliophile. Schade nur, daß Thimann detektivischen Spürsinn, eminentes positivistisches Recherchetalent und stupende Gelehrsamkeit nicht dadurch krönt, daß er uns verrät, was die von ihm virtuell wiederhergestellte Bibliothek denn „mikrohistorisch“ über jene „Bildung“, deren „Hüter“ Gundolf sein wollte, über die „Wissenskonzeption eines humanistisch gebildeten Romantikers“ und die akademische Welt des frühen 20. Jahrhunderts verrät. Michael Thimann: Caesars Schatten. Die Bibliothek von Friedrich Gundolf. Rekonstruktion und Wissenschaftsgeschichte. Manutius Verlag, Heidelberg 2003, 297 Seiten, Abbildungen, 49 Euro

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