Eine Jahrhundertlegende nannte sie der französische heutige Staatspräsident Emmanuel Macron, „Kratzer“ auf dem Lack attestierte die linke ARD-„Tagesschau“ der Filmikone: Brigitte Bardot konnte es nicht allen recht machen, und das wollte sie auch gar nicht. Die Tabus, die die Schauspielerin, die zu Frankreich gehört wie Wein, Käse und Baguette, am Beginn ihrer Karriere in den Fünfzigern brach, bei der Darstellung kurviger Sinnlichkeit und beim Infragestellen von Geschlechterrollen, sind in aktuellen Leitmedien-Nachrufen zur Würdigung willkommen. Was mit dem ökofeministischen Fundamentalismus der Gegenwart weniger kompatibel ist, etwa daß sie von „Überfremdung“ der „grande nation“ sprach und daher offen mit dem Front National sympathisierte, machte sie dagegen zur umstrittenen Person, die polarisierte. Man kennt die Vokabeln, die für Querdenker und Querdenkerinnen – hier muß die Doppelung mal sein – gern bemüht werden.
Wer in den fünfziger Jahren die am 28. September 1934 in der französischen Hauptstadt Paris als Brigitte Anne-Marie Bardot zur Welt gekommene Aktrice anhimmelte, der mußte sich mit notorischer Querdenkerei bald abfinden, mußte akzeptieren, daß die junge Dame mit dem Schmollmund sich auf Dauer in keines der Korsette quetschen lassen wollte, die eine auf Stereotypen und Klischees angewiesene Filmindustrie für sie vorgesehen hatte. Mit nicht mal vierzig Jahren beschloß der blonde Filmstern (der wie Marilyn Monroe in Wahrheit gar nicht blond war) 1973, daß Schluß ist mit Film. Ein schwerer Schlag für ihre weltweite Anhängerschaft. Es gebe Wichtigeres im Leben, verkündete die Bardot – und weg war sie. Naja, nicht ganz weg. Sie hatte den Tierschutz für sich entdeckt. Unvergessen das ikonische Titelbild des auflagenstarken Boulevardblatts Paris Match vom 1. April 1977, das die Filmdiva mit einem weißen Robbenbaby im Arm zeigt. Die Botschaft war unmißverständlich: Hier hat jemand seine Bestimmung gefunden. Dank der nach ihr benannten Stiftung wurde sie eine der bedeutendsten Tierschützerinnen der Welt.
Bardot rang lange mit Freitodgedanken
Wer genauer hingesehen hätte, schon ganz am Anfang ihrer Karriere, dem hätte klar sein können, daß in ihr viel mehr steckte, als das Blondes-Dummchen-Image verriet, das ihre frühen Filme ihr verpaßten. Denn schon ihr Durchbruch, die klassische Dreiecksgeschichte „Und ewig lockt das Weib“ („Et Dieu … créa la femme“, 1956), in der Curd Jürgens sich von ihr in der Rolle der lolitahaften Juliette den Kopf verdrehen ließ, war ein durchaus vielschichtiger Film über Verlangen, Verzicht und Moral. Und er etablierte, da er auch in den sittlich etwas strengeren USA ein Knüller wurde, das, was die Darstellerin der Juliette zur Ikone machte und was das Magazin Time in die trefflichen Worte kleidete: „Brigitte Bardot verströmte eine sorglos-naive Sexualität, die dem französischen Film ein komplett neues Publikum zuführte.“ Mit dem Regisseur von „Und ewig lockt das Weib“, Roger Vadim, den sie mit nur 18 Jahren heiratete, drehte sie noch vier weitere Streifen.
Unstreitig ist, daß die frühen Filme der späteren Diva oft stromlinienförmig und à la mode waren, weswegen sich an die meisten der vor 1960 gedrehten Bardot-Filme auch kaum jemand erinnert – im Gegensatz etwa zu Henri-Georges Clouzots packendem Gerichtsdrama „Die Wahrheit“ (1960) nach einer Vorlage von Christiane Rochefort. Das Aufreizend-Laszive und die Sprunghaftigkeit, Wesenszüge, die BB in ihren Rollen berühmt gemacht hatten, werden hier pathologisiert: Die flatterhafte Dominique becirct den Dirigenten Gilbert, der ihr prompt verfällt. Die psychisch und emotional instabile junge Frau möchte sich aber nicht auf ihn festlegen. Der tragische Ausgang ist zwangsläufig. Vor Gericht hat sie sich schließlich für einen Mord zu verantworten. Es kommt heraus, daß sie eigentlich Selbstmord begehen wollte.
Noch mehr über die Frau hinter der Schauspielmaske verriet Louis Malles „Privatleben“ (1962). An der Seite von Marcello Mastroianni verkörperte sie die Tänzerin Jill, die kometenhaft zu einem der größten Leinwandstars ihrer Epoche aufsteigt. Für den Paparazzi-Terror, der Jill zunehmend verunsichert, findet der Regisseur prägnante Bilder. Auch Jill versucht sich schließlich das Leben zu nehmen. „Privatleben“ war ein kaum verhülltes Selbstporträt der Bardot, die selbst mit Freitodgedanken rang.
Erst ihre Ehe 1992 kann ihr Stabilität geben
Mit ihrer Hals-über-Kopf-Liebschaft mit dem deutschen Lebemann und Millionenerben Gunter Sachs samt nachfolgender Eheschließung 1966 und Ehescheidung drei Jahre später war in puncto Starrummel ein spektakulärer Höhepunkt erreicht. Fünf Jahre hatte zuvor ihre 1952 mit Roger Vadim geschlossene Ehe gehalten und drei (1959–1962) die mit Jacques Charrier, dem Vater ihres einzigen Kindes Nicolas-Jacques.
Die Weichen waren also früh gestellt für ein Leben unter den Argusaugen der Klatschpresse. Nach Paparazzi-freundlichen Beziehungen, die kaum einer zählen kann, unter anderem mit den Kollegen Jean-Louis Trintignant und Warren Beatty, kamen 1992 durch die Eheschließung mit dem sieben Jahre jüngeren französischen Geschäftsmann und Le-Pen-Unterstützer Bernard d’Ormale endlich Ruhe und Ordnung in das Privatleben der Filmdiva, die von sich selbst einmal gesagt hatte: „Ich bin keine Mutter und werde keine sein.“ Daran hat sie sich gehalten. Die Beziehung zu ihrem 1960 geborenen und in der Familie ihres zweiten Ehegatten Jacques Charrier aufgewachsenen Sohn Nicolas war schlecht.
Der künstlerisch bedeutendste und für viele auch beste Film ihrer Karriere ist „Die Verachtung“ (1963) von Jean-Luc Godard. Die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Alberto Moravia ist ein minutiös inszeniertes Psychogramm, das den Zerbruch der Ehe eines Drehbuchautors mit seiner attraktiven Gemahlin zeigt. Mit großer Präzision beobachtet die Kamera das Einsickern eines schleichend wirkenden Gifts in die zunächst glücklich wirkende Ehe. Die glaubwürdige Darstellung der anspruchsvollen Camille, die ihren Gatten immer weniger zu achten vermag, stellt BB in eine Reihe mit den großen Charakterdarstellerinnen ihrer Ära wie Simone Signoret oder Jeanne Moreau, ihrer Filmpartnerin in der furiosen Westernparodie „Viva Maria!“ (1965).
Für Tierschutz, gegen islamistische Infiltrierung und Unterstützerin von Frankreichs Rechtsaußen
Es war nicht immer ganz leicht, die gebürtige Pariserin politisch einzuordnen. Der antikapitalistische Impetus, der es in ihren Augen zum Verbrechen macht, Robbenbabys für Fellmäntel zu töten, war zwar zu hundert Prozent andockfähig an das Gedankenimperium der Flowerpower-Bewegung. Doch wer annimmt, die Frau mit dem verführerischen Augenaufschlag hätte das in die Arme der linken Szene getrieben, kennt sie schlecht. In der #Metoo-Debatte kamen von ihr Töne, die in den Ohren der linken Jakobiner ziemlich schrill geklungen haben dürften. Mehrfach wurden ihr Rassismus, „Homophobie“ und Islamfeindlichkeit vorgeworfen.
Die Sexualisierung der Gesellschaft durch Pornokraten und Geschlechtsrevisionisten war ihr zuwider. 5.000 Euro Strafe wurden der eigenwilligen Künstlerin für Aussagen in ihrem kulturkritischen Buch „Ein Schrei in der Stille“ aufgebrummt. Sogar von einer Gefängnisstrafe war im Vorfeld der Veröffentlichung im Jahre 2004 die Rede. In dem Verkaufsschlager hatte sie ihrer Sorge über die Infiltrierung Frankreichs durch mohammedanische Extremisten Ausdruck verliehen. Die FAZ urteilte: „Wer etwas über die Wählerschicht erfahren will, die vor zwei Jahren mit fast 18 Prozent für Le Pens ‘Front National’ stimmte, wird in diesem Buch wertvolle Aufschlüsse finden.“ Lange Zeit hielt sie zu Frankreichs Rechtsaußen Éric Zemmour – bis der sich vom Tierschutz distanzierte, eine rote Linie für sie.
Zuletzt deutlich vernehmbar zu Wort gemeldet hatte sich die Unverwüstliche am 19. August 2024 aus Anlaß des Todes von Alain Delon, mit dem gemeinsam sie unter der Regie von Louis Malle für den Episodenfilm „Außergewöhnliche Geschichten“ (1968) vor der Kamera gestanden hatte. Sein Tod hinterlasse „einen Abgrund der Leere, die nichts und niemand wird füllen können“, ließ sie die Welt wissen. Das trifft nun auf sie selbst zu. In ihrem verstorbenen Kollegen, der sich nicht verbiegen lassen wollte, schon gar nicht von einer politischen Bestimmer-Klasse, sah sie sicher so etwas wie einen Bruder im Geiste. Eine Reihe von Selbstmordversuchen überschattete ihre Filmkarriere und die als Tierrechtsaktivisten, die sich an sie anschloß. Im Alter von 91 Jahren ist die Jahrhundertlegende nun von der Erdenbühne abgetreten. Im Filmolymp bleibt sie unsterblich.


