Alle Jahre wieder, könnte man sagen. Kurz vor dem Jahreswechsel flammt die Diskussion über ein Böllerverbot für private Feuerwerke wieder auf. Die Forderungen nach einem Verbot der Silvesterknallerei wurden schon bei der zurückliegenden Innenministerkonferenz wieder laut. Dies auch vor dem Hintergrund der Vorfälle im vergangenen Jahr, als es zu schweren Unfällen und Angriffen auf Einsatzkräfte kam. Befürworter eines Verbots verweisen auf die erschreckende Bilanz. Fünf Menschen kamen deutschlandweit durch Feuerwerkskörper ums Leben, Hunderte wurden teils schwer verletzt, darunter Kinder. Polizei und Feuerwehr warnen, ohne schärfere Regeln drohe erneut eine chaotische Silvesternacht mit zahllosen Einsätzen. Doch ein bundesweites Böllerverbot ist nicht in Sicht.
Bislang gibt es keine allgemeine Einschränkung für privates Silvesterfeuerwerk. Auf der Innenministerkonferenz Anfang Dezember konnten sich Bund und Länder nicht darauf einigen. Zwar übergab die Gewerkschaft der Polizei (GdP) den Ministern eine von 2,2 Millionen Bürgern unterzeichnete Petition für ein „bundesweites Böllerverbot, jetzt!“. Bremens inzwischen ausgeschiedener Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) und seine Berliner Amtskollegin Iris Spranger (SPD) drängen seit langem auf ein Ende des privaten Feuerwerks – oder zumindest darauf, den Ländern und Kommunen mehr Befugnisse für Verbote einzuräumen.
Doch mehrere Bundesländer blieben skeptisch, so daß kein einstimmiger Beschluß zustande kam. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) kündigte auch keine Änderung des Sprengstoffrechts an, die kommunale Verbotszonen erleichtern würde. Damit gilt weiterhin die bisherige Rechtslage: Privates Silvesterfeuerwerk der Kategorie F2 ist in Deutschland grundsätzlich erlaubt – allerdings nur am 31. Dezember und 1. Januar. An allen anderen Tagen ist das Abbrennen untersagt. Örtliche Verbote können Behörden bislang nur in engen Grenzen aussprechen, etwa bei akuter Brandgefahr in dicht bebauten Altstädten.
In Berlin darf an Silvester erst ab 18 Uhr geböllert werden
Für ein flächendeckendes Verbot fehlt derzeit die Rechtsgrundlage. Das soll sich nach dem Willen mancher Politiker ändern: Im Bundestag fordert die Linksfraktion, die Sprengstoff-Verordnung so anzupassen, daß Städte und Gemeinden auch zum Jahreswechsel privates Feuerwerk untersagen können. Längerfristig steht sogar ein vollständiges Verbot für Privatleute im Raum, falls die Probleme weiter eskalieren.
Mangels Bundesvorgaben wollten einige Regionen eigene Regeln aufstellen. Doch so einfach ist das nicht. Auf der Nordsee-Insel Sylt ist privates Feuerwerk aus Brandschutzgründen wegen der zahlreichen Reetdach-Häuser seit den achtziger Jahren verboten. Nun wollten die benachtbarten Inseln Föhr und Amrum nachziehen. Doch deren Feuerwerksverbot wurde vom Oberverwaltungsgericht in Schleswig vorerst aufgehoben.
In Großstädten setzen die Behörden eher auf Teilverbote: In Berlin dürfen Böller am 31. Dezember per Bezirksverfügung erst ab 18 Uhr gezündet werden – ein Versuch, das Dauergeknalle am Tag einzudämmen. Hamburg untersagt aus Sicherheitsgründen erneut Feuerwerk rund um die Binnenalster. Ein landesweites Verbot bleibt die Ausnahme: Niedersachsens Landesregierung etwa erklärte, sie plane kein generelles Böllerverbot und überlasse mögliche Einschränkungen den Kommunen. Die Erfahrung zeigt allerdings, daß die tagelange Knallerei – vor und nach dem 31. Dezember – kaum unterbunden wird.
Kritiker warnen vor Ausweichen auf „Polenböller“
Befürworter eines Böller-Stopps verweisen neben dem Schutz von Polizei und Rettungskräften auch auf Umwelt und Tiere. Eine Allianz aus Umwelt-, Tier- und Ärzteverbänden – darunter die Deutsche Umwelthilfe und die GdP – spricht von einer vermeidbaren „Horrornacht“ durch Pyrotechnik und fordert ein sofortiges Verkaufs- und Abbrennverbot für private Knallerei. In den Pandemiejahren 2020 und 2021, als der Verkauf von Böllern untersagt war, gingen Verletzungen, Brände und Angriffe auf Einsatzkräfte deutlich zurück – für die Aktivisten ein Beleg, wie sehr ein Knallerverzicht entlastet.
Gegner eines Verbots betonen hingegen die Bedeutung von Tradition und Freiheitsrechten. Für viele gehört das Feuerwerk zum Jahreswechsel dazu – als emotionaler Moment und Brauchtum. Ein Verbot würde aus ihrer Sicht die große Mehrheit vernünftiger Bürger bestrafen und eine ganze Branche mit Tausenden Arbeitsplätzen vernichten. Die Pyrotechnikindustrie verweist darauf, wie beliebt privates Feuerwerk trotz aller Kritik ist: Zum letzten Jahreswechsel setzten die Deutschen rund 197 Millionen Euro für Feuerwerksartikel um – soviel wie nie zuvor.
Kritiker eines Böllerverbots warnen zudem vor unerwünschten Folgen: Wenn legales Feuerwerk verboten wird, könnten viele auf gefährliche illegale „Polenböller“ ausweichen. Das würde die Probleme für Kliniken und Rettungskräfte eher verschärfen. Außerdem sei fraglich, ob ein flächendeckendes Verbot sich konsequent durchsetzen ließe. Wie gesagt: Das Abbrennen an den Tagen um Silvester wird seit Jahren kaum geahndet. Die Böller-Frage bleibt damit vorerst ungelöst, die Fronten sind verhärtet. Je nach Verlauf der Silvesternacht dürfte die Debatte erneut aufflammen. Wie alle Jahre wieder.





