BERLIN. Die Bundesregierung hat am Mittwoch eine Reform des Bürgergelds beschlossen. Das Kabinett billigte einen Gesetzentwurf von Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD), der die bisherige Leistung umbaut. Vorgesehen ist eine Umbenennung in „Neue Grundsicherung“, die Geldleistung selbst soll künftig „Grundsicherungsgeld“ heißen.
Ziel der Reform ist es, Leistungsbezieher stärker zur Aufnahme einer Arbeit zu bewegen. Der Gesetzentwurf sieht vor, den Vorrang der Vermittlung in Beschäftigung gegenüber Weiterbildungsmaßnahmen gesetzlich festzuschreiben. Zugleich sollen Pflichtverletzungen härter sanktioniert werden.
Kernpunkt sind verschärfte Kürzungsregelungen. Wer eine als zumutbar eingestufte Arbeit ablehnt, durch die die Hilfsbedürftigkeit beendet werden könnte, muß künftig für bis zu zwei Monate auf die vollständige Geldleistung verzichten. Bei anderen Pflichtverstößen ist eine sofortige Kürzung um 30 Prozent für drei Monate vorgesehen. Auch wiederholte Terminversäumnisse beim Jobcenter sollen strengere Folgen haben. In solchen Fällen kann der Leistungsanspruch vollständig entfallen, einschließlich der Übernahme von Miet- und Heizkosten.
Mehrheit der Bürgergeldempfänger sind Ausländer
Nennenswerte Einsparungen erwartet das Bundesarbeitsministerium durch die Reform jedoch nicht. Finanzielle Entlastungen ergäben sich nicht aus Sanktionen, sondern aus einer stärkeren Integration in den Arbeitsmarkt und einer sinkenden Zahl von Leistungsberechtigten, hieß es aus dem Haus. Zuvor hatte die Union Erwartungen geweckt, die Reform könne Einsparungen in Milliardenhöhe ermöglichen.
Nach dem Willen der Bundesregierung soll das Gesetz nach Zustimmung des Bundestages zum 1. Juli des kommenden Jahres in Kraft treten. Ob dieser Termin zu halten ist, gilt als offen. Die Bundesagentur für Arbeit verwies auf einen erheblichen zeitlichen Vorlauf für die technische Umsetzung der Änderungen.
Im Vergleich zum Referentenentwurf (JF berichtete) aus dem Haus von Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) ist der Gesetzentwurf teils nachgeschärft worden. Sanktionen greifen schneller, Meldeversäumnisse führen einfacher zum vollständigen Leistungsentzug, der Ermessensspielraum der Jobcenter wurde eingeengt, und der Vorrang der unmittelbaren Arbeitsvermittlung ist enger gefaßt.
Derzeit beziehen rund 5,2 Millionen Menschen Bürgergeld. Darunter sind knapp 1,4 Millionen Kinder unter 15 Jahren. Für die monatlichen Geldleistungen von bis zu 563 Euro sowie für Unterkunft, Heizung, Fördermaßnahmen und Verwaltung gibt der Bund jährlich mehr als 50 Milliarden Euro aus. 47,6 Prozent der Bürgergeldempfänger besitzen keine deutsche Staatsangehörigkeit (JF berichtete).
Neue Regeln zur privaten Altersvorsorge
Daneben hat die Bundesregierung weitere Reformvorhaben beschlossen. Das Kabinett billigte Eckpunkte für Änderungen bei der privaten Altersvorsorge. Geplant ist unter anderem die Einführung einer sogenannten Frühstartrente, mit der Kinder an eine kapitalgedeckte Vorsorge herangeführt werden sollen. Auch für Vorsorgeprodukte von Erwachsenen sind Anpassungen vorgesehen.
Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums soll die private Altersvorsorge insgesamt wiederbelebt werden. Bestehende Riester-Verträge sollen nicht ersatzlos entfallen. Inhaber älterer Verträge können diese weiterführen oder in das neue System wechseln. Mit den Vorhaben befassen sich nun Bundestag und Bundesrat.
Schwarz-Rot beschließt Abbau von Umweltauflagen
Die Bundesregierung treibt zugleich eine Beschleunigung von Infrastrukturprojekten voran und lockert dafür Umweltauflagen. Nach einem Kabinettsbeschluß sollen zentrale Vorhaben im Verkehrsbereich künftig bevorzugt behandelt werden. Schienen-, Straßen- und Wasserbauprojekte erhalten den Rang eines „überragenden öffentlichen Interesses“ und sollen sich bei Abwägungsentscheidungen regelmäßig durchsetzen.
Darüber hinaus werden die Vorgaben zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft geändert. Projektträger sollen Ausgleichspflichten künftig auch durch Zahlungen erfüllen können, statt zwingend konkrete Ersatzmaßnahmen umzusetzen. Zudem plant die Regierung, Genehmigungsverfahren durch den Abbau von Umweltprüfungen zu verkürzen. Bei der Elektrifizierung kürzerer Bahnstrecken entfällt die Umweltverträglichkeitsprüfung vollständig, weitere Prüfungen im Verkehrs- und Energiebereich sollen gestrichen werden. Das Vorhaben liegt nun beim Parlament und bedarf der Zustimmung des Bundesrats. (sv)







