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Nachruf auf einen Unbequemen: Martin Lohmann: Ritter mit Rückgrat

Nachruf auf einen Unbequemen: Martin Lohmann: Ritter mit Rückgrat

Nachruf auf einen Unbequemen: Martin Lohmann: Ritter mit Rückgrat

Das Vorstandsmitglied Martin Lohmann spricht während der Pressekonferenz zur Parteigründung der "Werteunion" auf dem Ausflugsschiff Godesia.
Das Vorstandsmitglied Martin Lohmann spricht während der Pressekonferenz zur Parteigründung der "Werteunion" auf dem Ausflugsschiff Godesia.
Martin Lohmann: Ließ sich nicht verbiegen. Foto: picture alliance/dpa | Thomas Banneyer
Nachruf auf einen Unbequemen
 

Martin Lohmann: Ritter mit Rückgrat

Unbequem, standhaft, oft allein: Martin Lohmann provozierte Medien und Publikum gleichermaßen – als Christ, der dort sprach, wo andere schwiegen. Er war Ritter wider den Zeitgeist.
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Martin Lohmann ging in die Höhle des Löwen. Nicht einmal, nicht zweimal, sondern dreimal – und das kurz hintereinander. Den Auftakt bildete „Hart aber fair“ bei Frank Plasberg. Es war der Dezember 2012. Lohmann, christlicher Publizist und Chefredakteur des Senders K-TV, sprach sich gegen die gleichgeschlechtliche Ehe aus. Gegen das Adoptionsrecht für schwule oder lesbische Paare. Er verteidigte die christliche Ehe von Mann und Frau. Das Publikum war empört: im Studio und im Internet. Den Familienvater aus Bonn erreichten giftige E-Mails. Jemand drohte, ihn per Nadel mit HIV anzustecken.

Auf Plasberg folgten Günther Jauch und Markus Lanz. Jauch konfrontierte ihn mit der Weigerung katholischer Krankenhäuser, die „Pille danach“ zu verschreiben – selbst bei Vergewaltigung. Lohmann bestand auf das Lebensrecht des ungeborenen Kindes. Jauch wird persönlich: Ob er denn auch so entscheiden würde, wenn seine eigene Tochter betroffen wäre? Lohmann blieb trotz Affront gelassen. Daß man nicht töten dürfe, so der studierte Historiker und Theologe, das gelte immer.

Nicht nur von linken Medien hagelte es Kritik. Die Welt witterte die „Selbstvermarktung“ Lohmanns und seines kleinen katholischen Senders. Als der „Musterkatholik“ anschließend bei Lanz auftat, war er bereits als streitbarer Gast bekannt – einer, der kurz darauf seine Dozentenstelle an der Macromedia-Hochschule wegen seiner allzu politisch inkorrekten Sichtweisen verlor.

Ritter wider den Zeitgeist

„Streitbar“ ist die noblere Form des berüchtigten Buzzwords „umstritten“. Streitbar bedeutet aber auch: ständig zum Kampf gerüstet sein. Das paßt. Lohmann, der am 24. November im Alter von 68 Jahren verstarb, war ein Ritter. Nicht nur in der Auseinandersetzung, wenn er den geraden Weg ging. Als Ritter des Ordens vom Heiligen Grab engagierte er sich für Sozialprojekte im Heiligen Land.

Ritterlich war Lohmann immer dann, wenn der deutsche Klerus kuschte. Die Auftritte bei Plasberg, Jauch und Lanz werfen auch heute ein bezeichnendes Licht auf diejenigen, die dort nicht saßen. Während sich die Bischöfe gern äußern, wenn sie im warmen Strom des Zeitgeists mitschwimmen können, meiden sie das kalte Wasser, sobald die unbequemen Seiten der christlichen Lehre zur Sprache kommen.

In diesen Momenten stürzte sich Lohmann ins Gefecht. Er war der Repräsentant jener katholischen Laien, die sprachen, wenn die Hirten schwiegen. Lohmann mußte wissen, daß er in Formaten als Einzelstimme und „Erzkatholik“ allein gegen Moderator, Gäste und Publikum stand. Gemäß Athanasius scherte Lohmann nicht, was die Welt sagte, wenn es darum ging, die Wahrheit zu verteidigen. Die Wahrheit, das war für Lohmann: Jesus Christus.

Prägung durch Ratzinger

An der Stelle war er ganz Schüler Joseph Ratzingers, der an der Universität Bonn lehrte und als „bester Freund der besten Freunde“ seiner Eltern mit den Lohmanns bekannt war. Nach dem Konklave 2005 nannte er ihn „Vater Benedikt“. Im Gespräch mit dem deutschen Papst entschuldigte er sich, ihn nicht mit seinem richtigen Titel als „Heiliger Vater“ anzusprechen. Ratzinger entgegnete: „Nein, nein, Sie müssen mich Vater Benedikt nennen, denn schließlich habe ich Sie ja auch wie ein Vater geprägt.“ Noch kurz vor seinem Tod bat der emeritierte Pontifex ihn zu einem letzten Treffen.

Joseph Ratzinger und Martin Lohmann: In den Jahren des deutschen Pontifikats feierten zahlreiche Katholiken „ihren“ Benedikt. Die Medienwelt – mit angriffsbereiter Feindseligkeit bewaffnet – fremdelte dagegen mit dem Bayern auf dem Petrus-Thron. Lohmann bildete als katholischer Publizist jene Katholiken ab, die sich nicht an der progressiven Zweigstelle – die ausgerechnet in seiner rheinischen Heimat besonders stark war – orientierten, sondern traditionell Richtung Rom blickten.

Das änderte sich auch nicht unter Papst Franziskus, der trotz seines als „liberal“ wahrgenommenen Kurses in der Lebensrechtsfrage ein Hardliner war – und deutlich ruppigere Worte bevorzugte als sein feinsinniger deutscher Vorgänger. Abtreibung nannte der argentinische Pontifex einen „Auftragsmord“. In diesem Sinne war Lohmann nicht radikal oder polemisch, wie ihm seine Gegner vorwarfen. Er stand lediglich mit beiden Füßen auf der christlichen Lehre. Die war den meisten Menschen schlicht unerträglich geworden.

Kompromißlos für den Lebensschutz

Unzweifelhaft liegen Lohmanns bedeutendste Verdienste im Bereich des Lebensschutzes. Das galt nicht nur für das ungeborene Leben, sondern auch für die Alten und Schwachen. Ebenbild Gottes zu sein, das bedeutete, die Würde des Einzelnen zu schützen. Als Bundesvorsitzender des Bundesverbands Lebensrecht (bis 2017) war er maßgeblicher Organisator beim „Marsch für das Leben“. Lohmann warnte vor „Regenbogenfamilien“ und begründete dies mit dem Recht des Kindes auf Vater und Mutter. Für die LGBT-Bewegung war er bis zuletzt ein „queerfeindlicher Aktivist“ und damit Feindbild.

Es wäre jedoch verkürzt, Lohmann nur auf seine Rolle als Lebensschützer zu beschränken. Als stellvertretender Chefredakteur beim Rheinischen Merkur, Chefredakteur der Rhein-Zeitung, Kolumnist der Bild-Zeitung und Moderator der Münchener Runde im Bayerischen Rundfunk gehörte er in den 2000er und frühen 2010er Jahren zu den prominentesten Gesichtern der katholischen Presselandschaft. Auch für die JUNGE FREIHEIT griff er immer wieder zur Feder. Er war zudem stellvertretender Geschäftsführer des Bundes Katholischer Unternehmer und Verlagsleiter des Bachem Verlages in Köln.

Freunde sagten dem Rheinländer ein fröhliches und umgängliches Naturell nach – und daß er mehr hätte erreichen können, hätte er sich auf Kompromisse eingelassen. Seit 1972 CDU-Mitglied, bereitete ihm der „Linkstrend“ innerhalb der Union seit der Kanzlerschaft Angela Merkels Sorgen. 2009 gründete er den Arbeitskreis Engagierter Katholiken in der CDU (AEK), konnte aber als dessen Sprecher kaum Einfluß gewinnen. Frustriert verließ er die Partei vier Jahre später. So gut wie alle Kernpunkte, die das „C“ der CDU ausmachten, habe die Führung vernachlässigt oder ausgehöhlt, sagte er bei seinem Austritt.

Einer der letzten seiner Art

2024 versuchte Lohmann einen zweiten Anlauf in der Politik als Sprecher der Werteunion. Nach weniger als zwei Monaten gab er seinen Posten auf. Später folgte auch der Parteiaustritt.

Mit Lohmann verlieren die katholische Publizistik und die christliche Lebensschutzbewegung nicht nur einen ihrer profiliertesten Männer. Als Bonner und ehemaliges CDU-Mitglied identifizierte sich Lohmann auch als Teil eines konservativ-katholisch-rheinischen Milieus, wie es einst die frühe Bundesrepublik geprägt hatte. Die Art und Weise, mit der die Berliner Republik mit dem Bonner Fossil fremdelte, steht symbolisch für die Entfernung der real existierenden Union von ihren Wurzeln und der christlichen Entkernung der Bundesrepublik. Auch in diesem Sinne war Lohmann einer der letzten Ritter mit Rückgrat.

Martin Lohmann: Ließ sich nicht verbiegen. Foto: picture alliance/dpa | Thomas Banneyer
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