Daß es immer erst schlimmer werden muß, bevor es besser wird, ist ebenso offensichtlich wie fatal. Man fragt sich, womit sich die Strategen der deutschen Außen- und Wirtschaftspolitik all die Jahre eigentlich beschäftigt haben. Von den Vorständen der deutschen Exportwirtschaft ganz zu schweigen. Die Auswirkungen der jüngsten Handelskonflikte mit China zeichnen jedenfalls ein Bild gottverlorener Sorglosigkeit und sträflicher Unterlassungen.
Dabei hatten die Störungen der internationalen Lieferketten infolge der Corona-Krise doch veranschaulicht, auf welch fragilem Geflecht internationaler Handelsbeziehungen unser Wohlstand beruht. Das Wort vom „Derisking“ machte die Runde, der Ruf nach Risikominderung durch die Reduzierung von Abhängigkeiten in internationalen Wirtschaftsbeziehungen – und war schnell wieder aus den Schlagzeilen verschwunden.
Nun offenbart die Absage des China-Besuchs von Außenminister Johann Wadephul (CDU), daß wir mit einer Lieferkettenkrise als Dauerzustand rechnen müssen. Wadephul hatte die Reise „verschoben“, weil Peking mit einer Erpressung drohte: Es würden kurz- und mittelfristig keine weiteren unersetzlichen Rohstoffe geliefert, wenn deutsche Firmen keine Technologien preisgeben.
Wadephul muß aus deutschen Träumereien erwachen
Angesichts der Abhängigkeit unserer Auto-, Halbleiter- und Verteidigungsindustrie von chinesischen Rohstofflieferungen ist diese Bedrohung nicht hoch genug einzuschätzen. Es rächt sich bitter, daß sich auch die deutsche Handelspolitik über Jahrzehnte in Abhängigkeit vom asiatischen Monopollieferanten begeben hat. Die Versäumnisse reichen weit zurück. Die Wahnvorstellungen einer „feministischen“ und „postkolonialen“ Außenpolitik der jüngeren Vergangenheit waren da nur der Höhepunkt jahrzehntelanger Verleugnung deutscher Interessenslagen.
Die Stoßrichtung der chinesischen Politik ist dabei offensichtlich. Peking ist nicht allein an wirtschaftlicher Vorherrschaft interessiert. Vielmehr will es die Wiederaufrüstung des von den USA geführten Bündnissystems verhindern, in dem Europa als fußkrankes Anhängsel gelesen wird. Damit es ungestört weiterhin seinen imperialen Ambitionen nachgehen kann.
Für Europa kann das nur heißen, mit seinen vereinten wirtschaftlichen und militärischen Kräften dagegenzuhalten. Das chinesische Erfolgsmodell benötigt hohe Wachstumsraten, für die der europäische Markt unverzichtbar ist. Es wird höchste Zeit, daß sich auch die deutsche Außenpolitik endgültig von den Träumereien eines „Werteexports“ verabschiedet und wieder lernt, Hardball zu spielen.





