Januar
1. Januar: In ihrer Neujahrsansprache fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Deutschen auf, nicht an den Demonstrationen der Pegida-Bewegung gegen moslemische Massenmigration teilzunehmen. „Zu oft sind Vorurteile, ist Kälte, ja, sogar Haß in deren Herzen“, warnt sie. Mehr als 20.000 trotzen Merkels Aufruf und versammeln sich dennoch in Dresden.
12. Januar: In Dresden ermordet ein Unbekannter den eritreischen Asylbewerber Khaled Idris Bahray. Zuvor demonstrierten die Ortsbewohner und Pegida seit Wochen gegen das Asylheim im Sebnitz, wo das Opfer untergebracht wurde. Prompt folgen Gerüchte über einen ausländerfeindlichen Hintergrund sowie Mahnwachen „gegen rechts“. Wenige Tage später stellt sich heraus: Der Täter war Bahrays Landsmann. Im November wird er zu fünf Jahren Haft verurteilt. (JF berichtete)

14. Januar: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gibt die Asylzahlen für das Jahr 2014 bekannt. 204.000 Personen stellten demnach Anträge, knapp 60 Prozent mehr als im Vorjahr. „Die stetig steigenden Asylzahlen stellen uns vor enorme Herausforderungen, die nur durch ein gesamtgesellschaftliches Zusammenwirken zu bewältigen sind“, mahnt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU).
Februar
3. Februar: In einem internen Schreiben an das Auswärtige Amt warnt die deutsche Botschaft in Kosovo vor einem „Massenexodus“ nach Deutschland. Dieser könne nur durch „strenge Maßnahmen“ gestoppt werden. Allein aus der Hauptstadt Pristina nähmen täglich 500 Personen mit Bussen nach Serbien. Zu dem Zeitpunkt kommt mehr als ein Drittel der Asylanträge von den Bürgern der Westbalkanstaaten wie Serbien, Kosovo und Albanien.
11. Februar: Die Bilder einer Bootskatastrophe vor der italienischen Insel Lampedusa gehen um die Welt. Dabei kommen mindestens 300 Migranten ums Leben. Die italienischen Geheimdienste warnen, daß rund die Hälfte der 500.000 in Libyen befindlichen Asylmigranten bereit sei, nach Europa zu gelangen.
19. Februar: Das Bamf veröffentlicht die erste Prognose der Asylzahlen für das Jahr 2015. Das Amt rechnet mit bis zu 300.000 Asylanträgen, davon allein 250.000 Erstanträgen. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) warnt vor einer „extremen Herausforderung“ und mahnt schnellere Verfahren an.
März
9. März: Griechenlands Verteidigungsminister Panos Kammenos droht Deutschland angesichts des Streits um die Bankenrettung mit einer Asylbewerberwelle. Auch warnt er, daß darunter die Anhänger des Islamischen Staates (IS) sein könnten. Zu diesem Zeitpunkt beherrscht die Terrormiliz weite Teile Syriens und des Irak. Allein im Januar und Februar erreichten 120.000 Migranten die griechische Küste.

22. März: Die Bundesländer schlagen Alarm wegen steigender Asylzahlen. Die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen, Hessen, Schleswig-Holstein und Brandenburg fordern vom Bamf, die Asylzahlenprognose für das laufende Jahr zu erhöhen. „Wenn wir unsere Zahlen hochrechnen, müssen wir 2015 in Deutschland mit 500.000 bis 550.000 neuen Asylbewerbern rechnen“, warnt Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt (SPD).
April
4. April: In Tröglitz in Sachsen-Anhalt verüben Unbekannte einen Brandanschlag auf die geplante Asylunterkunft, in der sich zwei Menschen befinden. Wochen zuvor hatten hunderte Bürger gegen die Errichtung protestiert, woraufhin Bürgermeister Markus Nierth zurücktrat. Nach der Tat fordert er die Bewohner auf, „leerstehenden Wohnraum Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen, damit die Braunen nicht über unseren Ort siegen“. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) ruft die Deutschen dazu auf, sich gemeinsam gegen „rechte Hetze“ zu stellen (JF berichtete).

23. April: Bei einem Sondergipfel beschließt die EU, den Grenzschutzeinsatz im Mittelmeer zu intensivieren. Die Mittel dafür werden von 2,9 Millionen Euro pro Monat auf neun Millionen Euro erhöht, zudem sollen mehr Kriegsschiffe eingesetzt werden. Wenige Tage davor starben 950 Migranten auf dem Weg nach Lampedusa. Bundeskanzlerin Merkel mahnt, die Rettung von Menschenleben sei das wichtigste Ziel der europäischen Asylpolitik. „Wir haben in diesem Bereich noch sehr viel zu tun.“
Mai
7. Mai: In einem Gastbeitrag für die Schwäbische Zeitung ruft der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, zur Aufnahme von Asylbewerbern auf. „Deutschland hat so viel Unheil über die Welt gebracht. Es steht bei so vielen Ländern tief in der Schuld – wir sind das letzte Land, das es sich leisten kann, Flüchtlinge und Verfolgte abzulehnen“, schreibt er.
Zwar hätten die Anschläge in Paris und Kopenhagen Sorgen um den „mörderischen Islamismus“ in den Gemeinden ausgelöst. Allerdings leisteten die Sicherheitsbehörden nach seinem Eindruck „alles, was notwendig ist“.
Am selben Tag korrigiert die Bundesregierung die bisherige Asylprognose nach oben. Statt 300.000 geht sie nun von 450.000 Antragstellern aus. Das Innenministerium nennt dabei den hohen Zustrom aus den Balkanstaaten und dem Mittelmeer als Gründe, aber auch „Anreizfaktoren“ wie die „vergleichsweise hohen Sozialleistungen“.
15. Mai: Die Lage entlang der Balkanroute verschärft sich. Die Bundespolizei vermeldet 2.000 illegale Grenzübertritte zwischen Österreich und Bayern an einem einzigen Tag, so viele wie nie zuvor. Unterdessen registriert Ungarn 33.000 Asylgesuche allein im ersten Quartal, fast so viele wie im ganzen Jahr 2014.
Juni
13. Juni: Frankreich setzt Teile des Schengen-Abkommens vorübergehend außer Kraft und schließt die Grenze zu Italien. Grund dafür ist die steigende Zahl afrikanischer Migranten, die ins Land wollen.
17. Juni: Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán und sein Außenminister Péter Szijjártó kündigen den Bau eines Grenzzauns zu Serbien an. Zu dem Zeitpunkt erreichten bereits 54.000 Asylsuchende Ungarn. „Die Regierung ist dazu entschlossen, Ungarn und die ungarischen Menschen vor dem Einwanderungsdruck zu schützen“, erklärt der Diplomat. Wenige Tage später verkündet Ungarn, keine Migranten mehr zurückzunehmen, die über das Land in die EU gelangt sind.
18. Juni: Bund und Länder einigen sich auf einen „Aktionsplan“ gegen die steigende Zahl der Asylbewerber. Die Verfahren sollen beschleunigt werden, die Soforthilfe für die unterbringenden Bundesländer wird auf eine Milliarde Euro verdoppelt. Auch solle geprüft werden, ob die Krankenkassen für die ärztliche Behandlung der Migranten zahlen müssen.
22. Juni: Massive Anwohnerproteste begleiten die Ankunft von 100 Asylbewerbern in Freital. Binnen weniger Wochen eskaliert die Lage, eine Gruppierung verübt Sprengstoffanschläge auf mehrere Asylunterkünfte in Sachsen. Innenminister Ulbig räumt unterdessen auf eine Kleine Anfrage der AfD im Landtag ein, fast 500 Asylsuchende im Freistaat seien Intensivtäter (JF berichtete).
26. Juni: Beim EU-Gipfel einigen sich die Staats- und Regierungschefs nach langen Verhandlungen auf die Verteilung von 60.000 Asylsuchenden und den sogenannten „Resettlement-Flüchtlingen“ auf das EU-Gebiet.
Juli
8. Juli: Erstmals vermeldet die Bundespolizei mehr als 1.000 Asylsuchende an einem einzelnen Tag an der Grenze. Auch teilt sie mit, die Zahl illegaler Einreisen sei mit 59.000 schon jetzt höher als im gesamten Vorjahr (damals waren es 57.000). Die Gewerkschaft der Polizei warnt vor Überlastung an der deutsch-österreichischen Grenze.
10. Juli: Der Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, Stephan Kersten, warnt vor einem Verfahrensstau durch die wachsende Zahl von Klagen abgelehnter Asylbewerber. Um sie zu bearbeiten, fehlten allein im Freistaat 50 Verwaltungsrichter. Bislang klage rund jeder zweite abgelehnte Asylbewerber gegen dessen Entscheidung.
15. Juli: Bei einem Bürgerdialog in Rostock trifft sich Bundeskanzlerin Merkel mit der 15jährigen Palästinenserin Reem Sahwil. Als die Minderjährige zu weinen beginnt, erklärt die CDU-Politikerin: „Politik ist manchmal hart. Es werden manche wieder zurückgehen müssen.“
Im Juni 2015 erweichte das libanesische Flüchtlingsmädchen Reem Sahil das Herz von Mutti #Merkel. Ein paar Wochen später fiel dann zum ersten Mal der Satz „Wir schaffen das.“
2022 erhielt „Merkels Mädchen“ den deutschen Pass. Mittlerweile wirbt sie für die Auslöschung Israels. pic.twitter.com/jxshvbW9Cc
— J. Wegener (@WegenerBD) November 6, 2023
Zehn Jahre später ist Sahwil deutsche Staatsbürgerin – und sorgt mit antisemitischen Posts zum Nahostkrieg in den sozialen Medien für Kontroversen.
18. Juli: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fordert, mehr Asylbewerber in den neuen Bundesländern unterzubringen: „Wir können nicht nur nach dem Schlüssel operieren, sondern müssen auch schauen, wo tatsächlich Wohnraum vorhanden ist.“ Währenddessen blockiert seine Partei die Einstufung von Kosovo, Albanien und Montenegro als sichere Herkunftsstaaten.
31. Juli: Aufgrund massiver Unterbringungsprobleme in der neuen Erstaufnahmeeinrichtung ruft die Stadt München den Katastrophenfall aus. „Es kamen 755 Menschen innerhalb von 24 Stunden, so viel waren es noch nie“, sagte eine Pressesprecherin der Regierung von Oberbayern dem Münchner Merkur. Die Einrichtung sei damit an ihre Grenzen gestoßen. Zugleich betont Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), nicht die Ankommenden seien „die Katastrophe“.
Zur gleichen Zeit starten Politiker und Prominente zusammen mit der Huffington Post die Aktion „Liebe Flüchtlinge“ und plädieren für die Aufnahme von Asylbewerbern. „Es ist gut, daß ihr hier seid, denn wir wollen euch Schutz vor Krieg, Not und Verfolgung geben. Und auch eine neue Heimat“, schreibt etwa der SPD-Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

Weitere Unterzeichner sind Ex-EKD-Ratschefin Margot Käßmann, der Ökonom Marcel Fratzscher sowie die CDU-Vize und spätere Bundestagspräsidentin Julia Klöckner.
August
1. August: Bereits zu diesem Zeitpunkt übertreffen die Asylzahlen des Bamf jene des gesamten Jahres 2014. Allein im Juli stellen fast 80.000 Migranten einen Antrag auf Asyl, seit Januar sind es rund 260.000 Ersuche gewesen. Nur während der Jugoslawienkriege gab es mehr Anträge pro Jahr.
20. August: Aufgrund des Migrantenansturms verhängt Nordmazedonien den Ausnahmezustand und schließt die Grenze zu Griechenland.
25. August: Über den Kurznachrichtendienst Twitter (seit 2022 X) verkündet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, daß Deutschland das Dublin-Verfahren für Migranten aus Syrien aussetzt. Damit entfällt die Pflicht, sie ins erste Ankunftsland innerhalb der EU zurückzuschicken.
#Dublin-Verfahren syrischer Staatsangehöriger werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt von uns weitestgehend faktisch nicht weiter verfolgt.
— BAMF (@BAMF_Dialog) August 25, 2015
26. August: Nach den Ausschreitungen in Heidenau besuchen Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck die Stadt. Zuvor hatten die Bürger vor Ort gegen die Unterbringung der Asylbewerber in der sächsischen Kleinstadt protestiert. (JF berichtete) „Es gibt ein helles Deutschland, das hier sich leuchtend darstellt gegenüber dem Dunkeldeutschland, das wir empfinden, wenn wir von Attacken auf Asylbewerberunterkünfte oder gar fremdenfeindlichen Aktionen gegen Menschen hören“, erklärt das Staatsoberhaupt mit Blick auf die Ehrenamtlichen in der Asylhilfe.
28. August: Die Bild-Zeitung startet die Hilfsaktion „Wir Helfen“ und sammelt Spenden über ihre Stiftung „Ein Herz für Kinder“, um die Asylunterkünfte zu unterstützen. Im Aufruf heißt es wörtlich: „Wir wollen zeigen, daß Schreihälse und Fremdenhasser NICHT in unserem Namen grölen! Daß Deutschland ein Herz hat für Menschen, die Hilfe brauchen!“
Neben Gabriel und Klöckner unterstützen auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) (später Bundespräsident) und FDP-Chef Christian Lindner (später Bundesfinanzminister) die Aktion.
31. August: Während der Bundespressekonferenz erklärt Merkel die Asylkrise zur nationalen Aufgabe. „Deutschland ist ein starkes Land. Wir haben so vieles geschafft, wir schaffen das“, sagt sie und kündigt ein „umfassendes Paket“ zur Bewältigung der Einwandererströme für Ende September an.
Zwar gehörten für die Bundeskanzlerin Rückführungen und Einreisesperren dazu. Zugleich betont sie: „Alles spricht dafür, daß wir ein Land sind, in das man gerne einwandert.“
888 🇩🇪 Heute, vor genau zehn Jahren, am 31. August 2015, sagte Angela Merkel ihr berühmt gewordenen Satz:
Wir schaffen das
Doch was wir seitdem erleben, ist das Gegenteil.
Deutschland stürzt Jahr für Jahr tiefer ins Chaos, während die Politiker weiterhin ihre leeren… pic.twitter.com/b09GmKPSOm
— Daniel Gugger 888 (@daniel_gugger) August 31, 2025
Unterdessen verschärft sich die Lage entlang der Balkanroute zunehmend. Die ungarische Regierung gestattet kurzzeitig einigen hunderten Migranten, die über Serbien die EU erreicht hatten, die Weiterreise in Richtung Österreich. Dabei teilt ein Sprecher mit: „Um die intransparente und widersprüchliche Lage zu beenden, fordern wir Deutschland auf, die rechtliche Situation zu klären.“ Berlin trage Mitschuld an der Lage durch sein „nachgiebiges Verhalten“ gegenüber den „vermutlich aus Syrien kommenden“ illegalen Einwanderern.
Aufgrund der überfüllten Züge tut sich die Österreichische Bundesbahn schwer, einen sicheren Betrieb zu gewährleisten.
1. September bis 7. September
4. September/5. September: Merkel öffnet die Grenze. In dieser Nacht setzt die Bundesregierung sämtliche Dublin-Regelungen für Asylbewerber, die über Ungarn und Österreich einreisen, außer Kraft. Die Bedenken der obersten Sicherheitsbeamten, darunter des Bundespolizeichefs Dieter Romann und des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, werden dabei ignoriert.

Wien und Budapest lassen die Asylsuchenden daraufhin weiter nach Deutschland ziehen. Nach einem Telefonat mit Merkel stellt Ungarns Ministerpräsident Orbán den Flüchtlingen 104 Busse für 4.500 Migranten zur Verfügung. Zugleich betont ein Regierungssprecher, es sei eine „einmalige humanitäre Aktion“. Weitere Einwanderertransporte solle es nicht geben.
Dennoch kommen allein an diesem Wochenende mehr als 20.000 Einwanderer am Münchner Hauptbahnhof an. Einige gelangen zu Fuß nach Deutschland. Anschließend werden sie gemäß dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt. Bundesweit begrüßen Hunderte die Ankömmlinge und bejubeln ihre Ankunft mit lautem Applaus. Mit dabei sind auch prominente Politiker wie Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei.

Prompt spaltet die Grenzöffnung die schwarz-rote Koalition. Das CSU-Präsidium rügt die Entscheidung Merkels einstimmig, beim Koalitionsausschuß am Sonntagabend will die Partei die Aufnahmefähigkeit Deutschlands thematisieren. „Der massenhafte Zustrom von Flüchtlingen nur nach Deutschland muß gestoppt werden“, mahnt CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Inzwischen rechnet die Bundesregierung mit 800.000 Asylsuchenden im Jahr 2015.
6. September: Die AfD wirft der Regierung Merkel ein „politisches und administratives Versagen“ vor. „Es muß endlich ohne Scheuklappen über das Asylchaos gesprochen werden“, betont Parteichefin und Mitgründerin Frauke Petry während einer Pressekonferenz.
In einem Positionspapier fordert die AfD die „unverzügliche“ Wiedereinführung der Grenzkontrollen sowie die Zurückweisung einreisewilliger Asylbewerber aus sicheren Dritt- und Herkunftstaaaten. Künftig sollten Asylgesuche nur noch in den deutschen Botschaften oder internationalen Auffangzentren gestellt werden dürfen. Auch Grundgesetzänderungen regt die Partei an: „Das Recht, in Deutschland Asyl zu beantragen, ist aufzuheben.“
Zu diesem Zeitpunkt erreicht die Partei, die sich zwei Monate zuvor nach einem Machtkampf zwischen Petry und dem weiteren Mitgründer Bernd Lucke spaltete, drei Prozent in der Sonntagsfrage. Am selben Tag kündigt Pegida an, nach monatelangen Streitigkeiten und Organisationsproblemen wieder wöchentlich zu demonstrieren.
8. September bis 30. September
10. September: Bundeskanzlerin Merkel verteidigt ihre Asylpolitik während ihres Besuchs in einer Unterkunft in Berlin-Spandau. Sie betont, jene mit Bleibeberechtigung sollten „rasch“ integriert werden. Die Heimbewohner begrüßen die CDU-Politikerin mit Applaus, einige machen ein Bild mit ihr.
Einer davon, Anas Modamani, wird bei einem Selfie mit ihr fotografiert. Das Foto erlangt weltweite Berühmtheit. 2024 erhält der Mann den deutschen Paß. Zehn Jahre nach der Grenzöffnung arbeitet er für den Staatssender Deutsche Welle.

13. September: Bundesinnenminister de Maizière ordnet nach tagelangem Ansturm vorübergehende Grenzkontrollen zu Österreich an. Zugleich erläßt er eine mündliche Weisung an die Bundespolizei, wonach jene, die in Deutschland Asyl beantragen möchten, auch ohne vorhandene Dokumente eingelassen werden sollen. Ziel der Kontrollen sei es vor allem, Schleuser zu bekämpfen.
Erst 2025 macht de Maizières Nachfolger Alexander Dobrindt (CSU) die Regelung rückgängig.
14. September: Aufgrund der zunehmenden Zahl von Asylmigranten schließt Ungarn die Grenze zu Serbien. Wenige Tage später folgt Kroatien, da die Illegalen das Land als Ausweichroute nutzen.
17. September: Bamf-Präsident Manfred Schmidt tritt „aus persönlichen Gründen“ zurück. Intern soll er unter anderem auf personelle Aufstockung seines Amts gedrungen haben. Sein Nachfolger wird der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise.
22. September: Streit in der Union. Während einer Krisensitzung in der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag verteidigt Merkel ihre Asylpolitik: „Ist mir egal, ob ich schuld am Zustrom der Flüchtlinge bin. Jetzt sind sie halt da.“ Zuvor forderten einige Unionspolitiker, den Zuzug langfristig zu begrenzen. CSU-Chef Seehofer sagte, er würde die Entscheidung über die Grenzöffnung „so nicht“ treffen.
27. September: In einer Unterkunft in Kassel-Calden liefern sich hunderte Asylbewerber aus Syrien und Afghanistan eine Massenschlägerei während der Essensausgabe. Dabei werden acht Heimbewohner und drei Polizisten verletzt. Ähnliche Ausschreitungen gibt es auch in Hamburg sowie Suhl.
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Oktober
10. Oktober: Die Stimmung kippt. Laut einer Umfrage des ZDF-Politbarometers sind 51 Prozent der Befragten davon überzeugt, daß Deutschland den Asylsuchenden-Zustrom nicht mehr verkrafte. Zwei Wochen zuvor waren es 40 Prozent. Anfang des Jahres hatte sich dagegen jeder dritte Deutsche dafür ausgesprochen, alle Asylbewerber aufzunehmen.
Unterdessen rechnen deutsche Behörden mit einem deutlichen Anstieg der Asylsuchenden. Von Oktober bis Dezember würden demnach bis zu 920.000 Ausländer kommen.
16. Oktober: Die EU verkündet, daß sie sich zur Bewältigung der Asylkrise mit der Türkei auf einen gemeinsamen Plan verständigt habe. Demnach soll Ankara eine bessere Grenzsicherung garantieren, im Gegenzug will Brüssel den Visa-Liberalisierungsprozeß beschleunigen und drei Milliarden Euro zahlen.

19. Oktober: Am ersten Jahrestag der Pegida-Gründung gehen Zehntausende in Dresden auf die Straße, um gegen Merkels Migrationspolitik zu protestieren.
20. Oktober: Tagesschau-Chefredakteur Kai Gniffke räumt Verzerrungen bei der Berichterstattung über die Asylkrise ein. „Wenn Kameraleute Flüchtlinge filmen, suchen sie sich Familien mit kleinen Kindern und großen Kulleraugen aus.“ Tatsache sei jedoch, daß „80 Prozent der Flüchtlinge junge, kräftig gebaute, alleinstehende Männer sind“.
24. Oktober: Nach langen Verhandlungen tritt das sogenannte Asylpaket I in Kraft. Damit werden Kosovo, Albanien und Montenegro als sichere Herkunftsstaaten eingestuft. Zudem sollen Antragsteller in Erstaufnahmeeinrichtungen künftig mehr Sachleistungen statt Bargeld erhalten, damit Asylsuchende keine Anreize mehr erhalten, lediglich aufgrund der Sozialleistungen nach Deutschland zu kommen.
Entgegen der Parteilinie stimmten auch Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung dafür im Bundesrat, darunter Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.
November
4. November: CSU-Chef Seehofer bestellt beim ehemaligen Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio ein Gutachten zur Grenzöffnung. Demnach habe die Regierung Merkel die Pflicht des Bundes, die Grenze gemäß Artikel 20 vor ungesetzmäßiger Einreise zu schützen, verletzt. Eine Klage des bayerischen Ministerpräsidenten gegen die Bundesregierung hätte damit gute Aussichten auf Erfolg. Dazu kommt es aber nie.
13. November: Einer der schwersten islamistischen Terroranschläge erschüttert Europa. Im Pariser Konzerthaus Bataclan sowie umliegenden Bars und Restaurants töten IS-Anhänger 129 Menschen, darunter zwei Deutsche. Weitere 352 Menschen werden verletzt.

Später wird bekannt: Mindestens zwei Attentäter sind in Griechenland als Asylsuchende registriert worden und gelangten über die Balkanroute nach Frankreich. Unklar ist, ob sie über Deutschland nach Paris kamen, denn ihre Spur endet in Österreich. Jahre später wird auch ein bosnischer Waffenlieferant der Islamisten in Deutschland festgenommen.
16. November: Erstmals wird die AfD infolge der Asylkrise drittstärkste Kraft in einer bundesweiten Sonntagsfrage. Dem Institut Insa zufolge erreicht sie 10,5 Prozent.
20. November: Der Konflikt um Merkels Asylpolitik in der Union eskaliert. Auf dem CSU-Parteitag in München stellt sich die CDU-Bundeskanzlerin gegen die Forderung der bayerischen Schwesterpartei, eine Obergrenze einzuführen. Stattdessen plädiert sie dafür, eine „europäische Lösung“ zu finden und „Fluchtursachen“ zu bekämpfen.
Dezember
2. Dezember: Aus Protest gegen Massenmigration verläßt Sachsens Ex-Justizminister Steffen Heitmann die CDU. „Ich habe mich noch nie – nicht einmal in der DDR – so fremd in meinem Land gefühlt“, schreibt er in einem Brief an Merkel. Wochen zuvor trat auch der Thüringer Landtagsabgeordnete Jürgen Reinholz aus der Partei aus.
14. Dezember: Beim CDU-Bundesparteitag in Karlsruhe verteidigt Merkel ihre Politik erneut. „Die Flüchtlinge aus Ungarn reinzulassen, war ein humanitärer Imperativ“, erklärt sie. Auf die Rede folgen neun Minuten stehender Applaus für die Bundeskanzlerin.
31. Dezember/1. Januar: Das Jahr endet mit massenhaften sexuellen Übergriffen durch Asylbewerber aus dem arabischen und nordafrikanischen Raum in mehreren deutschen Großstädten. Allein vor dem Kölner Hauptbahnhof werden mehr als 500 Frauen Opfer von sexuellen Belästigungen und Vergewaltigungen.
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Insgesamt registrierte die Polizei mehr als 1.600 Straftaten. Von den hunderten Beschuldigten werden nur 33 rechtskräftig verurteilt. Über die Vorgänge berichten die überregionalen Medien erst Tage später. Die Gewerkschaft der Polizei spricht dabei von einer „völlig neuen Dimension der Gewalt“. Ähnliche Vorfälle finden in Düsseldorf, Bielefeld, Stuttgart und Dortmund statt (JF berichtete).
Zu diesem Stichtag registrierte das Bamf einen Rekord an Asylsuchenden. Insgesamt 1.091.894 reisten in die Bundesrepublik ein, so viele wie noch nie. Auch die Zahl der Asylanträge, 476.649, wird nur im nachfolgenden Jahr übertroffen. In ihrer Neujahrsansprache versichert Merkel dennoch einmal mehr: „Wir schaffen das, denn Deutschland ist ein starkes Land.“
Es komme darauf an, sich nicht spalten zu lassen. „Auch nicht sozial und nicht in Alteingesessene und Neubürger. Es kommt darauf an, denen nicht zu folgen, die mit Kälte oder gar Haß in ihren Herzen ein Deutschsein allein für sich reklamieren und andere ausgrenzen wollen. Es kommt darauf an, auch in Zukunft ein Land sein zu wollen, in dem wir selbstbewußt und frei, mitmenschlich und weltoffen sind – mit der Freude am Gelingen, mit der Freude, die es machen kann, wenn wir unser Bestes geben.“