Jörg Baberowski machte folgende Unterscheidung zwischen dem NS-Regime und dem Stalin-Regime:
Unter Stalin hatten die Menschen keine Wahl; sie mußten Täter werden, sonst wären sie selbst zu Opfern geworden.
Im NS-Staat hätten die Täter(!) dagegen die Wahl gehabt. Wenn sie sich verweigerten, passierte ihnen in der Regel nicht viel.

Daraus macht die Geschichtspolitik:
„Die Deutschen“(!) hätten die Möglichkeit gehabt, „nein“ zu sagen.

Für die klassische Befehlsverweigerung oder Fahnenflucht galt das sicherlich nicht.
Die wurden in keinem Militär der Welt geduldet und auch innerhalb der Streitkräfte der Westalliierten mit dem Tode bestraft.

Gemeint von Baberowski waren also eher die expliziten NS-Verbrechen; die großen wie der Holocaust.

Wenn also seriöse Historiker zur Erkenntnis gekommen sind, dass es möglich war, „nein“ zu sagen, dann haben sie offenkundig ja hinreichend Belege dafür gefunden, daß eine Menge Deutsche sich verweigert hatten, ohne dafür bestraft zu werden.
Denn sonst könnten sie ja nicht zu einer solch generalisierenden Aussage kommen.

Auch die vielen Deutschen, die sich verweigert hatten, an den NS-Verbrechen aktiv mitzuwirken, zählen zu unseren Vorfahren.

Wir sollen uns an eine Lüge Goebbels‘ gebunden fühlen?
Wissend, daß es eine Lüge war, sie trotzdem nachträglich für bare Münze nehmen?
Der Logik kann ich nicht folgen…

Daß die Sieger unter den Besiegten einen gewissen Prozentsatz an willigen Kollaborateuren fanden, ist allerdings nur allzu menschlich und auch nicht spezifisch deutsch.

Bemerkenswert ist aber, wie die deutsche Identität seit 1933-1945 radikal überschrieben wurde:
Waren die Deutschen vorher eines der großen europäischen Kulturvölker, das sein Existenzrecht geltend machte, bekamen sie nun eine vollkommen neue Identität als ewig Schuldige oder „Verantwortung Tragende“ verpaßt.

Den Regierenden im Lande kommt diese neue Identität gut zupaß; mit ihr regiert es sich bequemer:
Grundgedanke der Demokratie ist ja eigentlich, daß eine selbstbewußte Bürgergesellschaft sich Repräsentanten wählt, die ihre Interessen nach außen hin vertreten.
So aber können die Regierenden – umgekehrt – Weisungen und Wünsche von außen entgegen nehmen und sie ihren Untertanen unterjubeln, indem sie sie beständig an ihre „besonderen Verantwortungen“, „moralischen Verpflichtungen“ und „historische Schuld“ erinnern.
Es ist eine Herrschaftstechnik.

Gibt es z.B. eine Kollektivschuld da, wo Abtreibungen stattfinden?
Klammheimlich erweiterte sich die deutsche Kollektivschuld zu einer vererblichen, zumindest „funktional“. Und das wollen wir uns nicht nehmen lassen.
Die „Critical Race Theory“ schreibt allen Weißen per Geburt eine unauslöschliche Schuld zu.
Der Kolonialismus ist eine weitere Quelle kollektiver Schuld mit unbeschränkter Haftpflicht.

Die literarische Beschreibung:
„Völker werden liquidiert […] indem man ihnen zuerst das Gedächtnis nimmt. Man vernichtet ihre Bücher, ihre Kultur, ihre Geschichte. Und jemand anders schreibt für sie andere Bücher, gibt ihnen eine andere Kultur erfindet für sie eine andere Geschichte. Dann beginnt das Volk langsam zu vergessen, was es ist und was es war. Die Welt rundherum vergisst es noch viel rascher.“ (Milan Kundera: Das Buch vom Lachen und Vergessen, S. 223)
Das ist der Kommentar – EOF

Kollektivschuld, das ist ein politischer Begriff und wird entsprechend mißbraucht.
Sind wir, die heutigen Deutschen, alle als Kollektiv schuldig für die Teddybärwerfer der Massenmigration seit 2015 und infolge für die tausenden Toten und Vergewaltigungen in unserem Land, verursacht durch die Migranten?
Es ist ausschließlich die Schuld einer einzelnen Person die die Grenzen nicht schließen ließ, um das Debakel zu verhindern!
Wie hätten die damaligen Deutschen sich gegen die Repressionen des gleichgeschalteten Staates erwehren können?
Noch viel weniger als wir vor kurzem gegen die Corona-Repressionen einer aus den Fugen geratenen Regierungs-Mafia.
Kollektivschuld ist die geliebte Schwester der Sippenhaft, das war die Nazi-Methode gegen Juden und andere ethnische Personengruppen. Beide waren und sind eine totalitäre Machttechnik.
Leider treibt dieser Geist auch heute bei den Altparteien sein Unwesen.

Adenauer und Ehrhardt sind nicht freizusprechen von der Zerstörung des deutschen Nationalbewußtseins in Westdeutschland. Der eine wollte um jeden Preis seine Rheinische (also preußenfreie) Republik, für die er die deutsche Teilung billigend in Kauf nahm. Der andere fügte sich darin und erkannte, daß man alte Nazis und junge Nachkriegsdeutsche am besten im Sinne des neuen Systems einfangen konnte, indem man sie mit Wohlstand ruhigstellte. Die Strategie „Wohlstand für alle“ war daher überaus erfolgreich, wobei beim Wirtschaftswunder paradoxerweise gerade Deutschland seine immense Zerstörtheit zugute kam: Anders als in Frankreich oder Großbritannien gab es eben viel wiederaufzubauen und dementsprechend immensen Kapitalfluß. Ehrhardt sorgte – ein wesentlicher Unterschied zur SED und den Linksliberalen heute – daß er an der richtigen Stelle allokiert wurde, er ließ die Wirtschaft und keine Plankommision oder EU entscheiden. Doch der Effekt war, ob nun beachsichtigt oder nicht, die „Vermittelschichtung“ des westdeutschen Kleinbürgertums, das ab den 1970er Jahren dann immer mehr in Wohlstandsdekadenz und Nachlässigkeit versank. Die Entstehung der Grünen war eine zwangläufige Folge davon