Bei nur wenigen Angehörigen im höheren Dienst der Bundesrepublik dürfte die Kluft zwischen der Tätigkeit des Beamten und seiner Behandlung durch seine Vorgesetzte so signifikant gewesen sein wie bei dem seit 2018 pensionierten Juristen Josef Schüßlburner.

Drangsalierungen aller Art waren ein vertrauter Begleiter des Karriereweges: drei Disziplinarverfahren, Zwangsversetzung, Ende der Karriere, Bewerbungsablehnungen, zermürbende Verfahren, ja selbst eine Umschreibung der Dankesurkunde anläßlich des Dienstendes sind nur als Beispiele zu nennen. Das alles war politisch begründet.
Schüßlburner schildert in dem ausführlichen Gesprächsband mit dem früheren Deutschlandfunk-Journalisten Bernd Kallina seine Erfahrungen an verschiedenen Stellen der Ministerialbürokratie. Seiner ursprünglich als überdurchschnittlich eingeschätzten Befähigung war es geschuldet, daß er zeitweise zur Mitarbeit in internationalen Organisationen wie der EU-Kommission in Brüssel und den Vereinten Nationen in New York abkommandiert wurde.
Als Grund für die späteren diversen Diskriminierungen mußten Publikationen, Referate und Rechtsgutachten herhalten. Dazu gehört eine Vielzahl von Aufsätzen und Artikeln – auch für diese Zeitung. Dabei wurden die Texte ausschließlich in der Freizeit verfaßt, führten aber zu Mißbilligung durch Vorgesetzte, in einem Fall sogar angeregt durch eine parlamentarische Anfrage der PDS/Linkspartei.
Schüßlburner rechnet mit „wehrhafter Demokratie“ ab
Zu den von ihm in regelmäßigen Abständen behandelten Themen gehört der von Schüßlburner so genannte zivilreligiös abgesicherte Demokratie-Sonderweg der Bundesrepublik. Zentrale Beispiele für diesen Problemkomplex sind die Befugnisse des Inlandsgeheimdienstes, die mittlerweile weitaus übergriffiger ausgeübt werden als zur aktiven Zeit Schüßlburners.
Darüber hinaus ist die seit dem Lüth-Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1958 ausgeweitete Tendenz zu erwähnen, Grundrechte als Ausfluß einer Wertordnung zu interpretieren, ebenso wie die Möglichkeit von Parteienverboten. Der Bogen läßt sich vom Radikalenerlaß in den frühen 1970er Jahren über das Kopftuchverbot im Rahmen dienstlicher Tätigkeiten bis zur zuletzt forcierten Einschüchterung von Beamten schlagen. Sie müssen im Rahmen der Mitgliedschaft bei einer „falschen“ Partei mit Disziplinarmaßnahmen bis hin zur Entlassung aus dem Dienstverhältnis rechnen.
Ganz so weit ging es bei Schüßlburner doch nicht. Der lesenswerte Interviewband beleuchtet nicht nur den Lebensweg des schon aufgrund seiner Schaffenskraft außergewöhnlichen „Rechtsabweichlers“, sondern erörtert auch Hintergründe von Demokratie, Recht und Verfassung.