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Fall „White Tiger“: „Kinder sind Freiwild im digitalen Raum“

Fall „White Tiger“: „Kinder sind Freiwild im digitalen Raum“

Fall „White Tiger“: „Kinder sind Freiwild im digitalen Raum“

Kerstin Claus, die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmißbrauchs der Bundesregierung, sitzt während einer Pressekonferenz vor blauem Hintergrund mit dem Schriftzug der Bundespressekonferenz. Sie trägt eine dunkle Jacke und eine Brille mit blauem Rahmen. Claus blickt ruhig und ernst in Richtung Kamera. Kerstin Claus bei der Bundespressekonferenz in Berlin: Die Mißbrauchsbeauftragte fordert strengere Gesetze zum Schutz von Kindern im Netz. Foto: IMAGO / epd
Kerstin Claus, die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmißbrauchs der Bundesregierung, sitzt während einer Pressekonferenz vor blauem Hintergrund mit dem Schriftzug der Bundespressekonferenz. Sie trägt eine dunkle Jacke und eine Brille mit blauem Rahmen. Claus blickt ruhig und ernst in Richtung Kamera. Kerstin Claus bei der Bundespressekonferenz in Berlin: Die Mißbrauchsbeauftragte fordert strengere Gesetze zum Schutz von Kindern im Netz. Foto: IMAGO / epd
Kerstin Claus bei der Bundespressekonferenz in Berlin: Die Mißbrauchsbeauftragte fordert strengere Gesetze zum Schutz von Kindern im Netz. Foto: IMAGO / epd
Fall „White Tiger“
 

„Kinder sind Freiwild im digitalen Raum“

Nach dem Fall um den mutmaßlichen Kinderschänder „White Tiger“ warnt die Mißbrauchsbeauftragte Kerstin Claus vor rechtsfreien Räumen im Internet. Der Täter soll Kinder systematisch mißbraucht und in den Suizid getrieben haben. Nun fordert sie klare Regeln und sicheren Schutz für Minderjährige.
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BERLIN. Die Mißbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, hat nach Bekanntwerden des Falles um den mutmaßlichen Kinderschänder Shahriar J. umfassende Maßnahmen zum Schutz Minderjähriger im Internet gefordert. Es brauche sichere digitale Räume, eine Modernisierung des Sexualstrafrechts sowie eine klare Verantwortlichkeit von Plattformanbietern. „Im Moment sind Kinder und Jugendliche, ich muß es so hart sagen, Freiwild im digitalen Raum“, sagte Claus im Gespräch mit dem Podcast Table.Today. „Und jeder, der Zugriff bekommen möchte auf Kinder und Jugendliche, bekommt Zugriff.“

Sie bemängelte, daß zentrale Begriffe wie „sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen“ im Strafrecht bislang nicht eindeutig gefaßt seien. Das verhindere ein konsequentes Einschreiten der Ermittlungsbehörden bei neuen digitalen Mißbrauchsformen wie Sextortion, Livestreaming oder Erpressung mit intimem Bildmaterial.

Zudem seien Plattformanbieter bislang kaum verpflichtet, ihre Räume so zu gestalten, daß Kinder überhaupt vor Übergriffen geschützt würden – etwa durch technische Schranken, altersgerechte Kommunikation oder Meldefunktionen. Medienpädagogik allein reiche nicht aus, kritisierte Claus. Es sei absurd zu glauben, Kinder müßten sich selbst vor Tätern schützen.

„White Tiger“ mißbrauchte suizidgefährdete Kinder

Hintergrund der Forderungen sind die jüngst bekannt gewordenen Taten eines 20jährigen Deutsch-Iraners. Shahriar J. soll sich in mehr als 120 Fällen zwischen 2021 und 2023 an Kindern vergangen haben – mit sadistischen, sexualisierten und manipulativen Methoden. Der als „White Tiger“ bekannte Beschuldigte habe gezielt suizidgefährdete Kinder über soziale Netzwerke, Suizidforen und Online-Games angesprochen, emotional abhängig gemacht, sexuell mißbraucht, zur Selbstverletzung gedrängt und mit belastendem Material erpreßt.

Unter anderem habe er eine Zwölfjährige gezwungen, mit ihrem frischen Blut die Worte „White Tiger“ auf den Boden zu malen, berichtet die Bild-Zeitung mit Verweis auf die Gerichtsakten. Ein 13jähriges Mädchen mußte sich demnach eine ätzende Flüssigkeit in ihre Verletzungen gießen. Das Blatt verzichtet auf die Nennung weiterer Fälle, die „von da an immer extremer geworden“ seien.

13jährige Junge in den Suizid getrieben

Laut Hamburger Polizei und Generalstaatsanwaltschaft habe Shahriar J. seine Opfer gezielt in den Selbstmord treiben wollen. Bei einem 13jährigen US-Amerikaner sei das auch gelungen. In einem weiteren Fall habe nur das Eingreifen des Vaters den Suizid verhindert. Ermittler sprechen von „Abgründen, die nur schwer auszuhalten sind“.

Der mutmaßliche Täter war führendes Mitglied der international vernetzten Online-Gruppierung „764“, die in den Vereinigten Staaten bereits als terroristische Organisation eingestuft ist. Sie verbreitet laut Polizei sadistische, satanistische und pädosexuelle Inhalte und tauscht über Plattformen wie Discord, Telegram oder Instagram Anleitungen, Erpressungsstrategien und Foltervideos aus. Die Taten Shahriar J.s sollen innerhalb der Szene als „Trophäen“ gegolten haben.

Die Ermittlungen belasten auch die Behörden. Schon 2023 gab es eine Hausdurchsuchung, ausgelöst durch einen FBI-Hinweis nach dem Suizid eines Kindes. Doch offenbar konnten damals keine ausreichenden Maßnahmen getroffen werden.

Ermittler mahnen Eltern zur Vorsicht

Der Beschuldigte wurde am Dienstag in der Wohnung seines Vaters im Hamburger Stadtteil Marienthal festgenommen. Er bestreitet die Vorwürfe pauschal. Die Generalstaatsanwaltschaft plant eine psychiatrische Begutachtung. Der Haftbefehl listet 123 Straftaten auf, darunter sexueller Mißbrauch, Anstiftung zum Suizid, Besitz und Verbreitung von Kinderpornographie, Tierquälerei sowie Mord in mittelbarer Täterschaft.

Ermittler warnen angesichts der Dimension des Falls eindringlich vor der Gefährlichkeit solcher Netzwerke. Eltern, Lehrkräfte und Bezugspersonen müßten stärker auf das digitale Umfeld von Kindern achten. In Hamburg wurden die mit dem Fall betrauten Mitarbeiter der Polizei und Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben psychologisch betreut. (sv)


Wer selbst von sexuellem Mißbrauch oder Suizidgedanken betroffen ist oder jemanden kennt, der Hilfe braucht, kann sich vertraulich an folgende Stellen wenden:

  • Nummer gegen Kummer (Kinder und Jugendliche): 116 111
  • Elterntelefon: 0800 111 0550
  • Telefonseelsorge: 0800 111 0111 oder 0800 111 0222
  • Hilfetelefon Sexueller Mißbrauch: 0800 22 55 530 
Kerstin Claus bei der Bundespressekonferenz in Berlin: Die Mißbrauchsbeauftragte fordert strengere Gesetze zum Schutz von Kindern im Netz. Foto: IMAGO / epd
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