BERLIN. In einer gemeinsamen Erklärung haben führende Wirtschaftsverbände vor einer politischen Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde gewarnt. „Staatliche Lohnfestsetzung ist Gift für unser Land!“, heißt es in dem Papier. Unterschrieben wurde die Bekanntmachung vom Handelsverband, Bauernverband, Raiffeisenverband, Arbeitgeberverband Gesamtmetall, Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks und vom Gesamtverband der Deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände.
Im branchenübergreifenden Appell an die Koalitionäre mahnten die Verbände, nicht in die „unabhängige Entscheidungsfindung der Mindestlohnkommission“ einzugreifen, und forderten die richtigen Rahmenbedingungen, damit die Wirtschaft ihren Job machen könne.
„Können das finanziell bereits heute nicht mehr stemmen“
Seit 2022 war der Mindestlohn bereits um 30 Prozent von 9,82 Euro auf 12,82 Euro pro Stunde gestiegen. Eine weitere 30-Prozent-Erhöhung, wie von der SPD gefordert, hätte fatale Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland, monierten die Verbände. Die damalige „politisch motivierte Erhöhung“ dürfe sich nicht wiederholen und die Tarifautonomie müsse unbedingt gewahrt werden. Da die Mindestlohnkommission beeinflußt werden könne, seien auch „indirekte politische Zielmarken wie im aktuellen Koalitionsvertrag nicht akzeptabel“.
„Viele Arbeitgeber, insbesondere im Mittelstand, können das finanziell bereits heute nicht mehr stemmen. Folge sind eine spürbar steigende Arbeitslosigkeit sowie viele Insolvenznachrichten“, bedauerten die Verbände. Sie verlangten zudem eine Obergrenze in Höhe von 40 Prozent bei den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen.
Konflikt zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden
Die Verbände warnten davor, die Anhebung des Mindestlohns übe zusätzlichen Druck von unten auf die Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaften aus. Diese forderten in Abgrenzung zum Mindestlohn stets höhere Löhne. „Weitere politische Mindestlohnanhebungen würden diese Effekte nochmals massiv intensivieren und die Tarifbindung für viele Arbeitgeber dramatisch an Attraktivität verlieren lassen.“
Betroffen von erhöhten Personalkosten sei vor allem der Dienstleistungssektor, da „ab dem 1. Januar 2023 auch noch die Midijobgrenze auf sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit Einkommen bis zu 2.000 Euro im Monat deutlich ausgeweitet wurde“. Dadurch sei es zu einer Abkehr vom Paritätsgrundsatz bei den Sozialversicherungsbeiträgen im Arbeitsverhältnis gekommen, bemängelten die Verbände.
Gehemmte Konjunktur und düstere Prognose für junge Leute
Besorgt äußerten sich die Verbände ebenso über die US-Zollpolitik und die schwankenden Aktienmärkte. Sie belasteten die Konjunktur zusätzlich zur angespannten Wirtschaftslage. Eine weitere Auswirkung könnte aus Sicht der Verbände eine entfachende Lohn-Preis-Spirale sein, bei der die Bürger zwar trotz wachsender Löhne über keine gesteigerte Kaufkraft verfügten, da die Preise auch heraufklettern – höhere Inflation wäre die Folge. Auch die ausufernde Bürokratie wurde von den Arbeitgeberverbänden stark kritisiert. Sie sei für Unternehmen immer zeit- und kostenintensiver.
Das duale Ausbildungssystem sei zudem gefährdet, „denn viele junge Menschen könnten sich dann gegen eine nachhaltige Berufsausbildung entscheiden“. Dies hätte zur Folge, daß immer mehr Jugendliche ohne Berufsausbildung dastünden und damit der Anteil geringqualifizierter Arbeitsloser anstiege. Gleichzeitig blieben Ausbildungsstellen unbesetzt.
„Am Ende verlieren alle: Die Wirtschaft büßt durch dramatisch steigende Lohnnebenkosten immer weiter an Wettbewerbsfähigkeit ein“, resümierten die Verbände. Dagegen lobten die Arbeitgeberverbände den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD im Zusammenhang mit dem angekündigten Wechsel von der täglichen zur wöchentlichen Arbeitszeit und beim „Bekenntnis zur Vertrauensarbeitszeit ohne Zeiterfassung“. (rsz)