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Anhörung im Bundestag: So soll das Abtreibungsrecht kurz vor knapp noch aufgeweicht werden

Anhörung im Bundestag: So soll das Abtreibungsrecht kurz vor knapp noch aufgeweicht werden

Anhörung im Bundestag: So soll das Abtreibungsrecht kurz vor knapp noch aufgeweicht werden

Schwangere (Symbolbild): Die aktuelle Rechtslage bei Abtreibungen ist ein schmerzlich ausgehandelter Kompromiß
Schwangere (Symbolbild): Die aktuelle Rechtslage bei Abtreibungen ist ein schmerzlich ausgehandelter Kompromiß
Schwangere (Symbolbild): Die aktuelle Rechtslage bei Abtreibungen ist ein schmerzlich ausgehandelter Kompromiß Foto: picture alliance / Zoonar | Iuliia Zavalishina
Anhörung im Bundestag
 

So soll das Abtreibungsrecht kurz vor knapp noch aufgeweicht werden

Wenige Wochen vor der Wahl des neuen Bundestags steht das Lebensrecht erneut unter Beschuß. Am Montag hört der Rechtsausschuß elf Sachverständige in der Abtreibungsfrage an. So stark klaffen ihre Positionen auseinander.
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BERLIN. Der Lebensschützer Kristijan Aufiero hat einen Gesetzentwurf zur Neuregelung des Abtreibungsrechts scharf kritisiert. Das Vorhaben stelle „keine Verbesserung der Situation von Frauen im Schwangerschaftskonflikt in Aussicht“. Vielmehr verringere es „wirkliche Entscheidungsfreiheit, weil alle bisherigen lebensbejahenden und lösungsorientierten Elemente und Vorgaben der bestehenden Regelung gestrichen werden“, warnte der Geschäftsführer der Lebensrechtsorganisation 1000plus.

Aufiero ist einer der Experten, die die Bundestagsfraktionen zur Anhörung in der Sache in den Bundestag geladen haben. Der Gesetzentwurf sieht folgende Änderungen vor: Abtreibungen bis zur zwölften Woche sollen künftig legal sein, es sei denn, sie werden gegen den Willen der Schwangeren vorgenommen. Dafür würde sich künftig strafbar machen, wer eine Schwangere zum Austragen des Kindes „nötigt“. Jedoch bleibt bislang offen, welches Verhalten als eine solche Nötigung geahndet würde.  Zudem soll die dreitägige Wartezeit nach der verpflichtenden Beratung entfallen. Auch das Sozialgesetzbuch soll geändert werden und Krankenkassen künftig in der Pflicht sein, die Kosten einer Abtreibung vollständig zu übernehmen.

Aufiero: Es steht ein Dammbruch bevor

Aufiero sieht das Vorhaben als fatalen Fehler. Der vorgesehene Paradigmenwechsel hin zu einem „radikalen Neutralitätsgebot“ komme faktisch einer unterlassenen Hilfeleistung gleich. „Echte Entscheidungsfreiheit für ungeplant schwangere Frauen wird dadurch ermöglicht, ihnen in ihrer Notlage kompetente Information, bestmögliche Beratung und konkrete Hilfe anzubieten. Nur dann können subjektiv tragbare Alternativen zur Abtreibung in die Entscheidungsfindung miteinbezogen werden“, betonte er. „Unsere Beratungspraxis zeigt, daß jene Frauen, die nach dieser Maxime beraten wurden, sich in ihrer überwiegenden Mehrheit für ein Leben mit Kind entscheiden.“

Begriffe wie „Selbstbestimmung“ oder „Entscheidungsfreiheit“ in dem Gesetzentwurf halte er daher für „vorgeschobene Worthülsen“. In Wahrheit stehe ein „rechtlicher, moralischer und ethischer Dammbruch von ungeheurer Tragweite“ vor der Tür. Das Leben von ungeborenen Kindern vor der zwölften Woche werde durch das Vorhaben völlig entwertet.

Der Lebensschützer hat konkrete Vorschläge, die Schwangeren aus seiner Sicht besser helfen würden als die im Gesetz vorgesehenen Punkte. So plädiert er für „umfangreiche Entlastungsmaßnahmen für Schwangere in Not, die ein breites Netz an kostenfrei zugänglicher Sozial- und Paarberatung, sozialarbeiterischer Unterstützung zur praktischen Bewältigung von Schwangerschafts- und Erziehungssituationen sowie eine Ausweitung staatlicher finanzieller Unterstützung für Schwangere und Familien in materiellen Notlagen“ umfassen.

Auch eine radikale Abtreibungsbefürworterin ist geladen

Neben Aufiero sind noch zehn weitere Sachverständige zur Anhörung am Montag abend geladen. Das christliche Online-Magazin Corrigenda hatte die Kandidaten ausführlich vorgestellt. Unter den Experten ist etwa die Gynäkologin Alicia Baier, die sich von der verurteilten Ärztin Kristina Hänel beibringen ließ, wie man Abtreibungen vornimmt. Hänel hatte sich strafbar gemacht, weil sie auf ihrer Internetseite gegen das Werbeverbot für Abtreibungen verstoßen hatte. Baier ist eine radikale Vorkämpferin für die Straffreiheit solcher Eingriffe.

Eine andere Haltung vertritt etwa der Gynäkologe Matthias David, der geschäftsführender Oberarzt am Campus Virchow-Klinikum der Berliner Charité ist. Er sieht eine Neuregelung des Abtreibungsrechts kritisch. Er nimmt selbst solche Eingriffe vor und macht auf die Gewissensbisse aufmerksam, die sich bei den Frauen danach einstellen können. Die heutige Leitlinie bei dem Thema hatte er damals mitformuliert. Seine Devise: „Das Recht auf Leben veraltet nicht!“

Juristen sind sich uneinig

Neben den Medizinern sind auch Juristen geladen. Darunter der Augsburger Rechtswissenschaftler Michael Kubiciel. Er ist ebenfalls ein Gegner der Neuregelung und sieht die derzeitige Lösung als „verfassungsrechtlich vorgeprägten Mittelweg, der die Gesellschaft in den letzten Jahren befriedet und ihr jene Kulturkämpfe erspart hat“.

Die Strafrechtlerin Liane Wörner steht dem Gesetzentwurf offener gegenüber. „Wir empfehlen, in der Frühphase der Schwangerschaft, also in den ersten zwölf Wochen, Abbrüche grundsätzlich als rechtmäßig zu erlauben. Hier wiegt das Recht der Frau mehr als das des Ungeborenen. Die Übernahme einer ungewollten Schwangerschaft ist unzumutbar“, bekundete sie gegenüber der Bundeszentrale für politische Bildung.

In Deutschland werden jährlich etwa 100.000 Abtreibungen vorgenommen. Die Beratungsstelle ProFemina veröffentlichte jüngst einen Report, der sich unter anderem mit den Gründen für eine solche Entscheidung befaßte. Frauen, die sie im vergangenen Jahr berieten, nannten biographische Gründe als häufigste Ursache für ihren Schwangerschaftskonflikt. Darauf folgten Überlastung, Probleme in der Partnerschaft und finanzielle Bedenken. (zit)

Schwangere (Symbolbild): Die aktuelle Rechtslage bei Abtreibungen ist ein schmerzlich ausgehandelter Kompromiß Foto: picture alliance / Zoonar | Iuliia Zavalishina
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