WIEN. Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat Alexander Schallenberg (ÖVP) zum Übergangskanzler bestimmt. Diese Entscheidung wurde notwendig, nachdem Karl Nehammer am Wochenende sowohl als Bundeskanzler als auch als ÖVP-Parteichef zurückgetreten war und die Verhandlungen des FPÖ-Vorsitzenden Herbert Kickl mit der Volkspartei erst noch starten.
Für Schallenberg ist es nicht das erste Mal, daß er in einer politischen Krise an die Spitze der Regierung tritt. Bereits im Oktober 2021 übernahm er das Amt des Kanzlers, nachdem Sebastian Kurz zurückgetreten war. Doch diesmal gibt es wesentliche Unterschiede: Schallenberg wird nicht regulär als Kanzler eingesetzt, sondern lediglich mit der „Fortführung der Amtsgeschäfte“ betraut. Diese interimistische Rolle wird voraussichtlich drei bis vier Wochen dauern – bis eine neue Regierung steht.
Herausfordernde Doppelfunktion
In dieser Zeit wird Schallenberg weniger regieren und mehr verwalten. Große politische Vorhaben sind aufgrund der fehlenden parlamentarischen Mehrheit ohnehin nicht zu erwarten. Anders als bei seiner Kanzlerschaft 2021 behält Schallenberg seine Position als Außenminister bei. Ein Novum in der österreichischen Politik. Praktisch bedeutet dies, daß Schallenberg weiterhin seine Büros in Kanzleramt und Außenministerium nutzt. Bei EU-Treffen in Brüssel wird er sowohl an den Sitzungen der Regierungschefs als auch an denen der Außenminister teilnehmen.
Die Doppelfunktion bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich. Eine geplante Reise nach Syrien und in die Türkei mußte Schallenberg absagen – ein Verlust, vor allem im Hinblick auf die derzeit verstärkte diplomatische Aktivität der EU-Außenminister in Damaskus. Die neue Rochade hat immerhin zu einer weiteren Einsparung geführt: Zum dritten Mal verzichtet die Koalition auf die Nachbesetzung eines Regierungspostens. Bereits die Staatssekretäre Florian Tursky (ÖVP) und Andreas Mayer (Grüne) wurden nach ihrem Ausscheiden nicht ersetzt.
Vom Diplomatenkind zum Chefdiplomaten
Der 55jährige Schallenberg entstammt einer Diplomaten- und Adelsfamilie. Sein Vater war mehrfach Botschafter und zuletzt Generalsekretär im Außenamt. Geboren in Bern und aufgewachsen in Indien, Spanien und Paris, schlug Schallenberg nach seinem Jurastudium eine diplomatische Laufbahn ein. Nach ersten Stationen in Brüssel wurde er Pressesprecher von Außenministerin Ursula Plassnik. Später holte ihn Sebastian Kurz ins Kanzleramt, und Kurzzeit-Kanzlerin Brigitte Bierlein machte ihn 2019 zum Außenminister. (rr)