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Kinopremiere in Deutschland: „Sound of Freedom“: Zu Unrecht gebrandmarkt

Kinopremiere in Deutschland: „Sound of Freedom“: Zu Unrecht gebrandmarkt

Kinopremiere in Deutschland: „Sound of Freedom“: Zu Unrecht gebrandmarkt

Auf dem Foto befindet sich eine Vorstellung von "Sound of Freedom" in New York. (Themenbild)
Auf dem Foto befindet sich eine Vorstellung von "Sound of Freedom" in New York. (Themenbild)
„Sound of Freedom“: EIn Film, dem Nähe zu Verschwörungstheorien vorgeworfen wurde. Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Leco Viana
Kinopremiere in Deutschland
 

„Sound of Freedom“: Zu Unrecht gebrandmarkt

Am 8. November kam „Sound of Freedom“ in deutsche Kinos: ein Film, der wegen Verschwörungstheorien-Verdacht bei den Medien in Mißgunst geriet. Doch wieviel ist dran an den Vorwürfen – und lohnt sich das Ticket? Dietmar Mehrens hat sich den Film angeschaut.
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„Na, na, na, na, na, na“, singt die achtjährige Rocio Aguilar in ihrem Kinderzimmer in Tegucigalpa und scheint dabei versunken in ihren eigenen kindlichen Kosmos. Rocios Kindheitsparadies wird bald der Vergangenheit angehören. Eine Honduras-sucht-den-Kinderstar-Rekrutiererin namens Giselle taucht bei der Familie Aguilar auf und verspricht den Eltern das Blaue vom Himmel: Rocio und ihr kleiner Bruder Miguel könnten die Stars der Zukunft sein. Es findet ein Fototermin in einem eigens dafür gebuchten Hotel statt. Als der Vater der beiden Kinder diese wieder abholen will, erlebt er eine böse Überraschung: Der Raum ist gähnend leer, von den Kindern keine Spur.

In Kalifornien geht derweil der Pädophilen-Jäger Timothy Ballard (Jim Caviezel) seiner Arbeit als Polizeibeamter nach. 288mal hat seine Falle bereits zugeschnappt. „Wer Ärgernis gibt einem dieser Kleinen, die an mich glauben, es wäre besser, daß ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, wo es am tiefsten ist“, kommentiert der gläubige Christ seine Haltung den Straftätern gegenüber und adaptiert damit eine Stelle aus dem Matthäusevangelium, an der Jesus Kinder unter seinen besonderen Schutz stellt. Doch an dem Beamten der Heimatschutzbehörde nagt die traurige Gewißheit, daß, wenn die Übeltäter unschädlich gemacht sind, dies noch lange nicht heißt, daß die von ihnen entführten Jugendlichen gerettet sind.

Venusfalle für pädophile „Party- und Eventszene“

Einer der gefaßten Delinquenten ist der zwielichtige Oshinsky (Kris Avedisian), den Ballard davon überzeugen kann, selbst zur Kindesmißbrauchsszene zu gehören. Er möchte als verdeckter Ermittler an die Hintermänner heran. „Diese Arbeit reißt dich in Stücke“, erklärt er seine Motivation einem Kollegen, „und dies ist die einzige Chance, die Teile wieder zusammenzufügen.“ Ballard kann Rocios kleinen Bruder Miguel (Lucas Ávila) befreien, das Mädchen selbst bleibt verschwunden.

Die Spur führt in die kolumbianische Hafenstadt Cartagena und nach Bogotá. Der Polizist lernt Vampiro (Bill Camp) kennen, einen vom Saulus zum Paulus gewandelten Ex-Banditen. Gemeinsam planen sie das ganz große Ding: Sie wollen eine gigantische Venusfalle für Pädophile errichten, eine Art Strandclub für die perverse „Party- und Eventszene“. So hoffen sie auf einen Streich fünfzig minderjährige Sexsklaven aus den Fängen der Kindermafia retten und ihre skrupellosen Entführer aus dem Verkehr ziehen zu können. Aber was, wenn die Partygäste in den Genuß der ihnen zum Schein offerierten Schand- und Schändungstaten kommen wollen, ehe die Falle zuschnappen kann?

Mit stimmungsvollen Bildern sowohl aus dem kolumbianischen Großstadtdschungel als auch dem echten kolumbianischen Urwald in der Provinz Mariño und der dazu passenden Musik ist Regisseur und Drehbuchautor Alejandro Monteverde ein ungemein fesselndes Werk gelungen, das in seiner morbiden Thematik an „Acht Millimeter“ (1999) erinnert, allerdings komplett auf grausige und für jugendliche Zuschauer ungeeignete Szenen verzichtet. Glaubhaft verkörpert der für sein konservativ-katholisches Weltbild bekannte Hauptdarsteller Jim Caviezel, der als Jesus in Mel Gibsons „Die Passion Christi“ (2004) ein Millionenpublikum hatte, den entschlossenen Beamten.

„Sound of Freedom“ auf Fakten basiert

Wirklich hart wird es erst im Abspann, wenn die realen Daten und Fakten zu dem brisanten Thema auf der Leinwand erscheinen, etwa daß es aktuell weltweit mehr Sklaven gibt als in den vermeintlichen Hoch-Zeiten der Sklaverei und daß mit dem schmutzigen Geschäft des Menschenhandels jährlich 150 Milliarden US-Dollar gemacht werden. Ein wachsender Markt, zumal es Berührungspunkte mit der internationalen Schleuserkriminalität gibt.

Dieses nicht minder heißen Eisens hatte sich bereits der Krimi „Crossing Over“ (2009) mit Harrison Ford angenommen, der „Sound of Freedom“ in seinem Ehrgeiz gleicht, auf skandalöse und trotzdem vielfach übersehene Mißstände aufmerksam zu machen. Auf die ebenso realen wie von politischen Machtspielen unabhängigen Begebenheiten und die „grundlegende Menschenrechtsfrage“, um die es in dem Film geht, weist auch Alejandro Monteverde hin.

„Sound of Freedom“, betont der Regisseur, basiere „auf der Geschichte einer realen Person, Tim Ballard, der seinen Job bei Homeland Security aufgab, um verschleppte Kinder zu retten. Während der Entwicklung, Recherche und des Schreibens der Geschichte gab es keine einzige Diskussion über Politik. Und warum? Weil die Politik in den Hintergrund treten sollte, wenn es darum geht, Kinder aus den Fängen des Menschenhandels zu befreien.“

Deutsche Verleihfirma gibt Warnhinweis

Wieso geriet die Produktion dennoch in die Kritik? Warum war im Vorfeld des Filmstarts von einer „politischen Instrumentalisierung“ die Rede, die offenbar so weit ging, daß sich der deutsche Verleih Capelight Pictures, der das packende Krimidrama jetzt in die deutschen Kinos bringt, zu einer Art Warnhinweis genötigt sah? „Daß Sound of Freedom nach seinem US-Start von Verschwörungstheoretikern und rechten Gruppierungen für ihre kruden Kampagnen gekapert wurde, hat leider dazu beigetragen, daß das wichtige Thema des Films in den Hintergrund geriet“, ließ Capelight die deutschen Medienvertreter vor dem Start wissen. Diesen Gruppierungen werde man „keine Plattform bieten“.

Um diesen Wirbel zu verstehen, muß man wissen, wie und von wem „Sound of Freedom“ realisiert wurde. Die produzierenden Angel Studios sind eine unabhängige Filmfirma, die den Film per crowdfunding finanzierte. Das ist ein modernes Jeder-kann-mitmachen-Finanzierungskonzept, das bereits Angels enorm erfolgreiche Jesus-Serie „The Chosen“ möglich machte. Daß bei Angel engagierte Christen, also traditionell Gläubige, am Werk sind, ist linksliberalen Kreisen – und damit auch vielen in Hollywood – ein Dorn im Auge. Der Erfolg des Streifens, der sich acht Wochen lang weit oben in der US-Kinohitparade hielt und so über 180 Millionen Dollar einspielte, verdroß manchen Großen der Branche.

Verschwörungstheoretiker bringen den Film in Mißkredit

In Mißkredit geriet der Film schließlich durch die berüchtigten QAnon-Verschwörungstheoretiker, die daran glauben, daß eine mächtige morbide und moralisch degenerierte Elite – Bankiers, Bilderberger, Rockefeller, Rothschild, Zuckerberg, Gates und Soros – die Welt versklaven möchte. In ihrem Fadenkreuz stünden, so die QAnon-Anhänger, vor allem Kinder, weil es in den Reihen der dekadenten Reichen eine starke Fraktion von Satanisten gebe, die Jungen und Mädchen entführten und gefangenhielten, um aus ihrem Blut eine Droge zu entwickeln. Diese mythischen Vorstellungen, die verblüffende Parallelen zu alten antisemitischen Legenden aufweisen, trafen nun auf einen von konservativen Christen realisierten Film zum Thema Kindesmißbrauch und machten ihn so zur Steilvorlage für den streitsüchtigen Webmob der in Regenbogenadepten und Republikaner zerfallenden US-Gesellschaft.

Die Frage ist nur, ob diese Vorgeschichte das Distanzierungsgelübde, mit dem Capelight den Film jetzt versah, tatsächlich erforderlich macht. Würde schließlich irgendein Verleih hierzulande auf die Idee kommen, ein trans-affirmatives Filmdrama wie „Oskars Kleid“ mit einer ähnlichen Pressenotiz auszustatten, etwa so: „Daß Oskars Kleid schon während der Dreharbeiten von LGBT-Aktivisten und linken Gruppierungen für ihre kruden Kampagnen gekapert wurde, hat leider dazu beigetragen, daß das wichtige Thema des Films in den Hintergrund geriet“?

Nichts für Zartbesaitete

Am Wesentlichen, auf das sich eigentlich alle einigen könnten, gehen all diese Debatten völlig vorbei, findet jedenfalls der Regisseur. „Keine einzelne Interessengruppe ist für das Problem namens Menschenhandel verantwortlich“, meint er. „Wir alle sind es, weil er in der Welt geschieht, die wir alle teilen.“ Was die Linke freilich – nicht nur in Hollywood – gern unter den Teppich kehrt, weil sie im Bereich der Sexualität immer für Freizügigkeit plädiert und Pornographie traditionell locker sieht, ist der sexuelle Aspekt des Problems.

Der tschechische Dokumentarfilm „Gefangen im Netz“, für den Internet-Triebtäter mit jugendlichen Schauspielern in die Falle gelockt wurden, enthüllte schonungslos die sittliche Verwahrlosung einer sexualisierten und pornoverseuchten Welt, deren Bewohner auf der Suche nach immer stärkeren sexuellen Stimulanzen immer skrupelloser und enthemmter agieren. 30.000 Hinweise auf pädosexuelle Tatverdächtige fanden Ermittler in Deutschland. Wer braucht angesichts solcher Befunde noch Verschwörungslegenden? Die Realität, das zeigt Monteverdes faktenbasierter Film, ist doch entsetzlich genug.

Die Angel-Produktion ist bildstark, emotional aufwühlend und sollte von Zartbesaiteten nicht ohne Taschentuch geschaut werden. Spätestens wenn das ergreifende Finale des Films durch Shakiras Lied  „Pienso en ti“ die adäquate musikalische Untermalung bekommt, ist dessen Einsatz wahrscheinlich.

JF 46/23

„Sound of Freedom“: EIn Film, dem Nähe zu Verschwörungstheorien vorgeworfen wurde. Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Leco Viana
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