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Und nun?: Zehn Jahre AfD: Gegen alle Widerstände

Und nun?: Zehn Jahre AfD: Gegen alle Widerstände

Und nun?: Zehn Jahre AfD: Gegen alle Widerstände

Die AfD-Chefs Alice Weidel and Tino Chrupalla: Vor zehn Jahren wurde die Erfolgspartei gegründet
Die AfD-Chefs Alice Weidel and Tino Chrupalla: Vor zehn Jahren wurde die Erfolgspartei gegründet
Die AfD-Chefs Alice Weidel and Tino Chrupalla Foto: picture alliance / REUTERS | Fabian Bimmer
Und nun?
 

Zehn Jahre AfD: Gegen alle Widerstände

Neben den Grünen und der Linkspartei ist die AfD die bislang erfolgreichste Parteineugründung der Bundesrepublik. Zu ihrem zehnten Geburtstag bleibt die Frage: Wie will sie an die Macht? Ein Kommentar von Christian Vollradt.
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Wer hätte das gedacht, wer damit gerechnet? Als vor zehn Jahren, am 6. Februar 2013, ein paar von der CDU enttäuschte Konservative sich im Taunusstädtchen Oberursel zusammenfanden, um eine neue Partei namens „Alternative für Deutschland“ (AfD) zu gründen, da rechneten selbst wohlmeinende Beobachter zunächst nur mit dem nächsten Kurzzeit-Projekt, das bald wieder im politischen Orkus verschwinden würde. Waren nicht seit den siebziger Jahren alle Versuche, eine „Vierte Partei“ rechts der CDU zu gründen, gescheitert, zuletzt der Bund Freier Bürger oder die Schill-Partei – um nur zwei bekanntere zu nennen?

Erstes Indiz, daß es bei der AfD ganz anders laufen würde, war der Andrang, der kurze Zeit nach der offiziellen Gründung bei der ersten öffentlichen Veranstaltung der neuen Partei herrschte. Bereits fünf Jahre später saß die AfD in sämtlichen Landtagen, teilweise mit zweistelligen Ergebnissen; sie zog als Fraktion in den Bundestag – und schaffte 2021 (mit nur geringen Verlusten) den Wiedereinzug.

Keine Frage: Neben den Grünen und der Linkspartei ist die AfD die bislang erfolgreichste Parteineugründung der Bundesrepublik. Dabei wäre die Geschichte der AfD schon anderthalb Jahre nach ihrer Gründung fast zu Ende gewesen, zumindest die Erfolgsgeschichte. Als der im Machtkampf geschlagene Bernd Lucke als erster Ex-Vorsitzender und Mitgründer das Feld räumte und die Partei verließ, folgt ihm eine nennenswerte Zahl weiterer Mitglieder. Der personelle Aderlaß kam faktisch einer Spaltung der AfD nahe. Die Zustimmungswerte der Partei gingen in den Keller.

Auf Hilfe von außen konnte die Partei nicht zählen

Glück an den Urnen bescherte ihr, was fürs Land wenig glücklich war. Der Bundestag der Jahre 2013 bis 2017 – ohne FDP und ohne AfD – wies eine erhebliche repräsentative Lücke auf. Und so wie die Große Koalition, die das Land zwischen 1966 und 1969 regierte, die außerparlamentarische Opposition der Neuen Linken stark machte, so wurde Merkels „GroKo“ zur Geburtshelferin der AfD in den Parlamenten. Vor allem im Osten, vor allem wegen ihrer fatalen Asylpolitik. Wohlgemerkt die ist für den vielfach beschworenen „Riß in der Gesellschaft“ verantwortlich; nicht die AfD, die lediglich ein Symptom dessen ist.

Auf Hilfe von außen konnte das neue Team in Blau nicht zählen. Die Widerstände in Politik und Medien sind zahlreich. Dabei standen an der Wiege der AfD erstaunlich viele Journalisten. Doch vereinzelte freundliche Worte aus dem einen oder anderen Wirtschaftsteil in Richtung der eurokritischen „Professorenpartei“ gehören längst der Vergangenheit an. Zur Wahrheit gehört allerdings ebenso: Zu manchen Verhärtungen trugen auch Politiker der AfD selbst bei.

Team in Blau steht relativ stabil da

Skandalös ist ungeachtet dessen, wie die Etablierten bisher unumstrittene Regeln und Gepflogenheiten des parlamentarischen Betriebs außer Kraft setzen, nur um die ungeliebten Neulinge und Störenfriede außen vor zu lassen. Jeder Fraktion steht ein Sitz im Präsidium des Bundestags zu? Ja, aber sämtliche Kandidaten, ob alt ob jung, ob Mann oder Frau, ob laut oder leise, Ost oder West, alle werden sie durchgereicht und nicht gewählt.

Daß Deutschlands Legislative nun schon seit über fünf Jahren keine ordnungsgemäße Spitze hat, wen kümmert’s? Die Vorsitzenden der Ausschüsse werden im sogenannten Zugriffsverfahren verteilt und von den jeweiligen Fraktionen benannt? Im Prinzip ja, aber wenn die AfD zum Zug kommen soll, fallen ihre Vorschläge in geheimer Wahl durch. Die parteinahen Stiftungen bekommen Finanzmittel aus dem Bundeshaushalt, sobald die entsprechende Partei zum zweiten Mal in Fraktionsstärke in den Bundestag eingezogen ist? Selbstverständlich, allerdings nicht im Fall der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Das hehre Versprechen, man werde „die AfD inhaltlich stellen“, ist längst Makulatur geworden.

Zum Erstaunlichen dieser Partei gehört, daß sie trotz aller „Gärigkeit“ relativ stabil dasteht. An personellen Konflikten und Machtkämpfen, an verschlissenen Vorsitzenden herrschte in diesem Jahrzehnt wahrlich kein Mangel. Zudem hat die neue Kraft bisher durchaus davon profitiert, ein politisch nicht ganz festgelegter Gemischtwarenladen zu sein. Nicht immer wird ein Programm gewählt, manchmal auch ein Image. Für die AfD ist dies Segen und Fluch zugleich.

Segen, wenn es die einzusammeln gilt, die aus völlig unterschiedlichen Lagern ihren Protest, ihre Unzufriedenheit mit „der Politik“ überhaupt ausdrücken wollen; Fluch, wenn es die abhält, die dem Programm zustimmen, aber vom „Schwefelgeruch“ (Michael Klonowsky) der Partei abgestoßen werden. Vom Potential derer, die „Deutschland, aber normal“ wollen, um den Wahlwerbeslogan des vergangenen Bundestagswahlkampfs aufzugreifen, könnte die AfD noch mehr abschöpfen.

Die AfD könnte noch mehr abschöpfen

Genügend Stammwähler sorgen dafür, daß sie in Kürze wohl kaum sang- und klanglos verschwindet, auf den Friedhof der Rechtsparteien, die hierzulande nach wie vor das größte politische Gräberfeld beanspruchen. Dorthin gesellen sich bis jetzt dagegen die Projekte, welche die aus vielerlei Gründen mit der Genese der AfD unzufriedenen Aussteiger als Auffangbecken installierten. Ja, für nicht wenige derer, die auf das politische Blau als liberal-konservative Kraft gesetzt hatten, ist die Partei keine wählbare Alternative mehr. Doch alles, was die Enttäuschten dem entgegensetzen, verpuffte bisher. Daß neue Parteien scheitern, ist die Regel, die von der Ausnahme AfD bestätigt wird. Es braucht ein „Momentum“ – und das macht sich rar. Im Fall der AfD war es zunächst das in der „Griechenland-Rettung“ manifestierte Scheitern der Euro-Politik – und dann noch einmal die Asylkrise, in der die Regierung Merkel an den Sorgen von nahezu der Hälfte der deutschen Wähler vorbeiregierte.

Auf der anderen Seite trägt die AfD ungeachtet ihrer flächendeckenden Verankerung an keiner nennenswerten Stelle Verantwortung. Das unterscheidet sie von den Grünen, die – unter ungleich besseren Voraussetzungen freilich – zehn Jahre nach ihrer Gründung zwar weniger Mandate hatten, aber bereits in Kommunen und sogar Ländern mitregierten.

Protest in die Parlamente und auch auf die Straße zu tragen – schön und gut. Doch das Beispiel des ausgebliebenen heißen Herbstes zeigt, das die Potentiale dort auch nicht in den Himmel wachsen. Die AfD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Alice Weidel hat erst kürzlich gegenüber der Weltwoche „ihr maximal ehrgeiziges Ziel gesetzt: Sie will die AfD in die Bundesregierung führen.“ Das mag zunächst einmal sehr unwahrscheinlich klingen und tatsächlich ist die Partei maximal weit davon entfernt. Doch den Anspruch zu formulieren, ist sicher berechtigt. Um so gebotener erscheint es, sich in der Partei auch über den Weg dorthin klar zu werden. Dafür braucht es Strategen, keine Ideologen.

Der Leidenschaft, mit der sich in der AfD über inhaltliche Positionen gestritten wird, steht eine seltsame Antriebslosigkeit bei der Klärung einer entscheidenden Frage gegenüber: Wie bitte geht’s an die Macht? Die funktioniert in einer Demokratie nur über Mehrheiten. Ohne eine gesunde Portion Machthunger kommt nicht aus, wer mittel- bis langfristig politisch Erfolg haben will. Machthunger, das ist aber etwas anderes als Postengeilheit, von der es gelegentlich zuviel gibt in den alternativen Gefilden. „Mit der Macht“, meinte einst der französische Schriftsteller André Malraux, der erst Kommunist, später politischer Gefolgsmann de Gaulles war, „mit der Macht flirtet man nicht, die Macht heiratet man!“ Zehn Jahre nach ihrer Gründung ist die AfD alt genug zu klären, wie sie auf Freiersfüße kommt.

JF 06/22

Die AfD-Chefs Alice Weidel and Tino Chrupalla Foto: picture alliance / REUTERS | Fabian Bimmer
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