BERLIN. In der Hauptstadt sind Behördentermine wieder einmal kaum zu bekommen. Das hat einen Grund: Der Berliner Beschäftigte im Öffentlichen Dienst meldet sich durchschnittlich 36,8 Tage im Jahr krank. Aktuell verschärfen langanhaltende positive Corona-Tests und die Sommergrippe die ohnehin angespannte Situation.
Doch warum sind die Berliner Beamten und öffentlich Angestellten so oft krank? Die Vorsitzende des Hauptpersonalrats, Daniela Ortmann, sieht zwei Gründe. Neben „sehr herausfordernden“ Kunden, die Bedienstete zunehmend körperlich angriffen, sei auch das Berlin-Bashing schuld: „Das frustriert und macht krank.“
Die Hauptstadt ist seit Jahren bekannt dafür, daß es Monate, manchmal sogar Jahre dauert, um einen Termin für die Ummeldung, den Führerschein oder andere Behördengänge zu bekommen. Zwischendurch hatte sich daraus ein lukrativer Markt entwickelt: Geschäftstüchtige Einwohner sicherten sich mit viel Ausdauer mehrere Termine und verkauften diese dann auf dem Schwarzen Markt.
Laut offiziellen Angaben war oder feierte jeder der 125.000 öffentlich Beschäftigten an 36,8 Kalendertagen im Jahr krank. Allerdings zählt Berlin in dieser Statistik die Wochenenden mit, was Vergleiche mit anderen Bundesländern nicht auf Anhieb ermöglicht. Rechnet man aus den etwas mehr als fünf Kalenderwochen insgesamt zehn Sonnabende und Sonntage heraus, bleiben noch gut 27 Arbeitstage.
Verdi: „Berlin ist nicht mehr handlungsfähig“
In Bayern liegt dieser Wert für die Behörden bei 10,5, im bundesweiten Durchschnitt bei rund 18 Tagen. Der im Vergleich dazu extrem hohe Krankenstand in Berlin liegt auch daran, daß dort viele dauerkrank sind: 31,4 Prozent der Kranken im öffentlich Dienst fallen mehr als ein halbes Jahr aus, 20,6 Prozent zwischen sechs Wochen und sechs Monaten. Nur rund neun Prozent melden sich für höchstens drei Tage krank.
Besonders prekär: Die höchsten Krankenstände gibt es in den sicherheitsrelevanten Bereichen. Sehr viele Ausfälle verzeichnen Justizvollzug, Polizei und Feuerwehr. „In diesen sogenannten gefährdungsgeneigten Bereichen ist die Arbeitsbelastung durch Schichtwechseldienste und berufsbedingte physische und psychische Anforderungen besonders hoch“, heißt es in einer Antwort des Senats auf eine Anfrage der AfD-Fraktion. Auch in den Bezirksverwaltungen habe sich der Krankenstand über die Jahre erhöht.
Die Situation sei derart dramatisch, daß laut Gewerkschaft Verdi zahllose Schulkinder vor der Einschulung nicht mehr untersucht, Bauanträge nicht bearbeitet, Anlagen nicht genehmigt werden. Sprecher Andreas Splanemann sagt: „In vielen Bereichen ist Berlin gar nicht mehr handlungsfähig. Wir stehen kurz vor einem Staatsversagen.“ (fh)