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Volksbund: Orte der Mahnung und des Lernens

Volksbund: Orte der Mahnung und des Lernens

Volksbund: Orte der Mahnung und des Lernens

Kriegsgräber
Kriegsgräber
Kriegsgräber in Rostock Foto: picture alliance / ZB
Volksbund
 

Orte der Mahnung und des Lernens

Am Volkstrauertag gedenkt Deutschland seiner gefallenen Soldaten. Die Initiative geht zurück auf den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der sich seit Jahren in einem starken Wandel befindet. Kritiker sprechen von einem Linksruck und zu viel Politischer Korrektheit.
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An diesem Sonntag wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeiner das traditionelle Totengedenken im Reichstagsgebäude sprechen. Am Volkstrauertag erinnert sich Deutschland seit 102 Jahren seiner Kriegstoten. Die Initiative geht auf den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge zurück, dessen Schirmherr das jeweilige Staatsoberhaupt ist.

Insbesondere in den vergangenen Jahren erfuhr der Tag einen Wandel. Steinmeier sprach 2020 auch diesen Satz: „Wir gedenken der Opfer von Terrorismus und Extremismus, Antisemitismus und Rassismus in unserem Land.“ Auch am Volksbund gibt es Kritik wegen eines „Linksrucks“.

Der 1919 von Weltkriegsveteranen gegründete gemeinnützige Verein betreut derzeit in 46 Ländern 832 Friedhöfe mit rund 2,8 Millionen deutschen Toten aus beiden Weltkriegen. Für die Kriegsgräber in Deutschland sind indes die Bundesländer zuständig. Dennoch kümmert sich der Volksbund hierzulande um neun Ruhestätten.

Neben der Pflege ist die Erfassung der Gräber und die Identifizierung der Gefallenen im Ausland eine zentrale Aufgabe des Volksbundes, der über eine Datenbank mit 4,8 Millionen Namen verfügt. Bis heute sucht der Verein nach den noch nicht geborgenen deutschen Kriegstoten. Er bestattet sie nach eigenen Worten „würdig und versucht, ihnen ihre Namen zurückzugeben“.

Viel Wert auf Politische Korrektheit

Für die Hinterbliebenen von Kriegstoten im Ausland bietet die Organisation hervorragende Unterstützung. Selbst wenn die Daten eines Soldaten noch nicht erfaßt sind, können Familien Suchanträge beim Volksbund stellen. Knapp 45.000 Anfragen von Angehörigen sind im vergangenen Jahr eingegangen – eine beachtliche Zahl. Immerhin lag das Ende des Zweiten Weltkriegs da bereits 75 Jahre zurück. 7.300 Menschen baten den Volksbund nach dieser langen Zeit noch um Grabschmuck für und Fotos von der Ruhestätte.

Inzwischen ergänzt der Verein zahlreiche Kriegsgräberstätten um Ausstellungen und macht sie so zu „Lernorten“. Die Besucher erfahren Hintergründe zu den Kriegshandlungen und den Schlachtfeldern. Auch Biographien und Schicksale einzelner Soldaten recherchiert und präsentiert die Organisation – immer mit der Unterstützung der Bundesregierung und des Auswärtigen Amtes. Deshalb legt der Volksbund bei der Außendarstellung viel Wert auf Politische Korrektheit. Die Geschichte der Weltkriege ist historisch vermintes Terrain. Ein falsches Wort auf einer Erklärtafel kann einen Skandal auslösen.

Als die Bundesregierung vor zwei Jahren mitteilte, daß der Volksbund auch Gräber von Waffen-SS-Angehörigen pflegt, war die mediale Aufregung groß. Die Linkspartei fand reichlich Gehör, als sie das als „unerträglich“ bezeichnete, von „Kriegsverbrechern“ und einer „Verhöhnung der Opfer der Naziherrschaft“ sprach. Rund 200.000 der auf deutschen Kriegsgräberstätten ruhenden Toten des Zweiten Weltkriegs gehörten laut Bundesregierung Verbänden der SS an.

Kritik aus den eigenen Reihen

Das „dauerhafte Ruherecht“ gilt für alle Kriegstoten. Der Volksbund hebt die „große Versöhnungsgeste der ehemaligen Kriegsgegner, dies den Deutschen zu ermöglichen“, hervor. Denn es sei „nicht selbstverständlich, daß ausgerechnet diejenigen, die als Besatzer und teilweise auch Kriegsverbrecher während des Angriff- und Vernichtungskrieges des nationalsozialistischen Deutschlands andere Länder überfielen, nun dort auf Friedhöfen beigesetzt werden“. Auch vor diesem Hintergrund werden die Kriegsgräberstätten von „Orten der individuellen Trauer zu Orten der Mahnung und des Lernens“ umgestaltet.

In seinem Leitbild findet der Volksbund differenzierende Worte über die Toten des Zweiten Weltkrieges: „Damit stellt sich auch die Frage der persönlichen Verantwortung unter den Bedingungen von Diktatur und Krieg. Pauschale Schuldzuweisungen verbieten sich: Die meisten kämpften im Bewußtsein, ihre nationale Pflicht zu erfüllen. Viele machten sich schuldig. Andere konnten sich entziehen. Wenige leisteten Widerstand.“

Ganz andere Kritik kommt aus den eigenen Reihen. Zahlreiche Mitglieder traten bis 2016 aus, als die dreijährige Volksbund-Präsidentschaft des SPD-Politikers Markus Meckel zu politischen Verwerfungen führte. 2015 unterstützte der Volksbund die Umbenennung der 1914 angelegten Kriegerehrenallee auf einem Hamburger Friedhof. Die Initiative war von einer linken Organisation ausgegangen. Die ausgetretenen Mitglieder warfen dem Hamburger Landesvorstand, der sich Meckels Rückhalt sicher war, vor, sich mit den Gegnern gemein zu machen und monierten einen „Linksruck“.

Denkmal für Deserteure

Letztlich drängten die Landesverbände Meckel wegen „selbstherrlichen Führungsverhaltens“ zum Rücktritt. Der Sozialdemokrat habe den Verein in „die größte Krise seiner Geschichte“ geführt.
Seinerzeit machte der Volksbund klar, sich inhaltlich erneuern zu wollen. Man bekenne sich zu einem „Transformationsprozeß“. Dazu gehörte auch, ein Denkmal für Deserteure in Hamburg zu fordern, das inzwischen errichtet ist. In der Jugendarbeit bietet der Volksbund nun auch diverse Fortbildungen über Rechtsextremismus an.

„Die Zeiten, in denen man junge Leute jahrein und jahraus nur mit Gräberputzen beschäftigen konnte, sind eben vorbei“, hieß es unter Meckel etwas abfällig über die eigene Kernaufgabe, die Ruhestätten zu erhalten und zu pflegen. Dies erledigen oft junge Erwachsene im Ehrenamt.

Zum hundertjährigen Bestehen 2019 gab die Organisation bei, so der Volksbund, „kritischen Historikern“ eine Studie in Auftrag. Diese bemängelte die Gedenk- und Erinnerungskultur. Noch bis in die 1960er habe der Verein Soldaten heroisiert, den Zweiten Weltkrieg als Verteidigungskrieg dargestellt und anderen Opfern die gleiche Anerkennung wie Soldaten verweigert.

In der DDR war der Volksbund verboten

Bis in die Gegenwart tue sich der Verein schwer, Täter und Opfer zu differenzieren und klar zu benennen. Aber die überwiegend linken Autoren gaben aus ihrer Sicht auch Entwarnung. Es bessere sich vieles, da der Anteil direkter Verwandter, die das Andenken an ihre Angehörigen verunglimpft sehen könnten, zurückgegangen sei. Dennoch warfen sie dem Verein vor, sich nicht von Mitgliedern abzugrenzen, die am „Heldengedenken“ festhielten.

Schon seit sechs Jahrzehnten betreut der Volksbund Gräber aller Opfergruppen; neben denen der Bombentoten auch die des Holocaust. Bei den Ruhestätten der Soldaten beschränkt er sich nicht auf die Weltkriege. Die Gräber von Gefallenen der deutschen Einigungskriege gegen Frankreich und Dänemark läßt er genauso pflegen wie Friedhöfe und Denkmäler aus der deutschen Kolonialzeit.
Die SED hatte die Organisation in der DDR verboten.

Erst nach der Wiedervereinigung gründete der Volksbund 1991 in den damals neuen Ländern Verbände. Mit dem Fall der Mauer und dem Zusammenbruch der anderen sozialistischen Regime konnte der Verein seine Arbeit in Osteuropa aufnehmen. Schon 1995 stieg dadurch die Zahl der betreuten Friedhöfe auf 459 mit 1,6 Millionen Kriegsgräbern in 34 Staaten. 2019 hatte das Betätigungsfeld seine heutige Rekordgröße erreicht.

Schwindende Mitgliederzahl

Im Gegensatz dazu schrumpft der Verein. Allein im vergangenen Jahr verlor der Volksbund 4.013 Mitglieder auf nur noch 78.103 – ein Minus von 4,9 Prozent. In den vergangenen 15 Jahren sind es summiert sogar fast die Hälfte. Die Organisation leidet unter der Überalterung. Die Sterbefälle übersteigen bei weitem die Neuaufnahmen. Der Altersdurchschnitt liegt bei über 70 Jahren. Am stärksten war der Volksbund 1943. Damals zählte er 993.572 Mitglieder.

Auch die Zahl der hauptamtlichen Mitarbeiter ging im vorigen Jahr von 567 auf 540 zurück. 218 sind im Ausland tätig. Dennoch verschlingen die Verbandsausgaben mit 11,8 Millionen Euro 23 Prozent des zur Verfügung stehenden Budgets in Höhe von 51,3 Millionen Euro. 21,8 Millionen fließen in die „Fürsorge für die Ruhestätten“ und 17,8 Millionen in die „Wahrung und Pflege des Gedenkens“.

Hauptgeldgeber ist die Bundesregierung mit 21,1 Millionen Euro. Von Spendern kommen 11,8 und von den Mitgliedern 3,9 Millionen Euro. Der Rest verteilt sich auf diverse Einzelpositionen, darunter 7,8 Millionen aus Nachlässen.

Nachdem die Präsidentschaft des Vereins seit 1987 in den Händen von drei SPD-Politikern und einem CDU-Funktionär lag, hat vor fünf Jahren ein früherer Soldat die Führung übernommen. Der General a.D. und ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr Wolfgang Schneiderhan wurde vor drei Wochen einstimmig im Amt bestätigt und bis 2025 gewählt.

Am Volkstrauertag wird der 75jährige dem Totengedenken des Bundespräsidenten aus der ersten Reihe zuhören. Ob Steinmeier seine Worte noch einmal politisch anpassen wird, dürfte auch Schneiderhan gespannt verfolgen. Kommentieren wird er sie als erfahrener Offizier wahrscheinlich nicht.

JF 46/21

Kriegsgräber in Rostock Foto: picture alliance / ZB
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