Im Berlin der 90er Jahre entwickelt der Kunststudent Carsten einen Algorithmus, um eine visuelle Installation darzustellen. Leider funktioniert dieser mehr schlecht als recht; oder im Computerjargon: er ruckelt und hängt sich auf. An Wochenenden legt Carsten als DJ auf Partys auf. Dabei sieht der Hacker Juri die Installation. Der sonst so introvertierte Hacker, Mitglied des Berliner Chaos Computer Clubs, geht auf Carsten zu und bietet an, den Algorithmus zu verbessern.
Die beiden werden Freunde und gründen die Firma „Art+Com“. Zusammen entwickeln sie das Programm „TerraVision“, das die Grundlage wird für das, was wir heute als Google Earth kennen.
Carsten und Juri behaupten, daß Google ihren Programmcode gestohlen und damit Google Earth entwickelt habe. Über 20 Jahre später führen sie einen Patentstreit gegen Google in den USA.
Prozeß um „TerraVision“ blieb weitgehend unbeachtet
Die neue Netflix-Produktion „The Billion Dollar Code“ aus Deutschland erzählt in vier Folgen die Geschichte hinter „TerraVision“. Der Gerichtsprozeß in den USA dient als Rahmen für die Geschichte. Die Serie nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise ins Berlin kurz nach der Wende. Sie gehört ins Genre des Wirtschaftskrimis.
Die Folgen zeigen die Vorgänge auf zwei Zeitebenen: einmal im Berlin der 1990er Jahre und 2014, als der Prozeß gegen Google im amerikanischen Delaware geführt wurde. Der fand damals kein nennenswertes mediales Echo in Deutschland. Wer nach dem Programm „TerraVision“ googelt, landet erst mit ein wenig Geduld bei der Software-Schmiede „Art+Com“.
Die ursprüngliche Idee zum Programm kam 1993 Joachim Sauer, der später Professor an der Universität der Künste in Berlin wurde, dem Künstler Gerd Grüneis und den beiden Programmierern Pavel Meyer und Axel Schmidt. Zusammen gründeten sie die Firma für Medienkunst „Art+Com“. In der Serie verschmilzt der Serienmacher Oliver Ziegenbalg die vier Firmeninhaber zu jeweils zwei Personen, die klischeehaft für ihre Figuren stehen: hier der Kunststudent Carsten Schlüter (jung: Leonard Scheicher, älter: Mark Waschke) und auf der anderen Seite der Programmierer Juri Müller (jung: Marius Ahrendt, älter: Mišel Matičević).
Die Serie erzählt von geplatzen Träumen und Verrat
Vom Computer aus jeden Ort der Welt anzufliegen und näher zu betrachten, ist heutzutage mit jedem Smartphone möglich. 1993 war dies jedoch noch Zukunftsmusik. Das lag auch an der benötigten Rechenleistung. Zudem waren damals solche Rechner teuer. Deshalb traf es sich gut, daß nach der Wiedervereinigung große Unternehmen verpflichtet wurden, in der Hauptstadt zu investieren. Somit trat die deutsche Telekom auf den Plan und wurde zu einem Venture-Kapitalisten, bevor der Begriff in Deutschland überhaupt bekannt war. Die Telekom pumpte Millionen von D-Mark in das Projekt und heraus kam ein über einen Globus gesteuertes Programm. Mit der Telekom im Rücken wurde die Installation in der ganzen Welt ausgestellt.
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Weil für ein Programm wie „TerraVision“ damals Hochleistungsrechner, wie sie die Spezialeffekte für Hollywood entwickelnde Softwareschmiede Silicon Graphics besaß, benötigt wurden, geht es in der Serie für Carsten und Juri ins Silicon Valley. Die beiden treffen auf den Kopf hinter Silicon Graphics, Brian Anderson, der im wahren Leben Michael T. Jones hieß. Für Juri ist Anderson ein Gott und deswegen erklärt er ihm bereitwillig die Funktionsweise hinter dem Algorithmus „TerraVision“.
Anderson ist begeistert, gründet seine eigene Firma und geht damit später zu Google. Der Kontrast zwischen der kalifornischen Hippie-High-Tech Kommune in der Wüste mit psychedelischen Programmierern und dem grauen Berlin mit seinen langweiligen Bürohäusern wird gut herübergebracht. Es wird nicht nur die Geschichte hinter einem geplatzten Traum erzählt, sondern auch die von Verrat und Freundschaft.
Obwohl das Ende schon bekannt ist, bleibt die Serie trotzdem spannend bis zum Schluß. Das liegt auch daran, weil sie sich weitestgehend an die historischen Fakten hält.
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„The Billion Dollar Code“ ist in vier Folgen auf Netflix abrufbar.