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Vor dem Urnengang: Ein Wahlkampf wie ein „Scripted Reality“-Format

Vor dem Urnengang: Ein Wahlkampf wie ein „Scripted Reality“-Format

Vor dem Urnengang: Ein Wahlkampf wie ein „Scripted Reality“-Format

Plakate der Kanzlerkandidaten: Protagonisten im Wahlkampfdrehbuch Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Michael Sohn
Plakate der Kanzlerkandidaten: Protagonisten im Wahlkampfdrehbuch Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Michael Sohn
Plakate der Kanzlerkandidaten: Protagonisten im Wahlkampfdrehbuch Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Michael Sohn
Vor dem Urnengang
 

Ein Wahlkampf wie ein „Scripted Reality“-Format

Der Bundestagswahlkampf erinnert an ein Drehbuch: die Rollenverteilung, die Handlung – mal vorhersehbar, mal mit Wendungen angereichert, das könnte glatt ein „Scripted Reality“-Format sein. Blöd nur, wenn die Realität in Form eines drohenden Terroranschlags die Handlung stört. Ein Kommentar.
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Irgendwie könnte man zu dem Schluß kommen, daß es das Beste ist, die komplette Wahlberichterstattung langsam unter „Scripted Reality“ zu subsumieren. Ich bringe daher hiermit meine Hochachtung vor den Autoren der beteiligten Sendeanstalten und sonstigen Medien zum Ausdruck. Spannender hätte man es kaum gestalten können, mit dem Aufstieg und Fall der jungen Grünen-Kandidatin, der gescheiterten Inhouse-Revolution bei der CDU/CSU und dem wundersamen Aufstieg der SPD als Abschluß, dies alles garniert mit Einwürfen der kleinen Parteien –  wobei die CSU es wundersamer Weise schafft, sowohl bei den großen als auch den kleinen Parteien mitzuspielen, und das von Bayern aus – und sorgsam platzierten Interventionen aus der Realität wie einer Flut, der sich ständig verändernden Corona-Situation und anderen spontanen Einfällen.

Live bei der Arbeit war die Mannschaft am gestrigen Abend bei den Fragen aus der Zivilbevölkerung an CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet zu begutachten. Fans von ihm waren – im Gegensatz zu den Sendungen mit Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne) – nicht anwesend. Der Mann hat schließlich noch nicht mal in seiner eigenen Partei Fans. Das steht so im Script. Die Frager und ihre Fragen waren daher auch sorgsam ausgesucht, wurden von ausgewählten Instituten gecoacht – worüber die Entscheider im Sender natürlich offiziell nicht informiert waren – und deckten das komplette Spektrum dessen ab, was unsere Medienschaffenden glauben, dem Publikum zumuten zu können.

Dazu gehörte natürlich – anderthalb Wochen vor der Wahl – die Frage eines Wählers, warum Armin Laschet sich nicht von der Spitzenkandidatur zurückziehe, und die jungen Frager gaben sich alle Mühe, der Jugend eine Stimme zu geben und ihre Angst vor dem Klimawandel zum Ausdruck zu bringen. Schließlich steht im Script, daß die Jugend an nichts anderes mehr denkt als den Klimawandel und sonst gar nichts, und daß sich auch die Älteren langsam sorgen, was sie ihren Nachkommen für eine Welt hinterlassen. Da wäre es natürlich schlecht gewesen, wenn eine junge Frau beispielsweise nach der Gefahr durch den islamistischen Terror gefragt hätte.

 Das Wahlkampfdrehbuch läuft nicht nach Plan

Der regt sich jetzt blöderweise auch noch kurz vor der Wahl; wie unpassend. Da wird dann erst stundenlang gemeldet, daß die Synagoge in Hagen abgeschirmt sei, aber der Anlaß bleibt offen. Als es zu einer Festnahme kommt, handelt es sich um einen mutmaßlichen syrischen Islamisten im Alter von 16 Jahren. Sehr schade, daß man im Kinderzimmer des Verdächtigen nicht ein Eisernes Kreuz oder irgendetwas anderes aus der Nazi-Ecke sichergestellt hat. Wer das ins Skript reingeschrieben hat, ist bei der nächsten Wahl garantiert nicht mehr dabei. Schlamperei, verdammte.

Aber ansonsten läuft alles nach Plan. Die meisten Fake-Meldungen richten sich natürlich gegen die Grünen, Armin Laschet ist schwach und wird seine Chancen nicht nutzen können, die FDP hat definitiv kein Konzept gegen den Klimawandel, selbst wenn sie eins hat. Die Linkspartei will aus der Nato aussteigen oder auch nicht, die AfD hat noch mehr illegale Spenden eingenommen, Markus Söder steht treu an der Seite Armin Laschets, würde ihn aber ansonsten gerne beerben, Olaf Scholz ist ein Muster an Solidität, und auch die kurzfristige Krise mit der Hausdurchsuchung in seinem Ministerium wird er aussitzen können – oder haben die Autoren da einen neuen Twist eingebaut?

Wir werden es erst wissen, wenn die Wahl vorbei ist, aber selbst dann steht zu befürchten, daß unter dem Schlagwort „Koalitionsverhandlungen“ noch so einige Sequels kommen werden. Was aber nichts daran ändert, daß das gewünschte Ende schon im Script feststeht. Es wird nur noch nicht verraten.

Plakate der Kanzlerkandidaten: Protagonisten im Wahlkampfdrehbuch Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Michael Sohn
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