Es geht weiter, immer weiter … Keine Woche, ja nahezu kein Tag vergeht, an dem die selbsternannten Kulturkritiker der neuen Zeit bei ihrer unerbetenen Aufarbeitung der kulturellen Vergangenheit nicht irgendetwas finden würden, was sie im Sinne der politischen Korrektheit problematisieren könnten. Dabei kann ihnen kein Anlaß zu nichtig und kein Kulturgut zu trivial sein.
Ob prügelfreudige und „ein bißchen rassistische“ Gallier in den Asterix-Comics, irgendwelche „stereotypen Parodien in irgendeiner 20 Jahre alten Comedyshow, weiße Schauspieler, die nichtweiße Zeichentrickfiguren synchronisieren, Pornos mit „rassen-fetischisierenden“ oder gar sexistischen (!) Inhalten – den strengen, niemals ruhenden Augen der Tugendwächter von der freiwilligen Fremdkontrolle entgeht kein politisch inkorrektes Vergehen.
Neben zahlreichen Literaturklassikern, in denen schlimme Worte ausgeschrieben stehen, die für die immer woke Kulturmimose von heute so verletzend sind, daß von ihnen allenfalls noch der Anfangsbuchstabe erlaubt ist, geraten auch immer wieder alte Filme ins Kreuzfeuer der sozialen Gerechtigkeitskrieger. Moderne Streaming-Dienste zeigen Streifen wie „Vom Winde verweht“ oder die Disney-Klassiker „Peter Pan“ oder „Aladdin“ nur noch mit voriger Rassismus-Warnung, damit die empfindliche, sensibilisierte Zuschauer-Seele von heute beim Dauerglotzen in den Semesterferien zumindest weiß, was da Schreckliches aus der Vergangenheit auf sie zukommt.
Damals wurde man noch ausgelacht
Aktuell hat es hierzulande gerade den „Schuh des Manitu“ getroffen. Der erste große Kinoblockbuster von Erfolgsproduzent Michael „Bully“ Herbig feiert dieser Tage sein 20jähriges Jubiläum. Für die Überzeugungsspaßbremsen aus dem „bunten“ Land der schlechten Laune ein willkommener Anlaß, die Komödie, die mit über elf Millionen Zuschauern bis heute einer der erfolgreichsten deutschen Filme aller Zeiten ist, noch einmal genau unter die Lupe zu nehmen.
Wäre doch gelacht, wenn man den Freunden der leichten Unterhaltung nicht mit schweren Vorwürfen die Party und den Spaß verderben könnte. Freilich muß ein moderner Kulturmarxist bei der Karl-May-Persiflage aus dem Jahr 2001 nicht lange suchen. Das mußte einst schon der Winnetou-Darsteller Pierre Brice nicht, der bei einem legendär-skurrilen „Wetten, daß..?“-Auftritt den Häuptling Beleidigte Leberwurst spielte und den Humoristen wegen ihres respektlosen Umgangs mit dem Karl-May-Film-Erbe sogar indirekt eine Mitschuld an den Anschlägen vom 11. September gab.
Damals wurde man für eine solch peinliche Überempfindlichkeit aber noch von der ganzen Nation ordnungsgemäß ausgelacht. Das ist heute leider anders. Der Autor Johannes Kram hat heute andere Probleme mit der Bully-Komödie als der französische Indianer sie hatte. Seit Jahren kritisiert der professionelle Marketingstratege und ehemalige Manager von Guildo Horn, mal mehr mal weniger öffentlichkeitswirksam, „Der Schuh des Manitu“, habe Klischees über Homosexuelle kultiviert und lange dafür gesorgt, daß „queere Belange“ nicht ernst genommen wurden.
Die eigenen Befindlichkeiten zum Beruf gemacht
Sogar ein ganzes Buch („Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber …“) hat der Blogger zu dem Thema geschrieben. Die Witze im Film beschreibt er als „eine Renaissance des Schenkelklopferspaßes der Wirtschaftswunderzeit“, gerade so als ob das etwas Schlechtes wäre. Bullys „Tuntenparodien“ seien, im Gegensatz zu anderen Schwulenwitzen rund um das Jahr 2000 – etwa von Stefan Raab oder Oliver Pocher – zwar oft fein beobachtet und gekonnt gespielt, jedoch dränge sich der Verdacht auf, daß man in der damals rot-grünen Republik mit der neuen Eingetragenen Lebenspartnerschaft für Lesben und Schwule irgendwie erwartete, daß die Homos nun zufrieden sein müßten und gefälligst bei ihrer Lächerlichmachung mitlachen sollten.
Wie so viele in der Woke-Bubble hat Kram die eigenen Befindlichkeiten und das Vorwürfemachen zum Beruf gemacht. Auch Dieter Nuhr und Jürgen von der Lippe wehrten sich schon gegen seinen Vorwurf der „Alltagshomophobie“. Auch sonst hat der Textdichter kaum ein anderes Thema bei seiner Arbeit. Wie auf Wikipedia zu lesen ist, war Kram einer der Gründungsherausgeber des Medien-Debattenportals „Vocer“ sowie Verfasser und – zusammen mit dem „Bund Lesbischer und Schwuler JournalistInnen“ – Initiator des Waldschlößchen-Appells gegen Homophobie in den Medien.
Im Juli 2017 wurde Kram zum Themenbotschafter der Charta der Vielfalt für das Thema „Sexuelle Orientierung und Identität“ ausgewählt. Zudem schrieb er von 2016 bis 2019 eine monatliche Kolumne mit dem Titel „Politically Correct!“ für den extrem einseitigen Medien-Watchblog „Bildblog“. Vielleicht erklärt diese Eingeschränktheit seines Schaffens auch, daß der schreibende Aktivist wirklich glaubt, professionelle Comedy-Autoren würden bei ihren Brainstormings und Schreib-Sessions tatsächlich zusammensitzen und sich überlegen, wie sie den Homosexuellen eine satirische Retourkutsche dafür geben könnten, daß sie in Deutschland heiraten dürfen.
Homosexuelle fanden die Veralberungen lustig
Die meisten Homosexuellen hatten übrigens nicht das Gefühl, daß sie sich die Witze gefallen lassen müssen. Sie haben ihnen ganz einfach gefallen. Der „Schuh des Manitu“ und vor allem der Nachfolge-Film des Teams der damaligen ProSieben-Show „Bullyparade“ wurden sogar zu absoluten Kult-Hits in weiten Teilen der Schwulenszene.
Herbig selbst zitiert gerne seinen Kollegen Thomas Hermanns zu dem Thema: „Also die einzigen, die die Schwulen parodieren dürfen, sind Bastian Pastewka und der Bully Herbig. Weil genauso klingt es, wenn man in München zum Friseur geht.“ Der neue Häuptling vom Stamme der beleidigten Leberwürste war mit seiner schlechten Laune beim Schauen des „Schuh des Manitu“ und anderer liebevoller Veralberungen offenbar doch gar nicht so unzutreffender Schwulen-Klischees „rund um das Jahr 2000“ also schon immer ziemlich alleine.
Daß viele Journalisten seine Kritik jetzt, 20 Jahre nach erschienen des Films, wieder aufgreifen, dürfte für den Marketing-Experten da zumindest eine späte Genugtuung sein.