Groß war die Aufregung, als sich Ende vergangenen Jahres abzeichnete, daß der generelle Abschiebestopp nach Syrien ausläuft und nicht verlängert wird. Ab 2012 durften syrische Flüchtlinge nicht mehr in ihre Heimat zurückgeschickt werden. Doch die Innenminister von Bund und Ländern konnten sich nicht auf eine Fortsetzung dieser Vereinbarung verständigen.
Diejenigen mit SPD-Parteibuch waren dafür, von den Ministern aus der Union gab es Widerstand. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) kritisierte, niemand dürfe in ein Land abgeschoben werden, in dem ihm Verfolgung, Folter oder gar der Tod drohten. Bundestags-Vize Claudia Roth (Grüne) mahnte, Syrien sei ein „Folterstaat, eine Diktatur und weiterhin ein Kriegsland“. Den Abschiebestopp nicht zu verlängern, sei „ein Skandal und an Verantwortungslosigkeit nicht zu überbieten“.
Phantomdebatte mit Theaterdonner
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Bundesinnenminister Horst Seehofer (beide CSU) betonten, es gehe nur um eine kleine Gruppe von Syrern, etwa islamistische Gefährder oder solche, die schwere Straftaten begangen hätten. Dem hielt die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, entgegen, Menschenrechte seien „unteilbar“ und würden auch für Gefährder und Straftäter gelten.
Knapp ein halbes Jahr später entpuppt sich die damalige Diskussion nun als Phantomdebatte mit viel Theaterdonner. Seit dem 1. Januar dieses Jahres können potentielle islamistische Terroristen, Gefährder, Schwerstkriminelle und auch Anhänger das Assad-Regimes aus Syrien in ihre Heimat abgeschoben werden – theoretisch.
In der Praxis zeigt sich dagegen, daß von der Möglichkeit kein Gebrauch gemacht wird. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner fragte Anfang Juni die Bundesregierung, wie viele Straftäter und Gefährder mit syrischer Staatsangehörigkeit zwischen Januar und Mai aus Deutschland nach Syrien abgeschoben worden seien.
„Rückführungen haben nicht stattgefunden“
Die Antwort des Staatssekretärs im Innenministerium, Stephan Mayer (CSU), die der JUNGEN FREIHEIT vorliegt, fiel recht wortkarg aus. „Nach Kenntnis der Bundesregierung haben Rückführungen in die Arabische Republik Syrien im erfragten Zeitraum nicht stattgefunden.“
Daß es durchaus Kandidaten für eine Abschiebung gäbe, zeigt eine frühere Anfrage Brandners vom vergangenen Oktober an die Bundesregierung. Damals kam heraus, daß Ausländer, die in Deutschland Gewalttaten begehen, am häufigsten syrischer Herkunft sind. So waren 2019 rund 37,5 Prozent aller verdächtigen Gewalttäter Ausländer. Und unter diesen wiederum waren Syrer mit 12,2 Prozent am stärksten vertreten. Das Auslaufen des Abschiebestopps zum 31. Dezember 2020 hatte für sie allerdings keine Konsequenzen.