Dem Corona-Maßnahmenstaat trotzen – das versuchen einige. Überzeugend gelang dies, zumindest intellektuell, der alljährlichen Mises-Konferenz im Münchner Fünf-Sterne-Hotel „Bayerischer Hof“. Die fand in diesem Jahr am 10. Oktober statt, dem Todestag des libertären Ökonomen Ludwig von Mises. Quasi als Stargast hatten sich die Organisatoren Hans-Werner Sinn geladen, der seinem Ruf als „Deutschlands Chefökonom“ und engagierter Hochschullehrer auch heute – vier Jahre nach seiner Zeit als Präsident des Müncher ifo-Instituts – gerecht wurde.
Den Vortragsreigen eröffnete wie gewohnt Gastgeber Thorsten Polleit als Präsident des Mises Instituts Deutschland, der auf den „immer aggressiveren Angriff“ des unerkannten, besonders einflußreichen „Sozialismus-Virus“ hinwies, das allerdings „keine Überlebenschance“ habe, würde es mit freiheitlichen Wirtschaftsgedanken konfrontiert.
Entsprechend entfaltete Andreas Marquardt, Vorstand des Mises-Instituts, in seinem anschaulichen Vortrag, „wie das Papiergeldsystem für Ressourcenverschwendung sorgt“ seine Gedanken. Der manipulierte Zins wirke dabei wie ein defektes Navigationssystem. Durch die Nullzinspolitik und das Fiatgeld würden Investitionen getätigt, die keine notwendigen (primären) Ziele verfolgten und daher zur Ressourcenverschwendung von Rohstoffen führten wie etwa die Bauruinen des spanischen Immobilienbooms in Piles bei Valencia.
Manipulierte Zinsen ermöglichten unrentable Investitionen
Dabei sei die weltweite Zementherstellung für acht Prozent des anthropogenen CO2 verantwortlich, während dessen Produktion weiterhin frei von CO2-Zertifikaten der EU sei. Ebenso sei der Stromverbrauch der durch die EZB-Politik am Leben erhaltenen Zombie-Firmen in Anschlag zu bringen, deren Anteil sich auf mindestens sechs Prozent belaufe. So ermögliche der manipulierte Zins Investitionen, die unrentabel sind. Beispielhaft seien hier auch diverse Flughafenprojekte in Europa sowie 42 Geisterhäfen in fünf europäischen Ländern oder Maut-Autobahnen in Portugal, die keine Kundschaft hätten. Teure, unsinnige Infrastrukturprojekte zerstörten so Landschaft und Natur – das klang nun fast nach grüner Parteitagsrede.
(1 / 3) Nochmals herzlichen Dank allen Gästen und Vortragenden, die wir auf der 8. Jahreskonferenz des Ludwig von Mises Institut Deutschland am 1o. Oktober 2020 im Hotel Bayerischer Hof in München begrüßen durften. Danke auch allen Förderern und Unterstützern! pic.twitter.com/hevKKlZqUR
— Thorsten Polleit (@ThorstenPolleit) October 12, 2020
Hier schloß Andreas Tiedtke an, promovierter Jurist und Publizist, der die „Umwelt- und Katastrophen-Meme im Dienste des Interventionismus“ aber einer kritischen Betrachtung unterzog. Zu des Zeitgeists „Memen“ (sprich: Problemen) zählten Überbevölkerung, Klimaerwärmung, Pandemien, Dürren, Flächenfraß oder die Grenzen des Wachstums. Dabei führten diese Probleme zu einer globalen politischen Agenda, die – wie im Falle der „Klimaerwärmung“ – als „pre crimes“ zu klassifizieren seien, bei denen den betroffenen Bürgern kein Verteidiger zur Seite stehe.
So seien die Diskurse zur Klimaerwärmung und zur Corona-Pandemie gekennzeichnet von Statistiken, die immer dann zur Anwendung kämen, wenn keine Kausalität nachweisbar sei. So genüge die Behauptung, daß 97 Prozent der Klimawissenschaftler an eine menschengemachte Klimaerwärmung glaubten, keinen wissenschaftlichen Ansprüchen und verglich dies mit dem Glas Wasser, das mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit zu Boden fällt, weil hier eine klare Kausalität vorliegt.
Sinn geißelt wirklichkeitsfremde Ziele der EU
Diese Problematik ergänzte der Ökonom Jörg Guido Hülsmann. In seinem Exkurs über die „Politische Ökonomie des Klimawandels“ verwies das Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste auf die entlarvende Methodik des Weltklimarats IPCC, der sich auf dubiose Statistiken, Modulationen und Korrelationen berufe, die allesamt unbewiesen seien und dementsprechend bereits mehrfach korrigiert werden mußten. Darüber hinaus sei es ein „neomarxistischen Ammenmärchen“, wenn behauptet wird, daß der Reichtum des Westens auf der Ausbeutung der Dritten Welt beruhe.
Den Höhepunkt der Mises-Konferenz bildete dann erwartungsgemäß Hans-Werner Sinn, der in seinem Vortrag über „Das Klimaproblem und die deutsche Energiewende“ um deutliche Worte nicht verlegen war, als er „das grüne Paradoxon“ illustrierte, so der Titel des von Sinn bereits 2008 veröffentlichen Buches. Dies zeige sich an den gewaltigen Vorleistungen Deutschlands bei der CO2-Reduktion seit Anfang der neunziger Jahre. Tatsächlich bedeuteten die vom EU-Parlament beschlossene Reduktion des CO2-Ausstoßes auf 60 Prozent weniger als 1990 für Deutschland sogar eine Einsparung von 70 Prozent.
Wie wirklichkeitsfremd das EU-Ziel ist, bis zum Jahr 2050 „klimaneutral“ zu sein, demonstriere das Beispiel China, wo weiterhin neue Kohlekraftwerke ans Netz gingen. Wenn Deutschland – wie beabsichtigt – 40 Prozent der Stromerzeugung abschalte und schließlich noch den Verkehr elektrisch betreiben wolle, „dann braucht man das gar nicht erst ausrechnen – das kann gar nicht gehen“, so Sinn. Wenige Tage zuvor sei er bei Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) gewesen, die unisono den Kopf geschüttelt hätte ob der von Angela Merkel exekutierten Energiewende.
Konventionelle Kraftwerke blieben unverzichtbar
Dabei liegt das DPG-Haus am Berliner Kupfergraben, nur eine Hausnummer neben der Kanzlerin, die ja promovierte Physikerin ist. Die sorge dafür, daß die Strompreise für die privaten Haushalte in Deutschland im zweiten Halbjahr 2019 mit 28,73 Cent pro Kilowattstunde fast an der Spitze stehen. Nur in Dänemark waren es mit 29,24 Cent noch etwas mehr. Demgegenüber lag der Strompreis in Bulgarien bei 9,58 und in Ungarn bei 10,97 Cent. Sonne- und Windenergie seien nur komplementäre Stromquellen, aber keine Substitute, da eine Speicherlösung für den grünen Flatterstrom „völlig utopisch“ sei, führte Sinn aus.
Die EU setzte auf Pumpspeicherwerke, die allerdings nach einer großen geologischen Studie der EU vornehmlich in Norwegen errichtet werden können. Maximal könnten die in Westeuropa möglichen (hypothetischen) Pumpspeicherwerke 1,6 Terrawattstunden speichern. Benötigt würde aber die zehnfache Menge, wenn man den ganzen deutschen Strom begrünen und keine Stromspitzen abschneiden und entsorgen wolle. Eine Batteriespeicherung komme nach einer Studie der Leopoldina, der deutschen Akademie der Wissenschaften, aus Kostengründen überhaupt nicht in Frage. Nur eine Speicherung mit Wasserstoff sei möglich. Allerdings bedeute dies einen sehr reduzierten Wirkungsgrad von nur etwa einem Viertel. Mit synthetischen Kraftstoffen, die aus Wasserstoff hergestellt werden, sei der Wirkungsgrad wiederum nur ein Bruchteil davon.
Im Übrigen blieben die konventionellen Kraftwerke – entgegen den heutigen Verlautbarungen – dabei als Reservekraftwerke unverzichtbar. Andernfalls, so ein Zuhörer, dürften die vielen Dunkelflauten aus der ganzen Bundesrepublik ein „Dunkeldeutschland“ machen. Vor diesem Hintergrund sei der weitere Ausbau „grüner Energie“ zwar richtig, eine annähernde Vollversorgung sei aber unmöglich. Die Klimaziele der EU ließen sich nur mit Kernkraftwerken erreichen.
Atomkraftwerke seien sicherer als Wind- und Kohlekraftwerke
Besonders deutlich würde die Diskrepanz am Beispiel der Elektroautos, das auch „der Tod der Autoindustrie“ sei, warnte Sinn. Allerdings befänden sich die deutsche Vorzeigebranche und das verarbeitende Gewerbe bereits seit September 2018 in der Rezession, nicht erst seit dem Corona-Lockdown. Die von der EU verbreitete Botschaft, wonach E-Autos mit „Null CO2“ angesetzt würden, sei eine „Schummelei“, die sich auf derselben Ebene des Betrugs abspiele wie bei der Dieselabgas-Manipulation. So verbrauche ein Diesel bei einer angenommenen Laufleistung von 180.000 Kilometern signifikant weniger CO2 als das Tesla-Modell.
Entsprechend werde durch den Wechsel zum E-Auto der CO2-Ausstoß vergrößert. Ähnlich verhalte es sich mit dem Ölpreis: Werde das Öl in Deutschland und Europa verteuert oder gar verboten, so sinke dessen Preis im Rest der Welt und es werde eben woanders entsprechend mehr verbraucht. So verwundere es auch nicht, daß in der Klimadebatte die Hälfte des Marktes (nämlich die Ölstaaten) gar nicht vorkämen. Im gegenwärtigen Deutschland, so Sinns Fazit, werde eine Politik exekutiert, die „verdachtsweise die deutsche Autoindustrie vernichtet“, so wie sie „heute mit nicht getestetem Impfstoff zu impfen“ beginne.
Vor diesem Hintergrund erschienen Atomkraftwerke als die sichersten Kraftwerke überhaupt – noch vor den Wind- und Kohlekraftwerken, die viel mehr Menschenleben forderten. Außerdem sei die Forschung neuer Reaktor-Typen und -Techniken in Rechnung zu stellen. Wenn überhaupt ein CO2-Emissionshandel stattfinden soll, so Sinn, müsse dieser gleichzeitig weltweit Anwendung finden, mit dem gleichen Preis für alle. Solange wir einseitig die CO2-Reduktion betrieben, sei dies „spieltheoretisch vollkommen unlogisch“. Europa sei auch kein „Climate Club“, der groß genug wäre, um den weltweiten Emissionshandel durchzusetzen.
Staatliche Klimapolitik zerstöre die Marktwirtschaft
Hier schloß Gastgeber Polleit an, der „absolute Eigentumsrechte“ als „ökologischen Imperativ“ verstehen wollte. Die klimapolitischen Eingriffe wie eine CO2-Steuer auf Benzin, Heizöl oder Strom führten dazu, daß die betroffenen Firmen sukzessive ins Ausland gingen. Begleitet würde dieser Prozeß durch ein euphemistisches Framing, indem kollektivistische oder vielmehr sozialistische Direktiven unter dem Begriff „marktkonform“ firmierten. Tatsächlich aber sei die staatliche Klimapolitik ein trojanisches Pferd, um die marktwirtschaftlichen Restbestände Deutschlands zu zerstören.
Doch was tun? Ohne das berüchtigte Diktum Lenins zu zitieren, erläuterte Sinn ernüchtert, daß der Ökonom gegenüber dem Politiker absolut nichts bewirken könne, wenn er sich nicht in den öffentlichen Diskurs einschalte und ergänzte: „Wir müssen als Volkswirte das Volk beraten – nicht die Politik.“ Entsprechend geißelte Sinn schonungslos die Energiewende: „Die Windflügel sind Sakralbauten für ein neues Glaubensbekenntnis.“ Indem der Zins, das wichtigste Element des Kapitalismus, dem Markt entzogen werde, gehe der Wohlstand in den Ländern Europas verloren. Es sei soweit, daß der „Neo-Sozialismus bereits wieder an die Tür klopft.“ Dabei sei nicht der „ermächtigte“ Staat das Problem, sondern die „ermächtigte EZB“ und der „Green Deal“ der EU, der Kaufvorgaben für die EZB schaffe. 2008 gab es demnach eine Billion Euro Zentralbankgeld, heute seien es vier Billionen Euro.
In seinem Schlußwort gab Polleit den Zuhörern eine klare Botschaft mit auf den Weg: „Es ist nicht alternativlos.“ Das untermauert er selbst in seinem Buch mit dem aufklärerischen Titel „Der Antikapitalist. Ein Weltverbesserer, der keiner ist“ , das vor Ort sofort vergriffen war.
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In Kürze erscheint ein Video-Mitschnitt der Konferenz auf der Seite des Mises-Instituts.