Ja, macht nur einen Plan. Der „Kompromiß“ einer Regierungskommission zum Ausstieg aus der Stromerzeugung mit Braun- und Steinkohle sagt vor allem etwas darüber aus, daß sozialistisches Denken in den Führungsetagen der deutschen Politik wieder quicklebendig ist. Statt Fünfjahresplänen zum Aufbau des Sozialismus haben wir jetzt einen Zwanzigjahresplan zum „Kohleausstieg“. Die Hybris dahinter ist dieselbe: der Wahn, ökonomische Entwicklungen und technologischen Fortschritt durch bürokratische Beschlüsse voraussagen und steuern zu wollen.
Der mit Glaubensinbrunst verkündete „Kohleausstieg“ exekutiert mit teutonischer Gründlichkeit eine aus abstrakten Vorstellungen abgeleitete Idee, ohne sich um die Realitäten sowie um technische und ökonomische Rationalität zu kümmern. Und ohne Rücksicht auf die daraus folgenden Schäden und Belastungen sowohl für die gesamte Volkswirtschaft als auch für die Bürger.
Richtige Erkenntnisse und fragwürdige Theorien
In der „Klimaschutz“-Ideologie, mit der die politisch erzwungene Abwicklung der Kohleverstromung begründet wird, vermischen sich richtige Erkenntnisse mit fragwürdigen Theorien, die Panik- und Endzeitstimmung schüren sollen, um damit politischen Zeit- und Moraldruck für die Durchsetzung einschneidender Zwangsmaßnahmen zu erzeugen.
Richtig ist, daß die Ressourcen an fossilen Energieträgern – Erdöl und Kohle – endlich sind und daß ihre Nutzung mit erheblichen Belastungen für Mensch und Umwelt verbunden ist. Richtig ist auch, daß aus diesen Gründen ein sparsamer und schonender Umgang mit den Ressourcen ebenso notwendig ist wie die Erforschung und Erschließung von neuen, alternativen Energiequellen, um auch künftig den erreichten hohen Standard von Zivilisation und Wohlstand erhalten und eine wachsende Weltbevölkerung versorgen und daran teilhaben lassen zu können.
Ob die mit der Nutzung fossiler Rohstoffe verbundene Freisetzung von gebundenem Kohlenstoff ursächlich ist für eine angenommene menschengemachte Klimaerwärmung, kann man mit guten Gründen bezweifeln. Doch auch wenn man sich diese Theorie zu eigen macht, ist sie für die Bewertung von „Energiewende“ und „Kohleausstieg“ in Deutschland unerheblich. Denn unser Anteil am weltweiten Ressourcenverbrauch und den Kohlendioxidemissionen ist viel zu gering, als daß sämtliche deutsche Kohle-, Energie- und Verkehrswenden die Welt retten könnten.
Kein Grund zur Eile
Zumal außerhalb Deutschlands auch niemand daran denkt, die forschen Klimakonferenz-Beschlüsse in die Tat umzusetzen, wenn davon Nachteil für das eigene Land droht. Was in Deutschland mit politischen Kraftakten und mit Fantastillionen an Steuergeldern und Wohlstandsverlusten in Jahrzehnten „eingespart“ wird, emittieren China und andere Aufsteiger in wenigen Jahren zusätzlich.
In Deutschlands Nachbarländern und den aufstrebenden Volkswirtschaften baut man Kohle- und Kernkraftwerke um die Wette, der politisch enteignete deutsche Gebraucht-Diesel läuft in Osteuropa weiter, wo man sich über billige Qualitätsautos freut, und französische, tschechische und polnische Atom- und Kohlekraftwerke springen ein, wenn Deutschlands Windspargel und Solarspiegel mal wieder stillstehen oder eingeschneit sind. Daß die Ruhrkohle-AG unter politischem Druck stillgelegte Kohlemeiler und Kokereien demontiert, nach China verkauft und dort eins zu eins wieder aufbaut, wo sie als die modernsten Anlagen im Land weiterlaufen, reicht alleine schon, um die Absurdität des „Kohleausstiegs“ zu illustrieren.
Zu der von Deutschland vorgelegten Ausstiegshektik besteht kein rationaler Anlaß. Die fossilen Ressourcen sind zwar endlich, ihr seit Jahrzehnten vorausgesagtes Versiegen wird allerdings dank technologischer Fortschritte bei der Erschließung und sauberen und effizienten Nutzung noch lange auf sich warten lassen. Zeit genug jedenfalls, um die Suche nach der Energie der Zukunft dem Erfindergeist und dem marktwirtschaftlichen Kräftespiel zu überlassen.
Ausstieg ohne echten Plan
Für politische Weltretter ist das natürlich zu langsam und zuwenig glorreich. Also verordnen sie Elektromobilität, obwohl diese weder an Flexibilität und Wirtschaftlichkeit noch an Massentauglichkeit mit Diesel- und Ottomotoren mithalten kann, und sie beschließen nach dem Atom- auch den Kohleausstieg, ohne zu wissen, welcher zuverlässige grundlastfähige Energieträger an ihre Stelle treten könnte.
Mit dieser Gretchenfrage befaßt sich der „Kohlekompromiß“ freilich nicht, sondern nur mit den unmittelbaren Abschaltkosten. Die werden bereits über Entschädigungszahlungen, Strompreissubventionen und Ersatzarbeitsplätze Unsummen verschlingen, für die wieder die Steuerzahler geradestehen müssen. Von den volkswirtschaftlichen Verlusten durch Industrieabwanderungen und die unnötige Preisgabe von Technologien, in denen Deutschland einmal führend war, zu schweigen; der Rückgang von CO2-Emissionen durch Deindustrialisierung dürfte nur eingefleischte Grüngläubige erfreuen.
Die bittere Wahrheit wird vor den Bürgern wohlweislich in einer Wolke von Wunschdenken versteckt: Die ausufernde Energie-Planwirtschaft wird Mobilität und sichere Energieversorgung zum teuren Luxusgut für wenige machen. Da ist es ein schwacher Trost, daß der Zeitrahmen für den Kohleausstiegs-Zwanzigjahresplan immerhin so lange bemessen ist, daß man die Fehlentscheidung auch wieder zurücknehmen kann, wenn der Schaden ins Unermeßliche wächst.
Freiheit und Vernunft sind gefragt
Ausgerechnet der alte Kommunist Bert Brecht hat die Hybris der Machbarkeitsfanatiker schon vor neunzig Jahren in seiner „Dreigroschenoper“ griffig demontiert: „Ja, mach nur einen Plan! Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch ’nen zweiten Plan. Gehn tun sie beide nicht.“ Höchste Zeit, es mal wieder mit Freiheit, Vernunft und Augenmaß zu versuchen.