„Kamele“ und „Einzelgänger“ hat man fraktionslose Abgeordnete in der Frankfurter Nationalversammlung genannt. Das war Mitte des 19. Jahrhunderts. Bald 170 Jahre später funktioniert Ausgrenzung subtiler. Durch gesellschaftliche Ächtung, durch persönliche Diffamierung oder durch rechtliche Benachteiligung.
Zuletzt hat dies Erika Steinbach erfahren müssen, die zu Jahresbeginn die CDU/CSU-Bundestagsfraktion aus Protest gegen Merkels Politik der Beliebigkeit verlassen hat. Ende Juni sprach sie im Parlament zur „Ehe für Alle“. Es war ihre letzte Rede. Normalerweise gibt es dann Applaus und freundlichen Beifall auch vom politischen Gegner.
Petry droht die parlamentarische Isolation
Doch Erika Steinbach, die bekennende AfD-Sympathisantin, wurde gedemütigt. Durch eine unfreundliche Zurechtweisung ihres Ex-Parteifreunds Bundestagspräsident Norbert Lammert wegen ihrer Merkel-Kritik und durch das eisige Schweigen der „Kollegen“ bei ihrem Abgang – nach 27 Jahren Bundestag.
Frauke Petry sollte sich diese Rede noch einmal anhören, wenn sie in vier Wochen zum ersten Mal als fraktionslose Abgeordnete den Plenarsaal betritt. Ihre Rechte sind begrenzt. Sie darf keine Gesetzesinitiativen einbringen, im Ausschuß nicht abstimmen, im Plenum nur selten reden. Ganz hinten im Saal wird sie sitzen, ohne Tisch und Telefon. Ihrem Ehemann Marcus Pretzell wird es im nordrhein-westfälischen Landtag nicht anders ergehen.
Um ihrer parlamentarischen Isolation zu entgehen, denken die beiden Abenteurer an die Gründung einer neuen Partei. Sie werden scheitern wie AfD-Gründer Bernd Lucke mit seiner Abspaltung „Liberal Konservative Reformer“ (LKR), die am Sonntag noch nicht einmal auf dem Wahlzettel standen. Aus zwei Gründen.
Es fehlt das Alleinstellungsmerkmal
Als konservativ-liberale Kraft zwischen der Union und der AfD könnten Petry & Co kein gesellschaftlich relevantes Thema besetzen, das nicht schon von anderen Parteien besetzt ist. Es fehlt das Alleinstellungsmerkmal ihrer „Alternative“ möglicherweise unter dem Namen „Die Blauen“.
Petrys Hoffnung, AfD-Abgeordnete könnten sich ihr anschließen, ist zumindest derzeit unrealistisch. Einiges spricht dafür, daß Alexander Gauland und Alice Weidel die Herkulesaufgabe meistern und die 93 Bundestagsabgeordneten zu einer arbeitsfähigen Fraktion zusammenfügen. Petry müßte 35 von ihnen herausbrechen und für sich gewinnen. Das wird ihr nicht gelingen, denn die mediale Inszenierung ihres Austritts hat auch ihre Anhänger verstört.
„Die Karawane zieht weiter“, hätte Helmut Kohl in einer ähnlichen Situation gesagt. Damit wären wir wieder bei den Kamelen der Frankfurter Nationalversammlung.