Der Publizist Nicolaus Fest ist der AfD beigetreten. Der Intellektuelle zitiert bei der Pressekonferenz dazu den Kommunisten Antonio Gramsci, der meinte, vor der politischen stehe die geistige Führung. Die Dinge sind in Bewegung. Das Jahr 2015 hat mit dem Sommermärchen des Willkommensrausches, dem ein herber Kater und Sturz in die kalte Realität folgte, die politische Trimmung des Landes verschoben. Nicht nur die Ränder grummeln, es ist die bürgerliche, intellektuelle Mitte des Landes, die sich von dem abwendet, was wir politische Klasse nennen.
Politisches Gewicht erhält diese Tendenz erst, seit mit der AfD eine neue politische Kraft der veränderten Trimmung auch in Parlamenten Gewicht verleiht und der Ablösungsprozeß, der alle etablierten Parteien trifft, meßbar wird. Es kommt zu neuen Zirkeln der Verständigung, die Kommunikation wälzt sich um, es akkumulieren sich neue Netzwerke, eine neue Öffentlichkeit, die intellektuelle Lufthoheit über den Stammtischen verändert sich.
Verteidigung der bürgerlichen Freiheiten
Dafür ist der Wechsel Fests in die Politik ein prominentes Beispiel. Er stammt aus einer widerständigen Familie, der Großvater Johannes Fest war ein führender Berliner Zentrums-Politiker, der sich der NS-Herrschaft nicht beugte, Vater Joachim Fest, als FAZ-Herausgeber ein bedeutender Journalist der Republik. Es ist dieses Milieu, das sich von den einst bürgerlichen Parteien CDU und FDP abwendet.
Nicolaus Fest zeigt sich als aufgeklärter Nationalliberaler, dem es in erster Linie um die Verteidigung der bürgerlichen Freiheiten und des Rechts geht. Er trägt seine Argumente besonnen, streitlustig, mit Witz vor. Die Abwesenheit von Opposition ist ihm ein Greuel. Als eine der größten Herausforderungen für unsere Gesellschaft – und das war auch der Grund für sein Ausscheiden als Redakteur beim Springer-Verlag – macht Fest die Bedrohung durch einen freiheitsfeindlichen Islam aus, der über unkontrollierte Masseneinwanderung in Europa an Ausbreitung und Dominanz gewinnt.
Realpolitisch machbare Lösungen erforderlich
Daß der Islam die Potenz zum Träger totalitärer Bewegungen hat, darin sind sich viele Analytiker einig. Fest schießt aber polemisch über das Ziel hinaus, wenn er dem Islam mitsamt seinen weltweit 1,6 Milliarden Gläubigen den Charakter einer Religion abspricht und ihn in Deutschland per Gesetz als totalitäre Weltanschauung quasi verbieten will. Das geht zu weit und birgt totalitäre Lösungen in sich.
Polemik kann in Debatten, die einschläfernd zu werden drohen, erfrischend wirken. Und die lange Zeit unverschämt verharmlosten Gefahren unkontrollierter Massenzuwanderung und der Brisanz der Islamisierung verlangen aufrüttelnde Wortmeldungen. In der Politik aber sind am Ende Lösungen gefragt, die realpolitisch machbar sind und sich nicht durch ihre überschießende Radikalität gegen sich selbst wenden.
JF 42/16