Rußland und der Iran rücken näher zusammen. Jetzt wurde bekannt, daß am vergangenen Mittwoch erstmals russische Langstreckenbomber vom Typ Tu-22M3 begleitet von Abfangjägern von iranischem Territorium aus Einsätze gegen militante Islamisten in Syrien geflogen haben. Ihre Ziele lagen in den Gebieten um Aleppo, Idlib and Deir al-Zour. Insgesamt sollen mindestens sechs der Überschallbomber auf dem iranischen Luftwaffenstützpunkt Hamedon stationiert sein.
Die viersitzige Tu-22M3 (NATO-Code: Backfire-C) ist seit Beginn der 1980er Jahre im Einsatz. Sie eignet sich für Flächenbombardements aus großer Höhe, ist aber auch in der Lage, im sogenannten Terrainfolgeflug knapp unter Schallgeschwindigkeit hundert Meter über der Erdoberfläche Kurs zu halten. Unter Ernstfall-Bedingungen flogen Tu-22M3 ab 1987 Einsätze in Afghanistan, später in den Tschetschenienkriegen und 2008 über Georgien. Dort wurde eine Maschine vom georgischen Militär abgeschossen. Derzeit verfügt die russische Luftwaffe über 44 einsatzfähige Tu-22M3.
Intensivierung der Bombardements
Es ist das erste Mal seit Beginn der russischen Intervention in Syrien im vergangenen Herbst, daß russische Maschinen Bombenangriffe von einem Drittland aus flogen. Zuvor starteten die großen Bomber in der südrussischen Teilrepublik Nordossetien. Von dort aus ging es nach Osten über das Kaspische Meer und weiter durch den iranischen und irakischen Luftraum nach Syrien. Die russischen Militärstützpunkte in Syrien sind für die schweren Tupolews nicht ausgelegt.
Die neue Route bringt eine gewaltige Zeitersparnis mit sich und erlaubt die Intensivierung der Bombardements ohne Ausweitung der Ressourcen. In der Vorwoche flogen auch erneut russische Marschflugkörper, von Schiffen im Kaspischen Meer abgefeuert, über Iran und Irak hinweg nach Syrien.
Eine Herausforderung für den Westen
Für den Westen ist die neueste Entwicklung eine Herausforderung. In der Entente mit Syrien und dem Iran stellt Moskau sich jetzt offen hinter die schiitische Allianz von der libanesischen Hisbollah bis zu den iranischen Revolutionsgarden. Die beiden Mittelost-Staaten, die aus ihrer antiwestlichen Politik den geringsten Hehl machen – Iran und Syrien –, dienen russischen Luftstreitkräften heute als Basis.
Gleichzeitig gerät der Kreml immer tiefer in die vertrackten politischen Verhältnisse der Region. Etwa mit Blick auf die Türkei: Erst vor wenigen Wochen hat ein rapider Annäherungsprozeß zwischen Ankara und Moskau begonnen. Die Türkei allerdings ist ein uralter Rivale des Iran – konfessionell, kulturell und politisch. Und der türkische Präsident Recep Erdogan ist ein Erzfeind seines syrischen Kollegen Baschar al-Assad.
Legitimität der Assad-Regierung
Auch im Verhältnis zum Westen müssen die Russen Gemeinsamkeiten ebenso managen wie Widersprüche und Konflikte. Die USA und ihre Verbündeten bekämpfen in einer Front mit Schiiten und dem russischen Militär die Steinzeit-Sunniten vom „Islamischen Staat“ (IS). Gleichzeitig stehen Rußland, der Iran und der Westen im syrischen Bürgerkrieg auf unterschiedlichen Fronten.
Rußland und der Iran beharren auf der Legitimität der Assad-Regierung und bekämpfen die Rebellen aller Couleur. Der Westen hingegen unterstützt die „Gemäßigten“, also denjenigen Teil der Assad-Gegner, der in russischen Medien gerne als „gemäßigte Terroristen“ bezeichnet wird.
Nichts als Desaster
Beim jüngsten Treffen der Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Sergei Lawrow am Montag in Jekaterinburg wurde wieder deutlich, daß Moskau von seiner Unterstützung für die Assad-Regierung so bald nicht abweichen wird. Zu groß ist die Sorge, daß der Westen im Zeichen von „Demokratie“ und „Humanität“ nach dem Irak und nach Libyen ein weiteres Land dem Chaos der Kämpfe zwischen Kriegsherren und Konfessionen überantwortet.
Letztlich muß sich noch erweisen, ob Moskau als Ordnungsmacht im Mittleren Osten eine glücklichere Hand hat als die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Verbündeten, die in dem Vierteljahrhundert seit dem ersten Irakkrieg nichts als ein Desaster angerichtet haben.