BERLIN. Die Parteispitze der Alternative für Deutschland (AfD) hat sich von den Äußerungen des Fraktions- und Landesvorsitzenden der Partei in Thüringen, Björn Höcke, zur angeblich unterschiedlichen „Reproduktionsstrategie“ von Europäern und Afrikanern distanziert. Nach mehrstündigen Diskussionen und Beratungen appellierte der Vorstand an den Parteikollegen, er möge überprüfen, ob er noch in der richtigen Partei sei. Höckes Ansichten „bezüglich eines biologisch-demographischen Verhaltens von Menschen“ stellten ausschließlich seine persönliche Meinung dar, hieß es in einer am Abend veröffentlichten Mitteilung des Bundesvorstands. Gleiches gelte für Höckes Einlassungen zur Innenpolitik des EU-Partners Frankreich. Der Vorstand mißbilligte, daß Höcke dem Front National zu seinem guten Abschneiden in der ersten Runde der Regionalwahlen gratuliert hatte.
AfD-Bundessprecherin Frauke Petry hatte sich mit der direkten Forderung nach Höckes Rücktritt nicht durchsetzen können. Petry erklärte für den Vorstand, dessen Geduld in bezug auf die in Rede stehenden Äußerungen sei „am Ende“. Dem ARD-Hauptstadtstudio sagte sie, Fehler könne jeder machen, „aber ich glaube, daß er sehr stark überdenken muß, ob er noch Landesvorsitzender in Thüringen bleiben kann“. Sie verortete die Partei „im liberal-konservativen Spektrum“, mißverständliche Äußerungen, „die immer Widerhall in der Presse finden“, seien für die AfD „äußerst schädlich“. Auch Höcke-Vertrauter André Poggenburg mahnte, der Landeschef müsse künftig darauf achten, mit seinen Äußerungen weniger Angriffsfläche zu bieten und in seinen Reden weniger Interpretationsspielraum zuzulassen.
Meuthen: „Höcke dem Erscheinungsbild nicht dienlich“
Die meisten Landessprecher stützten Petrys Position. AfD-Co-Vorsitzender und Spitzenkandidat in Baden-Württemberg, Jörg Meuthen, beklagte den Schaden für einen gelingenden Wahlkampf. Höckes Äußerungen seien „dem Erscheinungsbild unserer Partei in der Öffentlichkeit alles andere als dienlich“.
Gestern wurde bekannt, daß Höcke auf einer Veranstaltung der Nachwuchsorganisation der Partei „Junge Alternative“ Christentum und Judentum in einem „Antagonismus“ zueinander sehe. „Darum kann ich mit dem Begriff des christlich-jüdischen Abendlands nichts anfangen.“ Gegenüber der Bild-Zeitung bestätigte der 43jährige diese Äußerung, wollte damit aber „keine Kritik am Judentum verbunden“ wissen, das er im Gegenteil für eine „großartige Religion“ halte.
Höcke zeigte sich unbeeindruckt und wollte keinen Dissens erkennen. Seine Positionen stünden grundsätzlich „in vollster Übereinstimmung“ mit der Partei, ließ er über eine Sprecherin erklären. Er lege Wert darauf, interne Vorgänge auch intern zu klären. (ru)