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Griechenland-Hilfen: Nein!

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Bundestag
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Abgeordnete stimmen im Februar im Bundestag für die Verlängerung der Griechenlandhilfen Foto: picture alliance/dpa
Griechenland-Hilfen
 

Nein!

Die Staaten der Eurozone verhandeln über ein drittes Hilfspaket für Athen. Doch Griechenland ist nach wie vor insolvent. Nach den Kriterien des Wirtschaftsrechts müßte jeder weitere Kredit als schwere Untreue und Insolvenzverschleppung gewertet werden. Ein Kommentar von Dirk Meyer.
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Rechtstaatlichkeit beruht auf der Herrschaft der Gesetze, nicht auf der von Personen. Die „Griechenland-Rettung“ ist ein Lehrstück dafür, wie in Europa die im EU-Rat versammelten Staats- und Regierungschefs eine Selbstanmaßung entgegen rechtlicher Vorgaben betreiben. Wie selbstverständlich wird über ein drittes Hilfspaket diskutiert, ohne die ökonomische Wirksamkeit oder die politischen Implikationen in Frage zu stellen – doch dazu später. Völlig übersehen wird, daß keine der drei rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt ist.

Der Stabilitätsmechanismus darf erstens nur aktiviert werden, „wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt zu wahren“ (Artikel 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV). Nicht die Solidarität mit dem Krisenstaat, sondern die Vermeidung der vom ihm ausgehenden Gefahren für die Stabilität anderer Euro-Staaten steht im Vordergrund. Die Kapitalmärkte reagierten nach dem Zahlungsverzug Griechenlands äußerst verhalten. Die Risikoprämien der mediterranen Mitglieder stiegen nur unwesentlich.

Risiken für Banken wurden auf den Steuerzahler überwälzt

Der Hintergrund: Da 257 Milliarden Euro (80 Prozent) der insgesamt 322 Milliarden Euro Staatsschulden bei den öffentlichen Gläubigern des Rettungsfonds (142 Milliarden Euro), den EU-Staaten (aus dem ersten Hilfsprogramm 53 Milliarden Euro), dem Internationalen Währungsfonds (IWF, 35 Milliarden Euro) sowie der Europäischen Zentralbank (27 Milliarden Euro) liegen, dürften dem europäischen Bankensektor kaum spürbare Verluste – anders als 2010 und 2012 – drohen. Lediglich 65 Milliarden Euro liegen bei privaten Investoren. Das ist das wesentliche Ergebnis der bisherigen Euro-Rettungspolitik: Die Risiken für Banken wurden auf den Steuerzahler überwälzt.

Sodann müssen sich die Vertragspartner zweitens auf eine Gegenleistung der Hilfen in Form eines sogenannten Memorandum of Understanding (MoU) einigen, das die finanzielle Stabilität des Krisenstaates wiederherstellen soll: „Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen.“ (Artikel 136 AEUV).

Europarechtlich wird die gemeinschaftliche Solidarität an selbstverpflichtende Spar- und Reformanstrengungen des Krisenstaates gebunden. Die Praxis der zwei Hilfspro-gramme hat jedoch gezeigt, daß Griechenland seine Zusagen nicht einhält oder nicht einhalten kann. Das Referendums-Nein des griechischen Volkes sowie das vertrauenszerstörende Taktieren Tsipras’ geben keinerlei Basis für eine neue Kredithilfe.

Niederschmetterndes Ergebnis

Drittens heißt es in Artikel 13 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM): Es ist „zu bewerten, ob die Staatsverschuldung tragfähig ist.“ Bereits 2012 fanden zwei ursprünglich nicht geplante Schuldenschnitte statt. Private Gläubiger verloren unter Berücksichtigung von Zinskürzungen und Laufzeitverlängerung de facto etwa 140 Milliarden Euro (70 Prozent), öffentliche Kreditgeber 47 Milliarden Euro (37 Prozent).

Bei Staatsschulden in (derzeit) einer Höhe des 1,8fachen Bruttoinlandprodukts (BIP) ist die Schuldentragfähigkeit nicht gegeben. Selbst der IWF fordert einen Schuldenschnitt, da seine Vergaberegeln eine Schuldenquote von höchstens 120 Prozent vorsehen. Aktuell verzeichnet Griechenland wieder ein Haushaltsdefizit ohne die Berücksichtigung des Schuldendienstes (Primärsaldo), so daß der Schuldenstand weiter ansteigt. Im Ergebnis werden alle drei Bedingungen für ein drittes Hilfsprogramm nicht erfüllt.

Verhandlungen über ein neues Programm hätten also nach geltendem EU-Recht gar nicht erst aufgenommen werden dürfen. Unabhängig von der Rechtsbeugung stellt sich die Frage, wie die bisherigen Programme gewirkt haben und welche Prognose eine dritte Griechenland-Hilfe hätte. Lediglich der IWF hat die Hilfen im Jahr 2013 analysiert – mit niederschmetterndem Ergebnis.

Jeder weitere Kredit wäre Bilanzfälschung

Laut IWF waren die Prognosen viel zu optimistisch. So wurden die negativen konjunkturellen Wirkungen der staatlichen Einsparungen stark unterschätzt; die Einsparungen durch Entlassungen und Lohnkürzungen trafen vornehmlich die Staatsbeschäftigten, während die Reform der dezentralen tariflichen Lohnfindung in der Privatwirtschaft über Firmentarife kaum Anwendung fand; statt erhoffter Privatisierungen von 50 Milliarden Euro wurden staatliche Unternehmen im Umfang von 10 Milliarden Euro privatisiert; die sehr wichtige Rentenreform wurde vom obersten Gericht in wesentlichen Teilen für ungültig erklärt. Die Unfähigkeit der griechischen Verwaltung wurde völlig unterschätzt. Die Steuerverwaltung ist höchst ineffektiv; Sozialmißbrauch ist immer noch weit verbreitet.

Im Ergebnis hat kein hinreichender Strukturwandel stattgefunden, die Arbeitslosigkeit ist auf 26 Prozent gestiegen, das BIP ist seit 2009 um 23 Prozent eingebrochen, und an eine Rückkehr an den Kapitalmarkt ist nicht zu denken. Griechenland ist nach wie vor insolvent. Nach den Kriterien des Wirtschaftsrechts würde jeglicher weiterer Kredit als schwere Untreue, Bilanzfälschung und Insolvenzverschleppung zu werten sein.

Auch politisch steht die EU vor einem Scherbenhaufen. Der ständige unsanktionierte Regelbruch der griechischen Regierung kommt einer Belohnung mit Beispielcharakter gleich. Die griechische Gesellschaft zerfällt. Auf der anderen Seite wächst der Unmut über den Anspruchsteller. Schließlich kommt der Privatisierungsfonds in Höhe von 50 Milliarden Euro als Pfand für neue Kredite einer kolonialen Erwerbung des Euroraumes gleich. Europa hat eine andere politische Führung verdient.

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Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ordnungsökonomik an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.

Abgeordnete stimmen im Februar im Bundestag für die Verlängerung der Griechenlandhilfen Foto: picture alliance/dpa
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