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Linke in Thüringen: Tollhaus Thüringen

Linke in Thüringen: Tollhaus Thüringen

Linke in Thüringen: Tollhaus Thüringen

Bodo Ramelow
Bodo Ramelow
Linken-Politiker Bodo Ramelow Foto: picture alliance / dpa
Linke in Thüringen
 

Tollhaus Thüringen

Fast ein Vierteljahrhundert nachdem sich die DDR-Bürger gegen weitere sozialistische Experimente entschieden haben, versuchen die damaligen Wahlverlierer – Einheitssozialisten, Sozialdemokraten und Bündnisgrüne – in Thüringen einen Neustart, dessen Ziel letztlich eine „Gesellschaft ohne kapitalistische Produktionsweise“ ist. Ein Kommentar von Paul Leonhard.
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Opel plant mehr als 400 neue Arbeitsplätze in seinem Werk in Eisenach, die Landesbank Hessen-Thüringen fährt Rekordgewinne ein, und das Wirtschaftsministerium bestätigt: zahlreiche Neuansiedlungen, niedrigste Arbeitslosigkeit der neuen Länder, gestiegene Erwerbstätigenzahlen. Thüringen ist finanzpolitisch stabil, ist auf Erfolgskurs. Höchste Zeit also, ein Experiment zu wagen. Natürlich ein sozialistisches. Grüne und rosarote Sozialisten haben unter Führung der wiedererstarkten Einheitspartei die Reihen geschlossen. Es geht um die Macht, das Ausleben sozialer Utopien, um eine große Umverteilungsaktion.

Fast ein Vierteljahrhundert nachdem sich die DDR-Bürger in den ersten freien Volkskammerwahlen gegen weitere sozialistische Experimente und für die schnelle Einführung der sozialen Marktwirtschaft entschieden haben, versuchen die damaligen Wahlverlierer – Einheitssozialisten, Sozialdemokraten und Bündnisgrüne – in Thüringen einen Neustart, dessen Ziel letztlich eine „Gesellschaft ohne kapitalistische Produktionsweise“ ist. So haben es bereits vor drei Jahren sozialistische Vordenker auf einem Seminar über „linke Wirtschaftskompetenz“ formuliert.

Sozialismus pur im Koalitionsvertrag

Helmut Holter, Fraktionschef der Linken im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, sprach damals von einem komplexen Prozeß, der damit beginne, „Mut auf Eigenes und Neues zu machen“. Es müßten Rahmenbedingungen vorhanden sein, unter denen es „möglich ist, die strukturpolitischen und regionalen Entwicklungsstrategien mit dem sozial-ökologischen Umbau zu verbinden“. Eine Formulierung, die sich fast wortgleich in dem Koalitionsvertrag findet, die SED-Nachfolger, Sozialdemokraten und Grüne für Thüringen beschlossen haben.

Das 110 Seiten umfassende Papier liest sich eindrucksvoll. Darin wird nicht nur ein Wirtschaftswunderland versprochen, sondern auch Sozialismus pur. Unter einem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow werde Thüringen zum Schlaraffenland, würden alle sozialistischen und ökologischen Träume Realität, wird suggeriert. Prioritäten sind in dem Koalitionsvertrag allenfalls dann zu erkennen, wenn man um die Hintergründe weiß: „Kampf gegen Rechts“, Ausbau der Sozialwirtschaft und Zerstörung der Familie.

Allen wird alles versprochen

Als einziges wird die Einführung des kostenlosen Kindergartenjahres halbwegs seriös gegenfinanziert: durch den Wegfall des Landeserziehungsgeldes. Ansonsten wird allen alles versprochen. Ja, man wolle auf dem (unter CDU-Führung) Erreichten aufbauen und Bewährtes sichern, ansonsten aber neue Wege gehen, heißt es im zweiten Satz des Vertrages. Die Regierung will sich für einen starken, innovativen und selbstbestimmten Mittelstand einsetzen, für ein robustes Handwerk, eine leistungsfähige Sozialwirtschaft, eine wettbewerbsfähige Industrie.

Mitbestimmung, Sozialpartnerschaft und verantwortliches Unternehmertum sollen gestärkt, „vermeintlich große Investoren“ nicht länger bevorzugt werden. Dafür gibt es ein staatliches Mikrokreditprogramm für Unternehmensgründer, und die auslaufenden Bundesprogramme für Bürgerarbeit und Beschäftigungspakte sollen auf Landesebene fortgeführt werden. Bei der Polizei soll der Stellenabbau ausgesetzt, neue Lehrer sollen eingestellt werden, staatlich geförderte Arbeitsmöglichkeiten für Geringverdiener eingerichtet, die Kommunen finanziell besser ausgestattet werden.

Ein wirtschaftspolitisches Tollhaus droht

Kostenschätzungen gibt es bisher keine. Die Schuldenbremse bleibt „Maßstab für eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik“. Finanz- und Haushaltsexperten dürfen sich die Augen reiben: Wie soll das funktionieren? Aber bei den siegestrunkenen Rotrotgrünen gibt es niemanden, der warnend die Stimme erhebt, der das sich anbahnende wirtschaftspolitische Tollhaus Thüringen hinterfragt. Angesichts der neuen Steuerschätzungen seien all die neuen Landesprogramme und Aufstockungen „reine Illusion“, warnt Thüringens Noch-Finanzminister Wolfgang Voß. Die neue Regierung würde ihre Amtszeit mit einer finanzpolitischen Lebenslüge beginnen, die angekündigten Ausgaben seien „absolut unmöglich“.

Von einem „Wolkenkuckucksheim aus unerfüllbaren Versprechungen, ideologischem Treibgut und Projekten, die eine Gefahr für die Fundamente Thüringens darstellen“ spricht richtigerweise Thüringens CDU-Generalsekretär Mario Voigt. Selbst die Verfasser des Koalitionsvertrages scheinen über ihr Wunderwerk gestaunt zu haben, als sie in der Präambel notierten: „Trotz des auslaufenden Solidarpakts, sinkender EU-Fördermittel und einer wechselhaften Konjunktur soll unsere Finanzpolitik nachhaltig sein und Spielräume für notwendige Investitionen lassen.“

Nur die sozialistischsten Träume dürften finanziert werden

Sollte schon bald, bei der Aufstellung des Haushaltsplanes, das nachhaltige Erwachen kommen, haben sich die gewitzten Sozialisten eine Hintertür offengehalten: Alle Versprechen stehen unter Finanzierungsvorbehalt. Schließlich gibt es einen Schuldenberg von 16 Milliarden Euro, und außerdem könnte die scheidende CDU ja so viele Schulden in Schattenhaushalten versteckt haben, daß dann leider, leider nicht alle Träume finanzierbar sind, sondern nur die schönsten, sozialistischsten: der „Kampf gegen Rechts“ und die Verstaatlichung der Familie als kleinste Keimzelle der Gesellschaft.

Fast scheint es, als liebäugelte selbst die Thüringer CDU mit dem sich anbahnenden sozialistischen Alptraum. Denn sonst würde sie auf die Linke hören und endlich das tun, vor dem diese permanent warnt: die ausgestreckte Hand der Alternative für Deutschland ergreifen. Für die Thüringer wäre es das bessere Experiment.

JF 50/14

Linken-Politiker Bodo Ramelow Foto: picture alliance / dpa
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